Die „Blues Pills“ als Rock-Band der Stunde zu bezeichnen ist keineswegs übertrieben. Mit dem selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 2014 und dem ungleich stärkeren Nachfolger „Lady In Gold“ aus dem Jahr 2016 hat die französisch-schwedisch-amerikanische Hardrock-Allianz bereits zwei enorm starke Alben vorgelegt, die mit ausgiebigen Tourneen rund um den Globus beworben wurden. „Lady In Gold“ konnte dabei sogar den Spitzenplatz der deutschen Charts belegen. Bei den vielen Konzerten zeigte das Quartett um die charismatische Sängerin Elin Larsson, dass es keineswegs ein Einwegfliegen-Hype ist, sondern überzeugte mit hochenergetischen Live-Shows, die teils um psychedelische Jams angereichert wurden, nicht nur die Fans. Man muss schon ein ausgewiesener Hardrock-Hasser sein, um dem jungen Quartett Böses unterstellen zu wollen…
Der Bandmotor ist in den vergangenen Monaten entsprechend hochtourig gelaufen, so dass die jetzt im Handel erhältliche Live-Nachlese „Lady In Gold – Live In Paris“, beim Donzdorfer Label Nuclear Blast erschienen, wie ein Innehalten und zur-Ruhe-kommen wirkt. Und das trotz einer gewohnt leidenschaftlichen Performance.
Satter Live-Sound ohne große Studio-Nachbearbeitung
Mancher mag bemängeln, dass ein Back-Katalog von gerade einmal zwei Studioalben etwas wenig sei, um ein Live-Album zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite sind die 15 Songs, die in etwa 75 Minuten dargeboten werden, schlicht zu gut, um sie nicht auch zusammengefasst in Live-Versionen zu genießen. Aufgenommen wurde das Album bei einer ausverkauften Show Ende Oktober 2016 im „Le Trianon“ in Paris, wo die Band vor etwa 1.200 Zuschauern ein großartiges Konzert spielte.
Der Schwerpunkt auf „Live In Paris“, das im Übrigen ein sehr authentisches Live-Flair transportiert – hier wirkt nichts groß im Studio nachbearbeitet, man fühlt sich tatsächlich live dabei, vor allem, wenn man die Lautstärke etwas höher dreht –, liegt auf dem zweiten Album, das mit Ausnahme von „Burned Out“ komplett dargeboten wird.
Dazwischen werden immer wieder die großen Hits des Debüts – allen voran „High Class Woman“ (das Elin allen „high class women“ im Publikum widmet), „Devil Man“ und das hypnotische „Ain’t No Change“ – eingestreut. Mit „Bliss“ gibt es zudem einen Song zu hören, der nicht auf den Studioalben zu finden ist. Aufgenommen wurde das Album von Ivo Lange, gemischt von Christopher Schäfer im Tin Drum Studio und im Lindbacka Studio. Die Produzenten haben hier einen richtig guten Job gemacht, wie schon bei den ersten Klängen des Openers „Lady In Gold“ und dem nachfolgenden „Little Boy Preacher“ klar wird.
I Felt A Change – echtes Kleinod aus Soul und Blues
Wie schon auf „Lady In Gold“ sticht auch auf dem Live-Album dennoch ein Song besonders heraus: Mit der E-Piano-Ballade „I Felt A Change“ haben die „Blues Pills“ ein echtes Kleinod in der Schnittmenge aus Soul und Blues geschaffen, das dem Hörer auch in der Live-Version vor allem wegen Elins unglaublich intensiver Performance eine zentimeterdicke Gänsehaut verpasst. Nach rund 76 Minuten – die CD-Kapazität ist damit voll ausgereizt – geht „Live In Paris“ mit den Zugaben „Rejection“ und „Gone So Long“ absolut souverän ins Ziel. Jetzt darf man noch umso mehr gespannt auf das dritte Album der „Blues Pills“ sein…
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ 3. November 2017
- Label: Nuclear Blast
- Songs: 15
- Spielzeit: 76 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro