Breitenberg. Der Kauf von Brot, Semmeln oder Brezen ist heute das Normalste der Welt. Und genau weil der Erwerb von Bäckerei-Produkten mittlerweile so alltäglich scheint, vergisst man dabei häufig, wie aufwendig sich die Arbeit in einer Bäckerstube gestaltet. Gleichzeitig hört man die Kunden jedoch über die oft als zu hoch eingeschätzten Preise für das Backwerk schimpfen.
Eine Entwicklung, die zeigt, dass der Bäckerberuf mit einem Imageproblem zu kämpfen hat. Es fehlt an genereller Wertschätzung. In der Folge wollen immer weniger Schulabgänger jenes Handwerk erlernen. Im Hog’n-Interview spricht David Pilger (25), Juniorchef, Bäckermeister und Prokurist der gleichnamigen Bäckerei aus Breitenberg, unter anderem über diese Problematik.
Sorgenkinder sind der Verkauf und der Bäckerberuf
Herr Pilger: Beschreiben Sie uns und unseren Lesern bitte kurz Ihren Betrieb.
Die Bäckerei Pilger ist 1987 von meinen Eltern Evi und Manfred Pilger gegründet worden – also vor inzwischen 32 Jahren. Nach dem Tod meines Vaters vor zwei Jahren ist nun meine Mutter alleinige Inhaberin. Die Bäckerei wurde jedoch in drei Verantwortungsbereiche aufgeteilt: Ich bin für die Produktion zuständig, meine Schwester Corinna kümmert sich um den Vertrieb, also unter anderem um die 21 Bäckerfachgeschäfte sowie die drei rollenden Verkaufsstände, und ihr Lebensgefährte Norbert Kremsreiter ist kaufmännischer Leiter. Aktuell sind bei uns 207 Mitarbeiter beschäftigt – darunter vier Bäcker/Konditor-Lehrlinge. Wir erwirtschaften einen Jahresumsatz im höheren einstelligen Millionenbereich.
Wie viele andere Branchen haben auch die Bäcker seit Längerem mit fehlenden Bewerbern für Ausbildungsstellen zu kämpfen. Wie akut ist die Lage bei Pilger derzeit?
Genaue Zahlen kann ich hier nicht nennen, denn: Bekommen wir ansprechende Bewerbungen und überzeugen die Schulabgänger auch im persönlichen Gespräch, gibt es keine Grenze, was die Ausbildungsplätze betrifft.
Welche Lehrberufe bietet die Bäckerei Pilger an?
Wir bilden im kaufmännischen Bereich aus, haben Bäcker- und Konditor-Lehrlinge sowie Auszubildende im Verkaufsbereich. Unsere Sorgenkinder sind der Verkauf und der Bäckerberuf – Luxusprobleme haben wir bei den Konditoren und in der Verwaltung.
Liegt es vielleicht daran, dass das gesellschaftliche Ansehen eines Bäckers scheinbar nicht mehr so hoch im Kurs steht?
Nicht allzu hoch, das stimmt – ist aber im Wandel. Der Trend bei den Verbrauchern geht wieder zurück zum örtlichen Handwerker, zum örtlichen Geschäft. Der Bäckerberuf hat aber nach wie vor das Image eines harten Knochenjobs, bei dem man früh morgens aufstehen muss. Das stimmt jedoch keinesfalls. Wir stellen beispielsweise – aufgrund unserer Betriebsgröße – fast alle Sozialleistungen bereit, welche bei Industriebetrieben angeboten werden. Auch die Technologie hat inzwischen für eine körperliche Entlastung der Mitarbeiter gesorgt und gleichzeitig überlegen wir, wie wir durch den Einsatz von intelligenter Technik die Herstellung unserer Backwaren mehr auf den Tag verlagern können.
Die Perspektiven eines Bäckers oder einer Bäckerin sind heute besser denn je: Weltweit bekommen sie problemlos eine Anstellung, u.a. auch auf einem Kreuzfahrtschiff. Die Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa zum Meister, Lebensmittelingenieur oder auch als Sprung in die Selbständigkeit, können sich ebenfalls sehen lassen. Und auch bei den Mädels sind die Bäcker beliebt: Immerhin hat man nachmittags Zeit, um ins Freibad gehen zu können (lacht).
„Mit 1.000 Euro monatlich wird niemand abgespeist“
Sind die nächtlichen Arbeitszeiten der Hauptgrund dafür, dass nur wenige Schulabgänger Bäcker werden möchten?
Nein. Denn auch als Fabrikarbeiter im Schichtbetrieb muss man früh aufstehen. Warum der Bäckerberuf uncool zu sein scheint? Weil die Bevölkerung nicht weiß, wie vielschichtig dieser Beruf mittlerweile geworden ist. Diejenigen, die bei uns angestellt sind, sind überzeugt von ihrem Job. Leider haben wir es jedoch noch nicht geschafft, diese positive Stimmung nach außen zu transportieren. Daran müssen wir weiter arbeiten.
Als Nachteil des Bäckerjobs wird immer auch die nicht gerade üppige Bezahlung aufgeführt.
Wir steuern diesem Vorurteil bewusst entgegen – beispielsweise passen wir die Lehrlingsgehälter demnächst wieder einmal an, um für eine faire Entlohnung zu sorgen. Bei uns verdient man nicht weniger als in der Industrie.
Es heißt: Die Bäckerei Pilger versucht den Bäckermangel mit kroatischen Fachkräften zu umgehen.
Ja, das stimmt. Angefangen haben wir mit tschechischen Bäckern und über die Zeit sind wir auch für weitere ausländische Bäckerfachkräfte u.a. aus Kroatien interessant geworden. Unsere ausländischen Mitarbeiter haben unsere Sprache schnell gelernt, wohnen mittlerweile teilweise hier in der Region und sind bestens integriert. Ein Glücksfall, weil wir deshalb in der Produktion keine Leerstellen haben.
Bäcker aus Kroatien dürften in der Branche wohl eher die Ausnahme sein, oder?
Ja, aber nicht auf absehbare Zeit. Der Grund: Ausgebildete deutsche Bäcker werden künftig rarer, wenn man beachtet, dass es aktuell praktisch keine Lehrlinge mehr gibt.
Droht dann ein Engpass an Gebäck-Stücken, Brezen und Semmeln?
Nein. Denn dann würde die Industrie einspringen. Dass im Zuge dessen jedoch die Qualität nachlässt, ist auch klar.
Die Vorgabe für die Zukunft: Qualität statt Quantität
Gelten für kroatische Bäcker die gleichen Verträge wie für die deutschen?
Absolut. Da gibt es keinen Unterschied.
Themawechsel: Glauben Sie, dass der kleine Bäcker vor Ort angesichts der aktuellen Entwicklungen überhaupt noch überlebensfähig ist?
Vermehrte Übernahmen durch größere Betrieb schließe ich aus, da Expansionen in der Szene nicht das große Thema sind. Vielmehr drohen Schließungen – was nicht an der Konkurrenz liegt, sondern an den immer strengeren Vorschriften. Stichwort: Lebensmittelrecht. Stichwort: Hygiene. Derartige Investitionen können die kleinen Handwerksbetriebe schlichtweg nicht tätigen.
Abschließend ein Blick in die Zukunft der Bäckerei Pilger: Wohin geht die Entwicklung?
Wir versuchen, unsere Produkte noch wertiger zu machen. Qualität statt Quantität – wir wollen geschmacklich noch besser werden. Das ist nur möglich, wenn wir dem Teig Zeit lassen, was mit Mehrkosten verbunden ist – sich am Ende jedoch lohnt. Es ist das Ziel, sich dadurch von den Discounter, von der Massenware, deutlich zu unterscheiden. Darüber hinaus wollen wir das Ambiente in unseren Filialen weiter verbessern – als Beispiel kann hier der Laden in der Ringmauerstraße in Waldkirchen angeführt werden. Es gibt also noch einiges zu tun … (lacht)
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer
Tja dann muss die Branche halt ein bisschen Umdenken, warum das so ist??Es ist ja auch kein neues Phänomen und die Problematik ist ja auch nicht plötzlich vom Himmel gefallen…
Es stimmt dass die Herstellungsabläufe stellenweise automatisiert wurden, doch eine schwere Arbeit bleibt es weiterhin und unter anderem ist es weiterhin eine sehr körperlich anstrengende Arbeit.
Es stimmt außerdem auch, dass niemand mit 1000 € abgespeist wird, aber…. wenn man bedenkt das ein Geselle zwischen 1700 und 2100 € brutto verdient dann schreckt das viele von dem Beruf ab.
Selbst ein Bäckermeister hat nur ein durchschnittliches Einkommen von 2500 € brutto. Da verdient jeder Schreibkraft in einem „anständigen“ Büro meistens deutlich mehr!