Grainet/Passau. Wohl so ziemlich alles aus Kriminal- und Agentenromanen, das der Bayerwäldler im Hinterkopf hat, ist am ersten Tag des Brandstiftungsprozesses am Landgericht Passau gegen den 42-jährigen Graineter Elmar S. zur Sprache gekommen: von der Mafia war die Rede, vom Rotlicht, von Waffenarsenalen in Südtirol, vom Herausschleifen der Seriennummer aus einer Pistole, von Mord- und Raubplänen. Und natürlich von Brandstiftung.
Es geht um einen Brand, der sich vor gut zwei Jahren in Rehberg in der Gemeinde Grainet ereignete (da Hog’n berichtete). Dort schlugen in der Nacht auf den 27. September 2015 die Flammen aus dem Dach eines Einfamilienhauses. Nachtschwärmer bemerkten das Feuer gegen 3 Uhr, verständigten die Feuerwehr. Trupps aus allen Richtungen rückten an, die ersten mit Atemschutz waren die Freyunger, die sofort ins brennende Haus einstiegen, um nach Bewohnern zu suchen.
Gutachter: „Großer Zufall, dass es zu keiner Explosion kam“
Menschen befanden sich darin keine. Aber rund 40 Brandstellen sowie zwei Propan-Gasflaschen – eine davon aufgedreht und fast leer. Einer der Feuerwehr’ler war das erste Mal mit einer derartigen Konstellation konfrontiert. Er schnappte sich eine Flasche, brachte sie hinaus, die zweite folgte. Das war lebensgefährlich. Wie die gesamte Situation für ihn selbst und alle weiteren Kameraden. Dies erklärte nun ein Brandgutachter des Landeskriminalamts.
Eine Flasche war geöffnet worden, fast elf Kilo Gas waberten durch das brennende Haus. Propan ist schwerer als Luft. Zuviel davon in der Luft ist unbrennbar. Optimal ist ein Mischverhältnis zwischen zwei und 9,5 Volumenprozent – dafür müssen gerade einmal gut 40 Gramm Gas in einem Kubikmeter Luft liegen. Der erfahrene Gutachter hat schon ein explodiertes Haus gesehen, in Oberbayern. Dort war in jedem Zimmer Benzin ausgeschüttet worden. Danach steckte die Haustür im Obstbaum des Nachbarn: „Für mich war das ein großer Zufall, dass es zu keiner Explosion kam.“
So erklärt sich der Vorwurf des Staatsanwalts, in dessen Anklageschrift von besonders schwerer Brandstiftung die Rede ist. Ein Verbrechen, Mindeststrafe fünf Jahr: „Es bestand eine große Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Explosion kommt. Die hätte die etwa 35 Feuerwehrleute töten können – und die beiden Nachbarn im Haus unmittelbar daneben. Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass Personen getötet werden.“
In allen Zimmern waren Gegenstände angezündet worden: hier ein Vorhang, dort die Couch, woanders Klamotten im Schrank, Papier im Regal. Eine der Brandstellen amüsierte den Gutachter: Der Spülkasten eines Klos im ersten Stock, wo es auch am stärksten gebrannt hatte, war mit Papier vollgestopft, das angekokelt war. Der Fachmann: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“
Feuerwehr zu früh gekommen – Onkel hätte sich 1,5 Mio erwartet
Außerdem verfügte der Brandstifter über Ortskenntnisse: Er hatte einen Tresorwürfel aus dem Büro im Parterre in den Keller geschleppt, ihn aufgebrochen, den Schlüssel für den Waffenschrank entnommen und daraufhin einige Schusswaffen – vom Revolver bis zur Doppelflinte – weggeschafft, außerdem eine wertvolle Uhr und Silberbesteck entwendet. Eine der geklauten Pistolen sollte noch eine wichtige Rolle spielen…
Die entscheidende Frage: Warum soll das der Angeklagte Elmar S., der Neffe des Hauseigentümers Franz F., alles vollbracht haben? Der Staatsanwalt hat am ersten Prozesstag einen Zeugen vorgeladen, einen Spezl des Beschuldigten – zumindest bestand die Freundschaft bis März dieses Jahres. Da nämlich kam der ebenfalls 42-jährige Zimmerer zur Polizei – mit einer Pistole. Er wollte ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Da er eine spannende Geschichte zu erzählen hatte.
Die Pistole, bei der er die Seriennummer hätte wegschleifen sollen, habe er für Elmar S. aufgehoben. Und das kam so: Beide Männer hatten 2015 Geldsorgen. Sie unterhielten sich viel via Chat, dessen Gesprächsverlauf dem Gericht nun vorliegt. Da war bei geplanten Delikten dann von „Baustellen“ die Rede, die Pistole war „das Spielzeug“. Mal ging es um den Überfall auf ein reiches Ehepaar in Österreich, mal um das Ausrauben eines Architekten in Passau. Und ums Abbrennen des Hauses vom Onkel.
Der Zeuge wusste viele Details, die sich nun in der Anklage wiederfinden: der Bunsenbrenner als Zündmittel, das Aufflexen des Tresors. Die vielen Waffen hätten der Angeklagte und er nach Italien gebracht, heuer. Zu einem Mafiosi. Der Zeuge hätte die ganze Fahrt über seinen Rausch ausgeschlafen. Er ist Alkoholiker. Die Pistole hätte der Angeklagte wieder mitgenommen. Aber es hätte nicht stark genug gebrannt, die Feuerwehr wäre zu früh gekommen. Der Onkel hätte sich 1,5 Mio. Euro erwartet…
Onkel verweigert die Aussage gegen seinen Neffen…
Deshalb heißt es in der Anklage auch: Der Angeklagte, der nach dem Besuch des Kumpels bei der Polizei festgenommen worden war und seither in U-Haft sitzt, hätte angezündet, „um die Auszahlung der Versicherungssumme für das Haus an seinen Onkel zu erreichen“.
Der Onkel, der in der Brandnacht in München auf dem Oktoberfest war und nun die Aussage gegen seinen Neffen verweigerte, hatte damals auch gleich am nächsten Tag den Brand bei der Versicherung gemeldet – Zeitwert des Hauses laut Anklage: fast 540.000 Euro. Ausgezahlt ist bislang aber noch kein Cent.
Wie der Onkel hat der Angeklagte bislang geschwiegen. Seine Verteidiger haben für den nächsten Prozesstermin (vorauss. am 8. Dezember) eine Einlassung angekündigt, die auch das mit der Pistole genauer erklären soll…
da Hog’n