Kriegsreporter und Autor Carsten Stormer lebt seit neuen Jahren auf den Philippinen, wo Präsident Rodrigo Duterte seit fast einem Jahr regiert.
Carsten Stormer mit seinem Sohn. Fotos: Carsten Stormer

Manila. „Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass es die philippinische Gesellschaft hinnimmt, dass 7.000 Menschen ohne Anklage getötet werden, ich hätte es nicht geglaubt.“ Kriegsreporter und Buch-Autor Carsten Stormer lebt seit neun Jahren in Manila. Er kam damals für eine Recherche in die Hauptstadt der Philippinen – und war sogleich fasziniert von Land und Leuten.

Er beschloss zu bleiben. Zwei Jahre später lernte er seine Frau kennen. Heute lebt er mit dem gemeinsamen Sohn und zwei Katzen am Stadtrand der 1,6-Millionen-Einwohner-Metropole, in der – wie im ganzen Land – mehr und mehr Menschen ohne rechtmäßige Anklage verschwinden. Carsten Stormer mit einem kleinen Einblick in die Entwicklung der Philippinen seit Dutertes Machtübernahme.

„Ich habe hunderte Leichen ermordeter Menschen gesehen“

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Carsten Stormer: Wie hat sich das Leben auf den Philippinen verändert, nachdem Rodrigo Duterte 2016 die Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden konnte? Welches „Klima“ herrscht dort derzeit?

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Die Wahl Dutertes ist ein Denkzettel der Zornigen und Enttäuschten an die Oligarchie, die seit Jahrzehnten das Volk mit leeren Wahlversprechen belügt, sich schamlos bereichert, Steuergelder in die eigenen Taschen stopft und in einem System völliger Straflosigkeit keine Konsequenzen fürchten muss. Die derzeitigen Menschenrechtsverletzungen, die täglichen Morde, die Quasi-Abschaffung des Rechtsstaats werden von der Mehrzahl der 102 Millionen Filipinos nicht befürwortet, aber hingenommen. Dutertes Säuberungsaktionen befeuern den immer lauter werdenden Schrei nach einem Land, in dem Gerechtigkeit, Gesetze und die Verteilung des Wohlstands für alle gelten.

Der Online-Nachrichtendienst AJ+ berichtet über die Situation der Philippinen:

Duterte sorgt immer wieder für Schlagzeilen aufgrund seines drakonischen Vorgehens gegen Drogenhändler und –abhängige. Mehr als 7.000 Tote hat sein Anti-Drogenkrieg bereits gefordert. Was bekommen Sie von all dem mit?

Sehr viel. Ich begleite den Drogenkrieg seit Juni vergangenen Jahres. Ich habe hunderte Leichen ermordeter Menschen gesehen. Ich war bei Drogenrazzien dabei, sprach mit Auftragsmördern und Drogendealern. War bei unzähligen Beerdigungen. Und habe die Hinterbliebenen gesprochen. Gerade trommelt die Regierung für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Kinder ab neun Jahren gelten jetzt als strafmündig und dürfen eingesperrt werden. Vielmehr muss man nicht sagen.

„Immerhin formiert sich nun Widerstand gegen das Töten“

Wie würden Sie Dutertes Präsidentschaft beschreiben? Mit welchen Staatsmännern sind er und seine Politik vergleichbar?

Schwer zu sagen: Ich glaube, die Frage kommt zu früh. Man muss das Ende der Präsidentschaft abwarten.

Das philippinische Parlament hatte jüngst für die Todesstrafe gestimmt: „Ein weiterer Schritt zur Aushöhlung des Rechtsstaats.“

Was benötigt das Land, um mehr Stabilität zu erlangen? Wie sieht die Zukunft der Philippinen Ihrer Meinung nach aus?

Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass es die philippinische Gesellschaft hinnimmt, dass 7.000 Menschen ohne Anklage getötet werden, ich hätte es nicht geglaubt. Immerhin formiert sich nun immer mehr Widerstand gegen das Töten. Die katholische Kirche ist endlich aufgewacht.

Menschrechtsorganisation organisieren Demonstrationen. Aber ich bin Journalist, kein Wahrsager. Ich mache mir große Sorgen. Hoffe aber, dass die philippinische Gesellschaft sich ihrer demokratischen Wurzeln besinnt. Die Wurzeln aller Probleme liegen in der unfassbaren Armut, der Überbevölkerung, einem elitären Klassensystem und bodenloser Korruption.

Vielen Dank für das Gespräch – Ihnen weiterhin alles Gute.

Interview: Stephan Hörhammer

Mehr über Carsten Stormer und seine Arbeit:

 


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