Salzweg/Straßkirchen. Zwischen Salzweg und Straßkirchen entwickelt sich seit nunmehr zwei Jahren ein „ökosoziales Wohnprojekt“. Die Häuser bestehen dabei nach Möglichkeit aus umweltfreundlichen Baustoffen und die Bewohner verzichten freiwillig auf die Benutzung von WLAN und Mobilfunk. Besonderen Wert legt man dabei auf eine gemeinschaftsfähige Wohngesellschaft, welche alle Generationen miteinbezieht. Was hier ein bisschen nach moderner Kommune klingen mag, wird derzeit im „Ökodorf Erlenweide“ in der Gemeinde Salzweg in die Tat umgesetzt. Ein Projekt, für das sich auch Rainer Langhans und Uschi Obermeier vermutlich begeistern könnten. Im Hog’n-Interview erzählt der 63-jährige IBN-Baubiologe und Mitinitiator Heinz Hofbauer über das Leben im Ökodorf und die Zukunft des Wohnens.
Herr Hofbauer: Was genau kann man sich unter einem Ökodorf vorstellen?
‚Ökosoziales Dorf‘ ist ein Überbegriff. Die einzelnen Bewohner sind dabei über eine bestimmte Rechtsform – eine GbR – miteinander verbunden. Ein Ökodorf weicht schon allein von der architektonischen Gestaltung her von einem ’normalen Dorf‘ ab. Man möchte zum Beispiel den Ortskern verkehrsfrei halten, indem man die Garagen außerhalb des Dorfes platziert. Es gibt eben gewisse Grundprinzipien, wie man so ein Projekt umsetzt.
„Ein Null-Energiehaushalt kann nicht das Kriterium sein“
Wie genau sehen die ökologischen Kriterien für ein derartiges Projekt aus?
Man muss hier zwischen baubiologisch und ökologisch unterscheiden: ‚Baubiologisch‘ bedeutet, dass Baustoffe verwendet werden, die die Umwelt nicht gefährden, wie zum Beispiel Lehm oder Kalkmörtel. Das heißt auch, dass wir auf Ziegelbauweise oder Massivholzbauweise setzen und zugleich auf Vollwärmeschutz, Mineralwolle und Kunststofffenster verzichten. Das sind einige Grundvoraussetzungen auf der baubiologischen Seite. Wenn man von ‚ökologisch‘ spricht, hört man des Öfteren den Satz: ‚Wenn ich einen Null-Energiehaushalt führe, bin ich ökologisch‘. Das kann aber nicht das Kriterium sein. Sondern es geht darum, dass die Wohnluft-Qualität sehr gut ist. Es kann nunmal passieren, dass ich bei einem Null-Energiehaushalt eine sehr schlechte Luft habe.
Was sind dann die Alternativen? Welche Materialien werden stattdessen verwendet?
Wir haben da verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist Kalkmörtel oder auch Holz. Wir verwenden zudem spezielle Heizsysteme, die von den konventionellen Heizungen abweichen. Es handelt sich stets um spezielle Maßnahmen, um die Wohn-Qualität bzw. die Raumluft-Qualität zu verbessern.
Sie haben bereits erwähnt, das Dorf sei weitestgehend verkehrsfrei.
Richtig. Wir haben einen Dorfplatz, um den die Häuser gruppiert sind. Das bedeutet, dass wir eine Art Dorfzentrum besitzen.
Und wie verhält sich dieser Umstand etwa bei der Be- und Entladung von Einkäufen?
Be- und Entladung ist selbstverständlich erlaubt. Man kann dann freilich zum Haus hinfahren und braucht seine Einkäufe nicht erst hunderte von Metern zu schleppen. Doch normalerweise bleiben die Autos an einem der drei Zufahrtsstandorte geparkt, von welchen aus man dann zum Haus gehen kann.
„Im Dorf leben etwa 40 Leute, verteilt auf rund 10.000 Quadratmeter“
Darf man sich das dann so vorstellen, dass man zunächst mit seinen Einkäufen zum Haus hinfährt, diese dann entlädt, den Motor erneut starten muss – und das Auto wieder an den Dorfrand bewegt? Ist das ökologisch?
Das spielt hierbei eine eher untergeordnete Rolle. Der Hauptgrund ist, dass wir im Ökodorf sechs oder sieben Kleinkinder haben, die vom Verkehr nicht gefährdet werden sollen. Außerdem bedeutet dies, dass ich nicht ständig Durchgangsverkehr habe und die Bewohner somit die Straße viel besser nutzen können.
Welche Ausmaße hat das Dorf eigentlich?
Wir haben momentan etwa 16 Häuser – dieses Jahr werden noch die drei letzten fertiggestellt. Alle freien Plätze sind somit bereits vergeben. Also leben im Dorf etwa 40 Leute, verteilt auf rund 10.000 Quadratmeter Fläche.
Ist das Ökodorf Erlenweide denn das erste Projekt seiner Art?
Ich bin bereits bei verschiedenen anderen, ähnlichen Projekten miteingestiegen. Um diese umzusetzen, sind bestimmte Kriterien erforderlich. Dieses Baugebiet war zuvor als ’normales‘ Baugebiet ausgewiesen. Der Grundstücksbesitzer hat sich bereiterklärt, dieses Projekt umzusetzen. Wir haben ihm also zunächst ein Konzept vorgelegt, mit dem der Besitzer relativ schnell einverstanden war. Das zweite Kriterium: Auch die Gemeinde muss mitspielen und ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erteilen. Wir mussten das Projekt also baurechtlich so umsetzen, dass es auch den allgmeinen Anforderungen entspricht.
Ein Leben frei von Strahlung – geht das überhaupt?
Wann haben Sie und Ihre Mitinitiatoren mit den Planungen begonnen?
Im Jahr 2010 haben sich die ersten Ideen entwickelt.
Auf der Ökodorf-Homepage heißt es: „Die künftigen Bewohner sind angehalten, auf funkgestützte Datenübertragungssysteme (WLAN, Mobilfunk) zu verzichten.“ Wie konsequent wird dies letzten Endes auch wirklich umgesetzt?
Das ist eine Vereinbarung, die der Grundstücksbesitzer mitträgt. Die Grundstücksvergabe läuft nach dem sogenannten Erbbau- bzw. Erbpachtrecht. Das Grundstück wird also nicht verkauft, sondern wird auf 99 Jahre – ähnlich wie bei einer Kirche – verpachtet. In diesen Erbpachtverträgen ist vermerkt, dass eine funkgestützte Datenübertragung nicht gewünscht ist. Die Bewohner sind daher angewiesen, diese möglichst zu vermeiden, da sich die Strahlung ja nicht aufs eigene Heim begrenzt, sondern auch die Nachbarn beeinträchtigt.
Nochmals nachgefragt: Wie konsequent wird diese Regelung „im Ernstfall“ auch tatsächlich durchgesetzt?
Im Gesellschaftervertrag, den jeder unterschreiben muss, erklären sich die Bewohner dazu bereit, auf diese funkgestützte Datenübertragung zu verzichten. Es ist also eine privatrechtliche Vereinbarung.
Nach welchen Kriterien werden die Bewohner des Dorfes ausgewählt? Läuft das nach einem bestimmten Verfahren?
Die Sache ist die: Wenn man so ein Projekt startet, hat man zunächst einmal nicht allzu viele Interessenten. Man muss sich also vorerst darum bemühen, genügend potenzielle Einwohner zu bekommen. Außerdem braucht man eine gute finanzielle Ausstattung. Nachdem dann rund die Hälfte der Grundstücke vergeben war, konnten wir sagen: „Jetzt starten wir.“ Wir haben über verschiedene Veranstaltungen und Medien im Vorfeld nach Bewohnern gesucht. Dies war ein längerer Prozess – und es bestand immer das Risiko, dass das Projekt mittendrin steckenfährt, weil man nicht genügend Interessenten findet.
„Wer an der Gemeinschaft kein Interesse zeigt, passt nicht ins Dorf“
Aber prinzipiell darf jeder in das Dorf ziehen, der Lust und Laune hat?
Nein, so einfach ist es nicht. Es werden mit den Interessenten erst einmal Vorgespräche geführt. Dabei wird darauf geachtet, ob diese konsensfähig sind und ob sie sich in die Gemeinschaft einfügen können. Denn die Dorfgemeinschaft soll später auch gut miteinander verbunden sein. Die Möglichkeiten, die dabei entstehen – wie zum Beispiel Kinder- und Altenbetreuung -, funktionieren nur in der Gemeinschaft. Ein Individuum, das ausschließlich seine eigenen vier Wände haben will und an allem, was darüber hinausgeht, kein Interesse zeigt, passt einfach nicht ins Dorf.
Auf der Startseite von www.oekodorf-erlenweide.de ist ein Zitat von Bruno Würtenberger zu lesen: „Die Welt, in der Du lebst, ist der Spiegel Deines Bewusstseins. Immer.“ Inwiefern steht dieses Zitat mit dem Ökodorf in Zusammenhang?
Das ist als Grundeinstellung zu verstehen. Man soll wissen, dass alles, was man sieht, eigentlich nur ein Spiegel von sich selbst ist. Bruno Würtenberger ist ein Bewusstseinsforscher, der auf Basis hermetischer Gesetze – also dem Zusammenspiel von Ursache und Wirkung – festgestellt hat, dass man etwas stets sowohl im Innern als auch außen wahrnimmt, wobei das ‚Außen‘ immer nur ein Spiegel ist. Wenn man nun ein Projekt wie das Ökodorf Erlenweide umsetzt, zieht man damit – unbewusst – ein bestimmtes Menschenklientel an. Bestimmte Leute erfahren von dem Projekt und sagen: ‚Ja, da möchte ich hin, das interessiert mich.‘
„Aus dem Denkschema der konventionellen Siedlung rauskommen“
Sehen Sie im Konstrukt Ökodorf die Zukunft des Wohnens?
Es ist ja nicht so, dass das Ökodorf Erlenweide das erste dieser Art wäre. Ich weiß nicht, wie viele Projekte es in Deutschland bereits gibt, die in ähnlicher Weise abgewickelt werden. Mehrgenerationenhäuser haben sich zum Beispiel in dieser Konstellation schon zusammengefunden. In unserem Fall gab es die Schwierigkeit, dass wir zwar das Projektkonzept an sich schon hatten, aber erst noch die Leute suchen mussten.
Könnten Sie sich vorstellen, dies auch einmal im noch größeren Stile umzusetzen, dass also eine ganze Stadt in dieser Form entsteht?
Man muss sich dieses Projekt vorstellen wie eine Zelle oder einen Kreis. Man kann dies natürlich in der Form übertragen, indem man sagt, man macht wieder so eine Zelle. Eine Sache, die man mit Sicherheit umsetzen könnte. Die größte Hürde wären im Falle der ‚Ökostadt‘ wahrscheinlich die Behörden, die vom Konzept überzeugt werden müssten. Dabei gilt es, zunächst einmal aus aus dem Denkschema der konventionellen Siedlung herauszukommen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Interview: Johannes Gress