Zwiesel/Frauenau. Nachdem die Geschäftsleitung vorvergangene Woche die Schließung des Nachtmann-Werks bekanntgegeben hatte, brodelt in dem Bayerwald-Ort Frauenau die berühmt-berüchtigte Gerüchteküche. Es kursieren Behauptungen, dass nun das Zwieseler Unternehmen „Glas Schott“ in den Ort investiere – und somit seinem Nachtmann-Konkurrenten ein Schnippchen schlagen würde. Eine weitere These: Die Firma Riedel Glas, in deren Besitz sich das Frauenauer Werk befindet, habe mit der Schließung die frühere, mittlerweile aufgekaufte Konkurrenz nach und nach systematisch ausradieren wollen. Zudem tauchen Fragen auf, wie: Müssen erst noch „umweltgefährdende Altlasten“ beseitigt werden, bevor die Kristallglasfabrik Spiegelau GmbH endgültig geschlossen werden kann? Wann wird der von den Betriebsräten Roland Köck und Egon Joachimsthaler angekündigte Sozialplan veröffentlicht? Und noch viel wichtiger: Was beinhaltet dieser? Fragen und Gerüchte sind in Frauenau in Folge des „Glas-Schocks“ im Umlauf. Doch: Was ist dran an diesem Leidg’schmatz?
Gegenüber dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erzählt ein Nachtmann-Mitarbeiter, dass Glas Schott eine der drei Frauenauer Glashütten gekauft haben soll – die Glasmanufaktur Poschinger, Eisch Glaskultur oder eben die dem Untergang geweihte Kristallglasfabrik Spiegelau. Letztere schließt der Mitarbeiter aus, schließlich wolle Riedel nach der Schließung nicht die eigene Konkurrenz stärken, sondern im Gegenteil, eher „vernichten“. Bleiben Poschinger und Eisch. Genaueres möchte der Mitarbeiter, der diese Informationen seinen Auskünften zufolge aus einer sicheren Quelle erfahren haben will, jedoch nicht kundgeben. Wir fragen bei Glas Schott in Zwiesel nach. „Da ist nichts dran“, erklärt Pressesprecherin Ramona Kroner auf Hog’n-Nachfrage. „Wir werden keine der drei Glashütten kaufen.“
Zum Thema „systematische Ausradierung von Konkurrenzbetrieben“ hat uns Josef Luksch, ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau, folgenden Kommentar auf unserer Seite hinterlassen. Er ist der Meinung, dass der Nachtmann-Kauf im Jahre 2004 Teil eines längerfristigen Plans sei, im Zuge dessen alle mit dem Namen Nachtmann in Verbindung stehenden Werke (Riedelhütte, Spiegelau, Frauenau) geschlossen werden sollen.
Liebe Glasmacher,
wann endlich gibt man zu, dass die – eigentlich geniale – Strategie der Konkurrenzvernichtung erfolgreich war? Ich möchte gerne die tatsächliche Höhe der Fördermittel wissen, die Nachtmann erhalten hat, um bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen noch zu erhalten.
Und nun erwartet man wahrscheinlich noch von der Firmenleitung, dass die gebeutelten Kommunen die Firmenareale aufkaufen, weil altlastenbelastete Industriebrachen im Ortskern nicht tragbar sind. Aufkaufen, Ausbluten, Aussaugen und die Kadaver dann auch noch der öffentlichen Hand verkaufen, die diese Übernahmen mitfinanziert hat.
Wir brauchen kein Verbot von Hedge-Fonds, wir müssen nur dringendst die Förderrichtlinien des Freistaates Bayern ändern.“
„Es wurde dort vermutlich auch Bleikristallglas erzeugt“
„Aus Kreisen“ will der frühere Bundestagsabgeordnete Gerhard Drexler aus Freyung in Erfahrung gebracht haben, dass sich auf dem Areal der Kristallglasfabrik Spiegelau GmbH in Frauenau noch „umweltgefährdende Altlasten“ befinden, die die Nachtmann-Gruppe bzw deren Besitzer Riedel Glas vor der Schließung erst noch entfernen müsse. „Es wurde dort vermutlich auch Bleikristallglas erzeugt“, erklärt Drexler gegenüber dem Hog’n. „Die Mischung von Altlasten bei vergleichbaren Produktionsstätten in Deutschland bestand aus unterschiedlichsten Abfällen – Bauschutt, Glas, Blei, Metallspäne, schlackeartiges Material, Kalkgrus, Schamott und Ofenausbruch sowie teer- und schmierfettartiges Material.“
Generell kritisiert der Ex-MdB, dass die Politik schon jetzt aufgegeben habe. Für ihn sei das unverständlich, weil während der Glaskrise 2009 auf den damaligen Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) eingeprügelt worden sei – obwohl sich dieser monatelang um eine Lösung bemüht habe. „Seehofer muss das nun zur Chefsache erklären, auch wenn dieses Mal keine Wahlen vor der Türen stehen wie noch 2009“, fordert Drexler. Und weiter: „Es könnte noch mehr Druck auf die Firma Nachtmann bzw. Riedel ausgeübt werden.“
Zumindest hat sich der Glaskonzern in Person von Geschäftsführer Alois Kaufmann, im Frauenauer Werk seit einer Woche die „persona non grata“, mittlerweile dazu bereit erklärt, mit Landrat Michael Adam und Frauenaus Bürgermeister Herbert Schreiner ein Gespräch zu führen. „Zum einen möchten wir Gründe für die Schließung wissen. Zum anderen möchten wir freilich versuchen, das Ganze doch noch irgendwie zu retten“, erklärt Landratsamts-Pressesprecher Heiko Langer im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“. Das Treffen soll am Dienstag, 19. Mai., stattfinden.
„Dann werden nicht mehr viele zur Arbeit erscheinen“
Indes besteht innerhalb der Belegschaft keine Hoffnung mehr auf den Fortbestand der Produktion in „da Au“, wie einer der Mitarbeiter gegenüber dem Hog’n zugibt. Die Stimmung in den Werkshallen sei auf dem Tiefpunkt, die Moral im Keller, es werde nur noch „Dienst nach Vorschrift“ geleistet. Ein Wachdienst sorge mehr oder weniger erfolgreich für Ordnung. Zudem habe es zahlreiche Krankmeldungen seit Bekanntgabe der geplanten Werksschließung gegeben. Auch der Sozialplan sei immer wieder Thema unter den vermutlich bald arbeitslosen Glasarbeitern. Ersten Gerüchten zufolge sollen die Gelder deutlich unter den Entschädigungszahlungen für die Betroffenen in Spiegelau und Riedlhütte liegen, wo 2008 bzw. 2009 die letzten Gläser produziert wurden. „Dann brennt der Baum“, ist sich der Mitarbeiter sicher. „Dann werden nicht mehr viele zur Arbeit erscheinen.“ Düstere Aussichten…
Helmut Weigerstorfer