Essen/Frauenau/Spiegelau. Man sieht sich immer zweimal im Leben – dass sich diese Weisheit immer wieder mal bewahrheitet, ist im Fall der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH deutlich geworden: Nach dem überraschenden Aus des bisherigen Geschäftsführers Jochen Gemeinhardt übernimmt mit Monika Dombrowsky zum 1. Januar 2015 eine Frau das GmbH-Ruder, die den Verantwortlichen bereits wohl bekannt ist. Schon bei der ersten Einstellungsrunde gehörte die 52-Jährige zum engeren Kreis der potenziellen Chefs. Sie übernahm dann jedoch kurzerhand eine Stelle als Tourismusleiterin (mit befristeten Vertrag) an der Nordsee. Deshalb ist sie nun wieder bereit, bereit für den Bayerischen Wald. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht die gebürtige Essenerin über ihr künftiges Engagement, über ihre bisherigen touristischen Erfahrungen sowie über die Möglichkeiten und Ziele der neugegründeten Tourismus GmbH.
Frau Dombrowsky, erzählen Sie uns bitte kurz von Ihrem bisherigen Werdegang.
Ich komme aus dem Ruhrgebiet und habe dort Pädagogik studiert. Danach habe ich mich sehr schnell im Tourismusbereich selbstständig gemacht und eine Incoming-Firma gegründet, die ich lange und erfolgreich geführt habe. Dennoch wollte ich nochmal etwas Neues probieren und ich war danach vier Jahre lang in Eisenach als Tourismus-Chefin und beim Deutschen Jugendherbergsverband an zwei verschiedenen Standorten beschäftigt. Tja – und jetzt gehe ich in den Bayerischen Wald.
„… auch wenn ich weiß, dass nicht alles spannungsfrei ist und wird“
Schon in der ersten Bewerbungsrunde haben Sie zur engeren Auswahl der möglichen GmbH-Geschäftsführer gehört. Damals entschieden Sie sich gegen ein Engagement im Bayerischen Wald. Warum?
Ganz einfach: Da war jemand mit der Zusage etwas schneller – und deswegen bin ich an die Nordsee gegangen.
Warum fanden Sie schon damals das Angebot aus dem Bayerischen Wald attraktiv?
Die Aufgabe dort ist spannend, wie ich finde. Dieses große Projekte mit den vielen teilnehmenden Gemeinden ist sehr interessant. In Eisenach haben sich Kreis und Stadt über den Tourismus gestritten. Deswegen freut es mich schon jetzt, dass im Bayerischen Wald gemeinsam an einem Ziel gearbeitet wird. Auch wenn ich weiß, dass nicht alles spannungsfrei ist und wird.
Haben Sie irgendwelche Verbindungen zum Bayerischen Wald. Waren Sie schon mal zu Besuch in der Region?
Nein. Ich habe mich jedoch mittlerweile ein bisschen eingelesen. Aber es ist nicht so, dass ich mich dort bereits auskennen würde. Das ist aber auch nicht wichtig, wie ich glaube … Mir wird diese Frage immer wieder gestellt, schon bei meinen vorherigen Stationen. Die Gepflogenheiten vor Ort kennen die Touristiker und Leistungsträger in meinem künftigen Umfeld. Ich muss zusehen, dass wir das vorhandene miteinander verknüpfen und das Maximum aus dem Bestehenden machen. Die notwendigen Informationen werden mir so schnell zufliegen, da brauch ich gar nicht lange drauf warten …
Ist es also eher ein Vorteil, dass Sie als Außenstehende, als Nicht-Hier-Heimische die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH künftig leiten werden?
Man kann nicht ganz Deutschland kennen. Ich finde es spannend, völlig unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Ich kenne niemanden in der Region, ich bin neben niemandem in der Schule gesessen – ich gehe unvoreingenommen an die Region heran, werde Gutes und weniger Gutes kennenlernen und daraus Ideen entwickeln und genau das ist das, was mich reizt.
Gemeinhardt-Nachfolge: „Irgendwie ein Wink des Schicksals“
Was verbinden Sie mit dem Bayerischen Wald?
Als ich mich beworben habe, war der Nationalpark ein wichtiges Argument. Und das sage ich jetzt nicht, weil die Ferienregion dessen Namen trägt – ich kenne ein ähnliches Projekt bereits aus Thüringen. Ob der Nationalpark alleine das große Zugpferd wird, weiß ich jetzt noch nicht, das wird sich noch herausstellen. Aber zumindest ist es das Alleinstellungsmerkmal für den Bayerischen Wald. Man muss sich aber auch die anderen Dinge anschauen und überlegen, wie man diese geschickt miteinander verknüpfen kann.
Zurück zu Ihrer Einstellung: Warum haben Sie jetzt, nach dem Rücktritt von Jochen Gemeinhardt, die Nordsee verlassen und dessen Nachfolge angetreten?
Ich hatte an der Nordsee eine befristete Stelle, dort habe ich ein neues Projektes des Deutschen Jugendherbergsverbandes begleitet. Es war dann purer Zufall, dass nach dem Ende dieser Zeit ausgerechnet die Stelle von Jochen Gemeinhardt wieder frei geworden ist. Irgendwie ein Wink des Schicksals.
Kenne Sie Ihren Vorgänger?
Nein.
Wie bewerten Sie dessen Rücktritt?
Mir ist gesagt worden, dass er aus persönlichen Gründen zurückgetreten ist. Sowas kann passieren. Deshalb muss man das Ganze jetzt nicht bewerten. Was ich bisher gelesen habe, hat er bereits einiges an Vorarbeitet geleistet. Ich werde aber nochmal mit ihm telefonieren, um alles Weitere zu erfahren.
Wie gehen Sie Ihren Job als Geschäftsführerin der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald nun konkret an? Welche Punkte müssen zuerst abgearbeitet werden?
Meine Aufgabe wird es zunächst sein, alles durchzugehen, was mein Vorgänger vorbereitet hat und zu schauen, ob alles getan ist, was für die Saison 2015 wichtig ist. Die Internetseite ist zum Beispiel noch immer nicht online – das ist längst überfällig. 2015 muss so verlaufen, dass von außen keiner merkt, dass es einen Bruch gegeben hat.
Es muss also zuerst die Idee weiter verbreitet werden?
Ja, genau. Und dann ist es an mir, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen und eine gemeinsame Linie zu entwickeln. Wir als GmbH müssen uns überlegen, an welchen Stellen wir eingreifen müssen, um eine gute touristische Qualität zu erreichen.
Dombrowsky: „Wer nicht will, den können wir nicht zwingen“
Welche Rolle spielt in dieser Hinsicht Daniel Eder, der nach dem Gemeinhardt-Rücktritt als Interimslösung die Fäden kurzzeitig in der Hand hatte.
Eine große! Er kennt die Strukturen vor Ort, da wird er mir sicher einiges erklären können und ich freue mich sehr, einen Fachmann aus der Region an meiner Seite zu haben.
Sie müssen den Touristikern des Bayerischen Waldes aufzeigen, dass eine GmbH die bessere Lösung im Vergleich zur bisherigen klassischen Vermarktung ist. Eine schwierige Aufgabe, oder?
(lacht) Das kann ich leider noch nicht sagen, was mich da erwartet. Hart gesagt: Es gibt ja keinen Weg zurück. Jeder Touristiker steht ja morgens auf, um den Gästen etwas Gutes zu tun und viel Geld in die Region zu bekommen. Nicht mehr und nicht weniger. Und genau das müssen wir optimieren – gemeinsam. Aber: Wer nicht will, den können wir nicht zwingen.
Unter anderem hat sich die Stadt Grafenau, die Nationalpark-Stadt schlechthin, gegen eine Beteiligung an der Tourismus GmbH ausgesprochen. Wie schätzen Sie das ein?
Das kann ich jetzt noch nicht einschätzen. Ich muss mit den Verantwortlichen den Kontakt suchen und mit ihnen darüber sprechen. Was spricht dagegen, dass Grafenau erst in einem Jahr mit dabei ist. Mir ist wichtig herauszubekommen warum Grafenau nicht dabei ist, und zu beweisen das es sich lohnt mitzunamchen.
Die kurzfristigen Ziele haben wir gehört. Was haben Sie mittel- und langfristig geplant?
Ganz klar: Die Übernachtungszahlen steigern. Wir haben etwas mehr als zwei Jahre Zeit, um die Sache ins Laufen zu bringen – und erste Erfolge sichtbar zu machen. Wir sind nicht die einzigen, die sich um Gäste bemühen, also müssen wir die besseren Ideen haben, nach Außen eine Einheit bilden und nach Innen die Qualität verbessern. Unsere Ziele lauten also: Synergien bilden, Kosten sparen und Qualität steigern.
„Dem Bayerischen Wald ist es lange zu gut gegangen“
Apropos Qualität: Wenn Sie auf einen Beherbergungsbetrieb stoßen, der seit 1960 nichts anderes gemacht hat, als sogenannte „Fremdenzimmer“ anzubieten – was tun Sie dann? Wie kann man solch alteingesessene Betriebe modernisieren?
Wenn ein solcher Betrieb heute immer noch sein Auskommen hat, ist das schön, aber grundsätzlich gilt: Möchte jemand am Tourismus teilhaben, muss er sich neuen Ideen öffnen. Hilft nix!
Entpuppt sich jemand als beratungsresistent, soll man ihn dann weiter überzeugen oder nicht?
Einen Versuch ist es wert, wenn jemand aber nicht will, darf er auch nicht schimpfen wenn die Gäste ausbleiben. In Eisenach hatten wir zum Beispiel Premiumpartner – das waren diejenigen, mit denen wir eng zusammengearbeitet haben. Diese wurden auch zertifiziert. Andere haben weitergemacht wie bisher. Ich setze hier auf die Zeit und den Prozess.
Der Bayerische Wald als Tourismusregion – wie würden Sie diese einschätzen? Verkauft sich die Region unter Wert?
Die Region hat viele attraktive Möglichkeiten, den Luxus sowohl Angebote im Sommer als auch im Winter anbieten zu können. Viele kleine Orte, die gemeinsam ein Pfund sind, aber einzeln am Markt zu wenig wahrgenommen werden. Dem Bayerischen Wald ist es lange Zeit touristisch gut gegangen. Aber jede Region buhlt heute um den Gast, die Konkurrenz ist groß, der Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Deshalb müssen wir stärker am Markt präsent sein, eine klare Botschaft kommunizieren und zwar alle zusammen die Botschaft was die Ferienregion ausmacht. Die Übernachtungszahlen sind in den Keller gerutscht. Die einzige Chance, dem entgegenzuwirken, ist eine Neu-Ausrichtung. Vor allem das Internet ist mittlerweile unersetzbar – doch da kommen die Kleinen einfach nicht mehr mit… Da ist die Region in guter Gesellschaft mit vielen anderen Regionen in Deutschland. Wir müssen als Einheit auftreten, das Klein-Klein rechnet sich nicht mehr. Als Vorbild können wir uns etwa die Gemeinde Bodenmais nehmen.
„Die Österreicher haben es einfach früher kapiert“
Warum?
Die dortige Entwicklung habe ich in den vergangenen Jahren sehr genau verfolgt – mit allem Für und Wider. Man muss das nicht alles gut finden, was in Bodenmais passiert ist, aber man muss zur Kenntnis nehmen das es ein Erfolg war. Bodenmais hat im Bereich der Gästenächtigungen deutlich dazugewonnen und das geht nur wenn viele an einem Strang ziehen und über den Tellerrand schauen. Mit dem Zusammenschluss als Ferienregion wurde zwar ein anderer Weg beschritten, aber auch der funktioniert nur gemeinsam. Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, dass es dem Gast im Bayerischen Wald zur Zeit nicht leicht gemacht wird das richtige Angebot zu finden, es gibt zu viele einzelne Organisationen, Internetseiten, Zuständigkeiten. Von außen gesehen blickt man nicht mehr so recht durch…
Immer wichtiger wird die Zusammenarbeit mit unseren tschechischen und österreichischen Nachbarn. Wie kann man diese mit ins Boot holen?
Das ist ein Bereich, der für mich vollkommen neu ist – da muss ich mich erst einarbeiten. Doch ich bin mir sicher, dass das ein spannendes Thema ist. Die Kontakte sind ja bereits da. Es fehlen also nur die Ideen, und die richtigen Leute müssen um den Tisch. Aber aus meiner Sicht fangen erst mal in der eigenen Region an. Grenzübergreifendes dann in einem zweiten Schritt.
Vor allem die Österreicher dürften als Vorbild gelten, bei denen ist die touristische Vermarktung weit fortgeschritten. Warum, glauben Sie, ist das so?
Die Österreicher haben einfach früher kapiert, dass sie was unternehmen müssen. Sie sind uns einige Jahre voraus, das stimmt.
Abschließende Frage: Das einzig größere Tourismusnetzwerk bei uns ist der TVO. Ein sinnvolles Konstrukt?
Im großen Bundesland Bayern ist es sinnvoll, den Tourismus in Einheiten zu unterteilen. Die Frage, die mich beschäftigt, ist, unter diesem Schirm einen guten Platz zu ergattern. Es geht letztlich wieder darum, Marketing-Mittel zu bündeln. Wir müssen es schaffen, von diesem Tourismusverband Ostbayern zu profitieren.
Interview: Helmut Weigerstorfer