Passau. Über ein Jahr ist sie jetzt her, die große Flutkatastrophe in Passau. Schlendert der Besucher heute durch die Gassen der Altstadt zwischen Inn und Donau, bietet sich ein recht unterschiedliches Bild: In manchen Häusern herrscht noch gähnende Leere, die Türen sind verriegelt, die Fenster trüb. Andere Gebäude sind längst wieder mit Leben gefüllt, die Geschäfte brummen, als wäre nichts gewesen. Warum dieser Unterschied, mag man sich da fragen…? Ja, es hat sich so manches verändert in der Dreiflüssestadt – das bezeugen nicht nur die Ränder an den Fassaden, die noch nicht frisch getüncht sind. Manche Läden und Gastrobetriebe sind umgezogen, manche haben wiedereröffnet – und manche gibt es nicht mehr. Sucht man seine Fleischeslust etwa in Form der „Beef Boys“ zu stillen, wird man in der Roßtränke 10 nicht mehr fündig. Hier bietet inzwischen ein Spanier seine Spezialitäten an. Den Geschäftsführer des Beef Boys finden wir dann schließlich doch – in der Großen Klingergasse vor der Hausnummer 7. Hier soll das neue Restaurant eröffnen. Wann genau, ist noch unklar. Chef Benedikt Lohr gibt nicht auf. Aber er ist sauer…
Ärger mit dem alten Verpächter: „Es wurde nicht sauber saniert“
Wie so mancher Passauer Gastrobetreiber hat er viel mitgemacht im vergangenen Sommer. Das alte Beef Boys wurde von den Wassermassen schwer geschädigt. Sein zweites Restaurant, das „Va Bene„, traf es nicht ganz so schlimm. „Da wurden nur der Boden und die Theke erneuert. Nach zwei Monaten hatten wir schon wieder offen.“ Nicht so das Beef Boys. Dort musste zunächst das im Keller gelagerte Fleisch im Wert von 20.000 Euro, wie Lohr es nennt, „vergrillt“ werden, um es vor dem Verderben zu retten. Der Passauer hat aus der Not eine Tugend gemacht – die vielen freiwilligen Flut-Helfer haben sich gefreut.
„Am Anfang dachte ich noch, der Schaden wäre relativ unproblematisch zu beseitigen.“ Schnell stellte sich dieser Optimismus aber ein. Wie der 34-Jährige erzählt, kümmerte sich der Verpächter wenig um die Wiederherstellung der Räume: „Während des Hochwassers war er in Kroatien beim Segeln. Zwei Monate lang ist nichts passiert. Und dann wurde nicht sauber saniert. Der alte Putz wurde nicht entfernt…“ Für Benedikt Lohr war die Entscheidung gefallen: Hier, in der Roßtränke, wird das Beef Boys nicht mehr eröffnet. „Der Keller muss sauber sein – jetzt schimmelt er. Da kann ich weder Fleisch lagern noch Personal runterschicken.“
Stadt zahlt nur knapp 30 von versprochenen 80 Prozent
Der Ärger nahm seinen Lauf: Der Gutachter von der Stadt kam vorbei, als der Keller noch unter Wasser stand: „Er konnte gar nicht ins Büro, wo meine ganze kaputte Technik war. Sein Pauschalurteil: 5.000 Euro. Tatsächlich hatte ich aber einen Schaden von geschätzten 50.000 Euro – alleine im Keller.“ Als die Räume wieder voll zugänglich waren, hatte der Gutachter keine Zeit mehr… Pech für Benedikt Lohr. Versichert war er nicht: „An diesem Standort nimmt Dich keine Versicherung. Also bin ich auf insgesamt 300.000 Euro sitzengeblieben.“ 28,7 Prozent Schadenserstattung hat er bekommen – „von versprochenen 80 Prozent. Und dabei war die Stadt erst so zuversichtlich…“ Was ihn auch staunend zurücklässt: Manche Ladenbesitzer und Wirte haben laut seiner Aussage „150 bis 200 Prozent“ Schadenserstattung bekommen. Darum sei der Blick in die Gassen so uneinheitlich. Benedikt Lohr ist sich sicher: „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“
PNP-Fluthilfe nur für Privatleute – „wurde nicht kommuniziert“
„Die Passauer Infopolitik ist einfach toll“, sagt der Wirt mit ironischem Unterton. So hat die Stadt auch die Gelder aus der Spendenaktion der Passauer Neuen Presse verwaltet. Was Lohr zufolge weder von Seiten der Presse noch von Seiten der Stadt ausreichend kommuniziert wurde: Die Spenden sollten von vornherein nur an Privatleute gehen – nicht an Gewerbetreibende. „Ich habe mich angemeldet, aber nichts bekommen. Meine Kollegen auch nicht. Wie viel Geld an wen verteilt wurde, ist absolut nicht nachvollziehbar.“ Laut Lohr sind angeblich 40 Prozent der Gelder nach über einem Jahr noch überhaupt nicht verteilt worden – „und im neuen Haushalt der Stadt gibt es ein Plus. Schon komisch irgendwie“, kommentiert der Passauer Gastronom.
Warten auf die Abnahme des Brandschutzgutachtens
Trotzdem: Eine neue Adresse für das Beef Boys ist gefunden, in der Klingergasse 7, im Grunde nur ein Eck weiter – und dazu direkt neben dem Va Bene. Dazu liegt der Laden rund einen Meter höher als damals in der Roßtränke 10. „Das beruhigt mich sehr, jetzt sind wir zumindest elementarversichert.“ Eigentlich klingt doch alles ganz gut. Eigentlich. Wäre da nicht das große Warten. „Wir sind uns mit dem Verpächter einig, das Konzept steht. Dürften wir jetzt mit den Umbauten beginnen, wäre das neue Beef Boys in zwei bis drei Wochen fertig.“ Aber? „Wir warten noch auf die Abnahme des Brandschutzgutachtens.“
„Will die Stadt Passau vielleicht ein Bad Füssing II?“
Und das ist wiederum Aufgabe der Stadt. „Die Bürokratie in Passau ist ein bissl fies. Die Dringlichkeit wird nicht erkannt. Die Stadt fährt die Schiene: Wir brauchen keine Gastronomie in einer Tourismusstadt. Das sieht man an den Ladenöffnungs- und an den Sperrzeiten“, ärgert sich der Wirt – und ist überzeugt davon: „Wir bringen die Stadt aber erst zum Leben. Was wäre denn eine Studentenstadt ohne Gastro? Die Studis kommen doch nur hierher, wenn sich was bewegt.“ Viele Steine würden ihm und seinen Kollegen in den Weg gelegt – viele „Verhinderer“ würden auch im neuen Stadtrat sitzen. „Wollen die vielleicht ein Bad Füssing II?“ fragt sich Lohr. Immerhin seien die 60 Millionen Euro, die die Studenten jährlich in die Stadt bringen, kein Pappenstiel…
„Den Ausführenden mache ich überhaupt keinen Vorwurf“
Wann also im neuen Beef Boys wieder lecker Fleisch verzehrt werden kann, ist noch ungewiss. „Irgendwann diesen Sommer, vielleicht auch erst im frühen Herbst“, hofft Benedikt Lohr. Konkreter kann er nicht werden. Fest steht nur, dass er ein Beef-Boys-Franchise-Konzept entwickelt hat und es schon so manchen Interessenten dafür gibt. Im Restaurant selbst soll alles gleich bleiben, auch das importierte Rindfleisch aus Südamerika – „das hat sich bewährt“. Unterkriegen lässt er sich nicht von seinen unerfreulichen Erlebnissen – und er betont: „Den Ausführenden mache ich überhaupt keinen Vorwurf. Den eigentlich Verantwortlichen, also der Stadt, schon. Da ist nix mit eitel Sonnenschein, so wie sie es verkaufen wollen.“
Herbert Zillinger, Dienststellenleiter der Stadt Passau, hat uns zu Benedikt Lohrs Vorwürfen folgende Auskunft gegeben:
Zum Thema Gutachter:
„Die Schadenstrupps sind bereits einige Tage, nachdem das Hochwasser zurück gegangen ist, aufgrund von Meldungen/Anforderung (meist über die Schadenshotline) der Betroffenen zu den jeweiligen Gebäuden entsandt worden. Da zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht absehbar war, welche Staatlichen Programme aufgelegt würden, war es in erster Linie die Aufgabe, den Schaden grundsätzlich zu dokumentieren. Die Schadensaufnahme war zudem unmittelbar an die Auszahlung der Soforthilfen bzw. des Sofortgeldes gekoppelt. Eine verzögerte Dokumentation der Schäden wäre den Betroffenen nicht zu vermitteln gewesen. Die Entsorgung des Hausrates/Einrichtungen durch die Eigentümer erfolgte unmittelbar nach dem Rückgang des Hochwassers. Eine Dokumentation wurde deshalb bei größerem zeitlichem Abstand immer schwieriger.
Abschließend sei angemerkt, dass es sich bei den Schadenstrupps zwar um Fachleute (Ingenieure und Techniker) gehandelt hat, diese aber keine Gutachter sind, die Gutachten erstellen. Das war, wie oben bereits erwähnt, auch nicht Aufgabe der Schadenstrupps.“
Zum Thema Schadenserstattung:
„Die Gewährung von Fördermitteln erfolgt einheitlich nach den Richtlinien, die Bund und Land für die Gewährung der Aufbauhilfe erlassen haben. Eine Ungleichbehandlung erfolgt selbstverständlich nicht.“
Zum Thema PNP-Spendengelder:
„Die Beschlüsse des Stadtrates zur Vergabe der Spendenmittel, insbesondere wer Spendengelder erhalten kann, wurden mehrfach, u. a. in der PNP entsprechend veröffentlicht. Darüber hinaus wurden die vom Hochwasser Betroffenen mehrfach per Schreiben von der Stadt über die Hilfsprogramme und über die Spendenverteilung informiert. Soweit bei der Stadt Gewerbetreibende oder auch Wirte zur Spendenvergabe nachgefragt haben, wobei dies bei letzteren sehr selten der Fall war, wurde diesen die Beschlusslage und die Gründe dafür dargelegt. Ein Kommunikationsdefizit können wir überhaupt nicht erkennen. Nicht zuletzt auf unserer Homepage waren alle relevanten Hilfsprogramme, Spendenkriterien und Ansprechpartner veröffentlicht.
Unabhängig davon hat die Stadt die Spendenmittel des Arbeiter-Samariter-Bundes an Gewerbetreibende verteilt. Wegen der Nachrangigkeit der Spenden war eine Voraussetzung, dass der Antragsteller bereits staatliche Hilfe beantragt hat. Bei den Empfängern dieser Spenden waren auch Wirte darunter. Jeder Gastronom, der aufgrund seiner Notlage einen Antrag auf staatliche Hilfe gestellt hatte, hatte damit die Möglichkeit, Spendengelder zu beantragen.
Die Frage, wie viele Mittel aus dem Gesamttopf, den Bund und Land aufgelegt haben, noch nicht ausbezahlt wurden, kann von der Stadt nicht beantwortet werden. Die Stadt Passau hat alle hier eingegangenen Anträge bislang bearbeitet und bei Vorliegen aller Fördervoraussetzungen auch die entsprechenden Fördermittel bewilligt und ausgezahlt. Bislang hat die Stadt insgesamt 55 (in Worten: fünfundfünfzig) Mio. Euro an Hilfsgeldern ausbezahlt!“
Zum Thema Wirte:
„Wer die Passauer Lokalpolitik verfolgt, weiß, dass die Stadt selbstverständlich die Wirte schätzt. Der Vorwurf bezüglich der Brandschutzgutachten kann überhaupt nicht nachvollzogen werden.“
Zum Thema Brandschutzkonzept-Genehmigung:
„Gastwirte, die vom Hochwasser betroffen waren, saniert und ohne wesentliche Änderung wieder eröffnet haben, brauchten keine Baugenehmigung und dementsprechend auch kein Brandschutzgutachten.
Ein Brandschutzkonzept muss lediglich bei neuen Lokalen vorgelegt werden, das aber von einem Sachverständigen erstellt und von der Stadt nur geprüft wird. Uns ist kein Fall bekannt, bei dem sich eine Verzögerung durch die Stadt ergeben hätte.“
Und auch Eva Maria Fuchs von der Fluthilfe-Stiftung der Passauer Neuen Presse äußert sich zur Verteilung der Spendengelder:
„Die Stiftung der Passauer Neuen Presse hat die Fluthilfe-Spendengelder gemäß ihrer Stiftungssatzung ordnungsgemäß verwendet. Die Verteilung der Spendengelder erfolgte dann über die vom Hochwasser betroffenen Städte und Kommunen. Dies wurde mehrfach öffentlich bekannt gegeben. Ein Kommunikationsdefizit liegt nicht vor.
Im Übrigen gab es hinsichtlich der Abwicklung der PNP-Fluthilfe bisher nur positive Rückmeldungen von Spendern, Flutopfern sowie den vom Hochwasser betroffenen Städten und Kommunen.“
Eva Hörhammer