Zwiesel. Die meisten Kommunen der Nationalparkregion stehen touristisch gesehen mit dem Rücken zur Wand. Die Übernachtungszahlen sind in den letzten Jahren drastisch eingebrochen, wenn auch in Teilen bereits die Kehrtwende eingeleitet werden konnte. Die „Touristische Neustrukturierung der Nationalparkregion Bayerischer Wald“ soll das Blatt nun endgültig wenden: 2012 startete die Gründung der „Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH“ noch voller Zukunftshoffnungen.
Zwiesels Bürgermeister Steininger war in die Kritik geraten
Die vormals losen Zweckverbände und relativ beliebig kooperierenden Kommunen (16 an der Zahl) sollen unter dem Dach einer Tourismusorganisation (besagter GmbH) vereint werden, um mit professionellen Methoden mehr Marktwirkung zu erzielen. Das große Credo: Eine „Marke“ Nationalpark Bayerischer Wald zu kreieren. Nur das „Wie“ könnte dazu führen, dass mehrere Städte doch nicht mitziehen – allen voran Zwiesel, Rinchnach, Freyung und Grafenau. Auch in Spiegelau und St. Oswald-Riedlhütte sind noch Fragen offen.
Franz Xaver Steininger, Bürgermeister von Zwiesel (parteifrei) und gleichzeitig Vorsitzender der Projektsteuerungsgruppe der Neustrukturierung, war in jüngster Vergangenheit in die Kritik geraten. Er äußerte erheblichen Nachbesserungsbedarf am derzeitigen Konzept der Neustrukturierung als Bedingung für eine Zustimmung Zwiesels.
Die beiden Experten jedoch, die er selbst am Freitag zu einem Gespräch mit den beteiligten Kommunen geladen hatte, betonten, man könne das Konzept erst perfektionieren, nachdem alle Betreffenden mit an Bord seien. Dies sei häufig auch erst durch Fachleute in Steuer- und Personalrecht zu klären. Das sollte bestenfalls 2014 innerhalb eines Jahres nach dem Start geschehen. Änderungen am Konzept versucht Steininger dennoch in den nächsten drei bis vier Wochen durchzuführen, um so alle Kommunen (auch seine eigene) zu einem Konsens zu bewegen.
„Der Markt gibt Ihnen keine Zeit mehr“
Die geladenen Experten, Thorsten Rudolph, Leiter der Hochschwarzwald Tourismus GmbH, und Georg Overs, Leiter der Ferienregion Tegernseer Tal Tourismus GmbH, erläuterten am Freitagvormittag, wie sie ihre Dachorganisation vor Ort realisieren konnten. Georg Overs gab der Nationalparkregion den Rat: „Es ist wichtig, dass alle mitziehen.
Natürlich sollte man nichts überstürzen. Aber man muss auch ganz klar sagen: Der Markt gibt Ihnen keine Zeit mehr.“ Gleichzeitig betonte er, man sei bereits auf dem Weg, da alle im Grunde die Dachorganisation wollen. Man müsse nur noch die richtige Route finden. Rudolph hob die guten Erfahrungen mit der GmbH hervor: „Unser Personal, das vorher ortsgebunden war, kann sich nun an 15 verschiedenen Orten entwickeln. Alle betrachteten die Änderung als Chance.“ Trotz dieser Erfolgsgeschichten blieb die Skepsis unter den Anwesenden groß.
Nun stellte sich die Frage: Was will Zwiesel? Und was wollen die anderen Städte, die beim derzeitigen Stand eine Zustimmung ausschließen? Steininger betonte mehrmals die Bedenken, dass die Interessen der eigenen Stadt hinter den Interessen der GmbH hintanstehen könnten.
Vor allem bei betriebswirtschaftlichen Fragen bestehe noch keine Einigkeit. Hierbei bezogen sich die Kritiker des Konzepts auf Vertrieb und die Stellung des Personals in den Tourist-Infos vor Ort, das nicht gleichzeitig der ‚eigenen‘ Stadt und der GmbH zu Diensten sein könne. Auch die Rolle des Fachbeirats, der den ansässigen Betrieben ein Mitspracherecht einräumen soll, ist umstritten. Man fürchtet, er könnte die Souveränität des Geschäftsführers zu stark einschränken. Ferner werden vier Manager, die zur Unterstützung des Geschäftsführers eingestellt werden sollen, von einigen als ‚zu viel‘ und ‚zu teuer‘ betrachtet.
„Man kann die eigenen Produkte nur selbst vermarkten“
Aus Grafenau kamen ferner Bedenken dahingehend, dass es noch keine belastbaren Zahlen gebe. Auch die Vermarktungsmöglichkeiten würden eher beschnitten denn gefördert: „Dieses 90-seitige Geheft (damit ist das Konzept der geplanten GmbH, erstellt durch die BTE-Tourismusgesellschaft, gemeint; Anm. der Redaktion) schränkt alles ein, was man braucht, um erfolgreich zu sein.“
Auch der Tourist-Info-Chef aus Rinchnach, Reinhold Ertl, sagte: „Es würden mehr Kosten auf uns zukommen.“ Indirekt äußerten mehrere Vertreter die Angst, die eigene Kommune müsse investieren, würde aber im Verhältnis zu den anderen nicht genügend profitieren: „Man kann die eigenen Produkte nur selbst vermarkten“, so eine Stimme aus Freyung.
Um alle diese Bedenken, die keineswegs nur auf Steininger allein zurückzuführen sind, aus dem Weg zu räumen, kündigte Zwiesels Bürgermeister eine Vollversammlung mit allen 16 Kommunen in drei bis vier Wochen an. Vorher versuche die Projektsteuerungsgruppe, eine „konsensfähige Lösung“ zu erarbeiten. Danach müssten alle betreffenden Kommunen entscheiden, ob sie der Nationalpark-GmbH beitreten.
Derzeit zeichnet sich allerdings ab, dass einige Gemeinden nicht mitziehen werden. Vielleicht gerade weil sich die planende BTE-Tourismusgesellschaft die „Entkommunialisierung“ und „Entpolitisierung“ des Tourismus zum Ziel gesetzt hat. Für die Veränderung benutzt sie bewusst die Wortwahl, alte Strukturen „aufzubrechen“. Natürlich geht dies im Zuge des Zusammenschlusses mit einem Verlust des Einflusses einher. Und natürlich ist das mit Kosten verbunden. Wenn man sich dem entzieht, bedeutet das aber im Umkehrschluss nicht mehr Einfluss. Im Gegenteil.
Martina Zukowski/woidpresse
Die betreffenden Kommunen:
Bayerisch Eisenstein, Frauenau, Freyung, Grafenau, Hohenau, Kirchdorf im Wald, Langdorf, Lindberg, Mauth-Finsterau, Neuschönau, Rinchnach, Schönberg, Spiegelau, St. Oswald-Riedlhütte, Waldkirchen, Zwiesel.