Traunstein/Kaua’i. „Und i fliag auf und davo – wei mi goa nix hoidn ko“, hatte die bayerische Liedermacherin Claudia Koreck auf ihrem Durchbruch-Album „Fliang“ noch gesungen. Fünf Jahre später ist die immerzu strahlende Blondine aus dem Chiemgau „davongeflogen“ – ins hawaiianische Paradies, um ihre neue Platte „Honu Lani“ dort aufzunehmen. Im Hog’n-Interview erzählt die sympathische Musikerin von der Entstehung des Albums, vom Unterschied zwischen Bayern und Hawaiianern, darüber, was sie zurzeit besonders aufregt – und mit wem sie noch einmal auf der Bühne stehen möchte. Und ob’s tatsächlich kein Bier auf Hawaii gibt, wie ein alter Schlager zu behaupten weiß, verrät uns die 26-Jährige am Ende auch noch …
Claudia: Honu Lani ist Dein viertes Album in sechs Jahren. Seit 2011 bist Du nahezu ununterbrochen auf Tour. Das klingt nach wenig Freizeit und viel Arbeit. Verrat uns bitte: Wie meisterst Du das alles? Noch dazu, da Du ja seit September 2010 Mami bist …
„Sie machen immer gemeinsam die Gegend unsicher“
Ehrlich gesagt, empfinde ich das Musik machen gar nicht als Arbeit. Klar: Man hat sehr viel zu tun. Es ist aber eine unheimlich schöne Arbeit. Ich hab‘ immer schon Musik gemacht – und wenn ich das als meinen Beruf bezeichnen darf, bin ich ein glücklicher Mensch. Das mit unserem Sohn Timmi haben wir sehr gut organisiert: Meine Eltern passen häufig auf den Kleinen auf. Mein Vater ist in Rente, somit hat er auch viel Zeit (schmunzelt) – und außerdem ist er sowieso der beste Spielkamerad von Timmi. Die beiden machen dann immer die Gegend rund um Hufschlag (dort ist Claudia aufgewachsen – Anm. d. Red.) unsicher. A bisserl schwierig ist das Wegbleiben für die Mutterseele schon – aber umso schöner ist es dann, wenn wir uns wiedersehen.
„Honu Lani“: Wie kam es zu diesem Titel? Für uns Bayern ist das ja nicht gleich zu verstehen …
Der Titel stammt aus Hawaii – doch keine Angst: Ich singe jetzt nicht hawaiianisch oder so (lacht) … Wir haben zwei Monate in einem wunderschönen Haus auf Kaua’i gewohnt, das ist die älteste der hawaiiansichen Hauptinseln. Alles sehr naturbelassen und mit viel Grün. Wir hatten dort ein kleines Haus mitten im Urwald, wo ich alle Lieder des neuen Ablums geschrieben habe. Und dieses Haus hat eben Honu Lani geheißen. Dort habe ich die Ruhe gefunden, meine Ideen umzusetzen.
Claudia Koreck über die Entstehung des neuen Albums:
Und: Kann man Honu Lani auch übersetzen?
Honu ist hawaiiansich für Schildkröte. Lani heißt Himmel. Schildkröten-Himmel. Das waren schon immer meine Lieblingstiere, weil sie so lange leben. Ich würde auch gerne so lange leben (lacht). Sie haben immer ihr Haus mit dabei und können sich, wenn sie möchten, darin zurückziehen. Außerdem haben Schildkröten ganz tolle Augen, mit denen sie ganz bunt sehen können. Das find‘ ich irgendwie cool.
Keine ‚Heid-Geht’s-Ab-Platte‘
Das Album habt Ihr ja mehr oder weniger „im Rohzustand“ aufgenommen. Hattet Ihr denn all Eure Instrumente auf Kaua’i mit dabei?
Nein, hatten wir nicht. Wir sind sozusagen aus der Not heraus kreativ geworden – und haben Instrumente gefunden, wo man keine vermutet hätte. Wir haben zum Beispiel auf den Teppichboden gestampft und ihn dann als Base-Drum verwendet. Als Perkussion-Instrumente haben uns Statuen und Holzfiguren gedient. Alles, von dem wir glaubten, dass es einen guten Sound abgeben könnte, haben wir für unsere Zwecke eingesetzt. Sogar mit Lippen und Mund haben wir beim Song ‚Tanzen‘ ein Schlagzeug imitiert – und das klingt echt gut.
Purer, reduzierter Sound. Beim erstmaligen Hören hinterlässt Honu Lani einen eher ruhigen, nachdenklichen Eindruck. Ist das beabsichtigt?
Es sind auf jeden Fall viele nachdenkliche Stücke mit dabei. Wir hätten die Lieder bewusst noch a bisserl ‚aufblasen‘ können – aber das wollten wir nicht. Wir wollten das Album in dem ursprünglichen Singer-Songwriter-Stil belassen – und es mit weniger, dafür aber umso außergewöhnlicheren Instrumenten zum Klingen bringen. Deshalb ist’s auch weniger die ‚Heid-Geht’s-Ab-Platte‘ geworden, sondern man muss sich schon a bisserl Zeit nehmen dafür …
„In unserer Zeit gibt es keine richtigen Helden mehr“
Bist Du selber auch nachdenklicher geworden?
Nachdenklich bin ich beim Lieder schreiben immer schon gewesen. Wobei das Nachdenkliche bei mir auch aus dem Unterbewusstsein kommt, aus dem Bauch heraus. Ich mach mir natürlich Gedanken übers Leben. Manche Dinge regen mich auf – und dann schreib ich ein Lied darüber.
Welche Sachen regen Dich zurzeit denn besonders auf?
Mich regt zum Beispiel auf, dass es in unserer Zeit keine richtigen Helden mehr gibt. Und wenn es einen gibt, dann wird sofort nach seinen Schwäche gesucht – und gleich wieder auf ihn draufgehauen. Man hat keinen mehr, zu dem man aufschauen kann. Irgendwie wachsen die Kinder heute ohne Vorbilder auf. Das ist schade.
Wer war denn der Held Deiner Kindheit – sofern es da jemanden gab?
Ich hatte eben auch keinen. Viele Leute haben mich oft danach gefragt, wer mein Vorbild ist – aber es war unheimlich schwierig da jemanden zu nennen – außer eben Leute, die sonst keiner kennt. Helden aus dem Alltag.
Aber musikalische Vorbilder hast Du, oder?
Das ist auch schwierig zu sagen. Es gibt viele Menschen, die ich für das bewundere, was sie tun – oder deren Lebensweg mich beeindruckt. Dazu zählt sicherlich auch Hubert von Goisern, mit dem ich auch schon auf der Bühne gestanden bin. Er ist jetzt 60 Jahre alt geworden und sucht immer noch nach neuen Wegen. Er gibt nie auf etwas Neues zu suchen – und so etwas gefällt mir.
„Der Haiwaiianer ist, genauso wie der Bayer“
Lass uns nochmal auf die Zeit in Hawaii blicken: Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten gibt es zu Bayern? Außer, dass es dort angeblich kein Bier geben soll …
(lacht) Doch, doch: Es gibt schon Bier auf Hawaii – und das schmeckt nicht einmal schlecht. Es gibt sogar eine eigene Brauerei, die Bier mit verschiedenen Flavors herstellt. Geschmacklich sehr gut.
Und was die Lebensart betrifft?
Es gibt tatsächlich so einige Gemeinsamkeiten: Der Hawaiianer an sich ist, genauso wie der Bayer, ein sehr gemütlicher Typ. Was die beiden unterscheidet? Vielleicht, dass der Hawaiianer noch a bisserl gemütlicher ist (lacht). Die sind schon alle sehr entspannt – und langsam. Also wenn Du mit einem Hawaiianer eine Verabredung hast, dann schaut er meist erst einen Tag später vorbei. Alles ganz entspannt – das ist gut zum Runterkommen.
Dein Sohn Timmi spielt bei „Kloaner Mo“ auf der Mundharmonika schon recht fleißig mit. Ist er denn auch so musikbegeistert wie seine Eltern?
Am Anfang hab‘ ich gedacht: Dem Timmi gefällt das überhaupt nicht und er findet’s total doof was wir machen. Weil immer, wenn ich meine Gitarre in die Hand genommen habe, hat er zu weinen begonnen und geschrien: ‚Nein! Aufhören!‘ Aber jetzt, wo er schon etwas älter ist, hat er die Blues-Harp für sich entdeckt, die bei uns rumliegt – und mit der spielt er die ganze Zeit und hat richtig viel Freude damit. Genau das haben wir für das Lied ‚Kloaner Mo‘ aufgenommen.
„Wenn U2 anrufen würde, könnt’s schon sein…“
Wie klappt denn die Zusammenarbeit mit Produzent und Musiker Gunnar Graewert, der ja auch gleichzeitig Dein Ehemann ist? Seid Ihr immer auf einer Wellenlänge?
Das wär jetzt freilich gelogen, wenn ich sagen würde: Bei uns ist immer alles super! Beim Produzieren diskutieren wir schon des Öfteren – und da hat jeder seine klare Meinung. Aber wir sind definitiv ein eingespieltes Team. Das findet man kein zweites Mal, dass man so auf einer Wellenlänge ist und so aufeinander eingeht. Es ist toll mit ihm zusammenzuarbeiten.
Ein Highlight Deiner Karriere war Deine Support-Tour mit den Eagles im vergangen Jahr. Erzähl bitte mal kurz wie’s war.
Die Anfrage kam ganz überraschend. Unsere erste Reaktion ist etwa so ausgefallen: ‚Ähm … Ja! Klar!‘ (lacht). Nur drei Wochen später waren wir mit ihnen auf Tour und haben deutschlandweit fünf Termine gespielt. Das war eine saukrasse Erfahrung! Und wir sind voll gut aufgenommen worden vom Publikum.
Und was steht heuer auf dem Live-Programm? Support von U2?
(lacht) Nein, bis jetzt ist noch nichts Größeres geplant. Wir machen erst einmal unsere eigene Tour, die sehr ausgiebig sein wird. Und wenn irgendwas Spontanes dazukommt, überlegen wir uns das natürlich. Wenn U2 anrufen würde, dann könnt’s schon sein, dass wir zusagen (lacht) …
Abschließende Frage: Gibt es einen besonderen Musiker, mit dem Du gerne nochmal auf Tour gehen möchtest?
John Mayer mag ich total – den würd‘ ich gern mal live auf der Bühen sehen. Mit ihm auf Tour zu gehen wär‘ natürlich toll – aber das ist auch utopisch. Aber a bisserl träumen darf man ja …
Dem können wir nur zustimmen. Claudia, vielen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast.
Interview: Jason Ditshej, Stephan Hörhammer
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„Honu Lani“ – Reduzierter Sound, reduzierte Vielfalt
Der Sound reduziert aufs Wesentliche. Pur, natürlich, unverändert. Leider ist auch die Stimmung der Scheibe wie auch die Vielfalt der Songs etwas reduziert. Nach einem ausgefülltem Tour-Jahr war es für die Singer-Songwriterin offenbar nicht mehr ohne Weiteres möglich, neue musikalische Ideen zu kreieren. Da ist nun Timmi, ihr Sohn, der im Mittelpunkt steht. Verständlich, dass sich die junge Mutter auch ein bisschen nach Ruhe und Inspiration gesehnt hat. Auf Hawaii entstanden so zwischen Januar und März 2012 im Ferienhaus „Honu Lani“ vorwiegend melancholische und emotionale Lieder. Begleitet wurde sie dabei von ihrem Ehemann und Produzenten Gunnar Graewert. Sogar der zweijährige Timmi durfte sein Mundharmonika-Debut beisteuern.
Verführerisch und spannungsgeladen wie ein Flamenco
Der Opener „Unter Meiner Deckn“ beginnt recht vielversprechend. Bei dem fröhlichen, Country-beeinflussten Gute-Laune-Song lässt es sich bestens vorstellen, dass das Arrangement auf einer kleinen Insel seinen Ursprung nahm. Beim darauffolgenden „Sommerdog“ kann der aufmerksame Hörer sogar Anleihen von Sheryl Crow erkennen. Die aktuelle Single „Danzn“ galoppiert verführerisch und spannungsgeladen wie ein Flamenco daher. Sämtliche Gegenstände, die die beiden Musiker in „Honu Lani“ finden konnten, kamen auf der Platte zum Einsatz: etwa eine Holzfigur oder eine Kokusnuss. Ein dumpfes Pochen auf dem Boden des Schlafzimmers gibt mehreren Stücken ein charakteristisches Fundament. Auf den erdigen 60er- bzw. 70er-Sound des Albums ist Produzent Graewert besonders stolz. Hervorzuheben ist dabei das gedämpfte und zurückhaltende (manchmal ‚mundproduzierte‘) Schlagzeug.
Irgendwie vermisst man Rock’n’Roll- und Südsee-Feeling
Claudia Koreck singt wie sie es immer getan hat: einfühlsam und doch kraftvoll in ihrem geliebten bairischen Dialekt. Eine Stimme, die einen sofort in ihren Bann zieht. Doch beim weiteren Hören der Platte tingelt man dann irgendwann nur noch zwischen ruhigen, gefühlvollen Balladen und langsamen, von Folk und Blues angehauchten Songs umher. „Wenn I Moi Oid Bin“, „Schweigen“ und „Oktober“ bringen die Grundstimmung des Albums gut zum Ausdruck. Eigentlich unverständlich. Denn auf „Honu Lani“ hat Claudia „die Urgewalt dieses Ortes gespürt“: Schon früh am Morgen stand sie auf dem Balkon mit der Akustikgitarre, bei der die Songideen einfach so heraussprudelten. Schade eigentlich. Irgendwie vermisst man dabei Rock ’n‘ Roll und Südsee-Feeling.
Jason Ditshej