Ammersee. Die niederbayerische Musikerin Monika Drasch wuchs im Weiler Hub bei Hengersberg auf – und wurde als Sängerin und „Grüne Geige“ beim „Bairisch Diatonischen Jodel-Wahnsinn“ bekannt. Bis 2002 war die 47-Jährige mehr als zehn Jahre lang mit der Formation unterwegs – unter anderem spielte sie mit Hubert von Goisern auf dessen Trad II-Tournee (2004) vor rund 150.ooo Zuhörern. Nun lebt die Mutter von zwei kleinen Kindern am Ammersee – und geht neue Wege. Welche musikalischen Projekte Monika Drasch gerade umsetzt, was der Ex-Biermösl-Blosn Hans Well damit zu tun hat und welche Rolle die Dichterin Emerenz Meier dabei spielt, darüber spricht sie im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“.
„Man meinte noch, Volksmusik muss wie vor 100 Jahren klingen“
Monika, es ist heutzutage eher ungewöhnlich, dass sich Jugendliche für Volksmusik interessieren. Woher kam das bei Dir? Hat Dich der Besuch des musischen Gymnasiums Niederalteich beeinflusst?
Ja. Mein Musiklehrer Konrad Ruhland war enorm wichtig für mich, weil er mich für die Volksmusik begeistert hat. Es ging nicht nur ums Singen, sondern auch darum, dass man sich inhaltlich mit den Liedern beschäftigte – seine Kombination aus alter Musik und Volksmusik hat mich geprägt.
Es war aber auch ein Befreiungsschlag, als ich mit etwa 14 Jahren auf die ersten Volksmusikseminare gegangen bin. Dadurch bin ich ein bisschen rausgekommen aus der bäuerlichen Umgebung und aus der klösterlich strengen schulischen Erziehung. Man war einfach mit Leuten zusammen, die leidenschaftlich gerne musiziert haben. Nur: Damals hat man noch gemeint, dass Volksmusik so klingen muss wie angeblich vor 100 Jahren.
Wie ging es dann weiter?
Mit etwa 18 Jahren bin ich dann auf andere Seminare gegangen, wo die Kerle lange Lederhosen angehabt und total schöne Volksmusik gespielt haben. Da wurde die Aufbruchstimmung, die es jetzt seit 30 Jahren gibt, bereits deutlich spürbar. Die Biermösl Blosn feierten ihre ersten Erfolge, weil sie zwar die musikalischen Grundlagen der Volksmusik benutzt, aber diese auch gleichzeitig mit neuen Texten aufgebrochen haben.
„Andreas Gabalier – ich weiß nicht recht, wer das ist“
Dein Anspruch ist, qualitativ hochwertige Volksmusik zu machen und diese weiterzuentwickeln. Kannst Du Dir auch vorstellen, mit Andreas Gabalier aufzutreten?
Jetzt muss ich zugeben, dass ich nicht recht weiß, wer das ist … Ich konzentriere mich gerade sehr auf mein neues eigenes Projekt und bin auch noch bei Hans Wells neuer Formation eingestiegen. Da bleibt für eine „Hausfrau und Mutter“ nicht viel Zeit, um zu schauen, was die Kollegen so machen. Ich schalte den Fernseher also gar nicht ein … ich habe nicht mal einen! (lacht)
Andreas Gabalier ist der Volks-Rock’n’Roller. Er macht rockige Volksmusik in Lederhosen, er kommt vor allem bei jungen Frauen gut an. Er füllt große Hallen und bringt den Musikantenstadl zum Kochen …
Das ist natürlich eine ganz andere Schiene – das ist für mich wirklich ein seltsames Phänomen. Wir haben neulich einen ganz netten und erfolgreichen 25-jährigen jungen Mann kennengelernt, der tatsächlich für diese eine Sängerin schwärmt, die auch im Musikantenstadl sehr erfolgreich ist …
Monika Drasch & Band live auf BR 2 – Nix Is Gwiss
Du meinst Helene Fischer, die Freundin vom Florian Silbereisen?
Ja, genau die. (lacht) Die sogenannte „volkstümliche Musik“ – das war für mich immer eine fremde Welt … dass es wirklich junge Leute gibt, die sich das anhören und begeistert sind! Das kann ich nicht nachvollziehen. Bei der Art von Volksmusik, die ich mache – wie beim Jodelwahnsinn oder bei Hubert von Goisern – da sind die Leute in der Mehrzahl über 40, 60 oder auch 70. Und die 20-Jährigen gehen freiwillig in den Musikantenstadl??? Das kapiere ich nicht …
„Auf der Kabarettbühne darf man frech und auswendig spielen“
Weil Du vorhin gesagt hast, dass Du momentan mit Deinen beiden Kindern recht eingespannt bist: Wie meisterst Du denn den Alltag?
Die Kinder sind jetzt vier und sechs Jahre alt. Die berühmte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist auch für Musikerinnen nicht so einfach. Das geht nur mit Unterstützung und ist ein ziemlicher Organisationsaufwand. Und bei zwei Selbständigen, so wie es bei uns ist, muss man einfach „gscheid higlanga“.
Was macht Dein Mann denn?
Der ist Kulturwissenschaftler und hat mit seiner Agentur auch die neue CD produziert. Wir haben dafür ein eigenes Label gegründet und Vertriebsstrukturen aufgebaut. Die CD ist über den Handel bestellbar, sie wird aber auch – mit oder ohne Autogramm – bei „Bavaria Extra“ direkt verschickt.
Dein Markenzeichen sind die roten Haare und die grüne Geige. Wie kam es dazu?
Die grüne Geige ist im ersten Jahr vom Jodelwahnsinn entstanden. Ich wollte ausbrechen aus der geregelten und einengenden Welt – raus aus dem bäuerlichen und schulischen Umfeld, wo ich brav und fleißig war. Auf der Kabarettbühne darf man frech und auswendig spielen, auch wenn man mal einen „Hund nei haut“. Aus dieser Stimmung heraus habe ich irgendwann mal eine Geige, die ich geschenkt bekommen habe, grün angestrichen – die Kollegen wussten davon nichts. Als wir im Fraunhofer dann einen Auftritt hatten, habe ich drinnen erst den Koffer aufgemacht und darauf gespielt. Und das ist einfach so geblieben. Inzwischen hat das längst keinen Protesteffekt mehr. Die jetzige Geige ist auch nimmer ganz so giftig grün. Und der Kontrast mit den roten Haaren gehört einfach zu mir.
„Es wäre mittlerweile seltsam, auf einer braunen Geige zu spielen“
War mit diesem Rot-Grün auch eine politische Aussage verbunden?
Ja, da hat schon einiges für mich gepasst. Aber inzwischen ist es einfach mein Bühnengewand. Wenn ich meine Haare rot habe, dann kann ich meine Kleider dazu anziehen. Es wäre für mich mittlerweile auch seltsam, wenn ich auf einer braunen Geige spielen würde.
Der Bairisch-Diatonische Jodelwahnsinn war in den 90ern eine neue Form des bayerischen Musikkabaretts. Gibt’s in Zukunft eventuell eine Wiedervereinigung?
Ich glaube nicht, weil jeder von uns mittlerweile seinen eigenen Weg gegangen ist. Ich sage weder „Ja“ noch „Nein“ – sehe aber momentan keinen Sinn darin.
„Wödaschwüln“ live mit dem Bairisch-Diatonischen Jodelwahnsinn aus dem Jahre 1995 –
ein Emerenz-Meier-Text, vertont von Monika Drasch:
Du hast ja schon angesprochen, dass Du aktuell zusammen mit Hans Well ein Projekt machst …
Freilich, weil er nach der Auflösung von Biermösl Blosn sofort weiter machen wollte. Weil wir nicht weit auseinanderwohnen, sind wir uns zufällig mal begegnet. Wir haben damals nur ein bisserl geratscht, aber ein paar Tage später hat er mir auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass ich ihn dringend und sofort zurückrufen solle. Da hab ich mir schon gedacht: Der sucht noch jemanden, der stimmtlich dazu passt. Dann ist’s recht schnell gegangen. Wenn ich ihn unterstützen kann, mach ich das gerne. In seinem Projekt ist er der Ideengeber. Bei meinem eigenen Projekt stehe ich natürlich vorne und muss bzw. darf sagen, was wir spielen und worum es geht.
„Die Tournee mit Goisern war nicht der Höhepunkt meiner Karriere“
Mit Hubert von Goisern warst Du 2004 auf Tour und hast vor tausenden von Leuten gespielt …
Insgesamt werden es so 140.000 bis 150.000 gewesen sein, weil wir ja gut 100 Mal gespielt haben.
Wie ist es denn, wenn man vor so vielen Leuten spielt?
Das kostet schon noch mal mehr Kraft. Mit dem Jodelwahnsinn habe ich zwar einige Male vor etwa 3.000 Leuten im Tollwood-Zelt gespielt – bei einem Zelt spürt man diese große Besucherschar aber nicht so, weil sich das anders verteilt. Beim Hubert waren es aber immer viele Besucher. Beispielsweise die im Gasteig in München oder in der Alten Oper in Frankfurt – die schönsten Häuser in Deutschland. Es herrscht eine größere Anspannung, aber natürlich bekommt man auch mehr zurück. Hubert war da selbstverständlich der absolute Star – und die Leute, die bei ihm mitspielen, sind dann auch „Mitspieler“. Ich habe damals keine so große Verantwortung getragen wie zum Beispiel beim Jodelwahnsinn.
Auf großer Tour mit Hubert von Goisern – Der „Meraner“
War das der Höhepunkt Deiner Karriere?
Nein. Es war natürlich eine wichtige Erfahrung – und es war auch schön, das auszuprobieren. Es ist aber nicht so, dass man damit das Ende des Jodelwahnsinns in Zusammenhang bringen könnte – das sage ich deswegen, weil das in einem Fernsehbeitrag so rüberkommt. Der Jodelwahnsinn hat sich wegen vieler Gründe aufgelöst. Und die Anfrage vom Hubert ist ja erst nach der Auflösung gekommen. Ich habe mich darüber zwar sehr gefreut, es war aber auch klar vereinbart, dass das nur zeitlich begrenzt sein wird – und nach einem Jahr wieder vorbei ist.
„Auf der böhmischen Grenz“ mit der Dichterin Emerenz Meier
Du hast dann 2005 ein Hörbuch über die Schiefweger Dichterin Emerenz Meier veröffentlicht. Welche Verbindung gibt es zwischen Dir und der Emerenz?
Ich habe ihre Bücher schon seit etwa dreißig Jahren daheim. Drei ihrer Gedichte haben wir schon beim Jodelwahnsinn vertont und gesungen. Beim Hörbuch über Emerenz sind einige Gedichte und Lieder dazu gekommen – das hatte ich schon seit Jahren im Kopf. Das war der erste Aufhänger, um etwas eigenes zu machen. Mir gefällt an ihr dieses Kraftvolle und Freche, wie sie die Welt gesehen hat – sie ist eine, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf ihre eigenen Füße gestellt hat. Das war damals ja noch hundertmal schwerer als heute.
Die neue CD heißt „Auf der böhmischen Grenz“. Als Hengersbergerin bist Du ja keine echte Waidlerin, oder?
Überhaupt nicht. Aber meine Mutter ist vom Woid, aus Kaltenbrunn bei Kirchdorf. Ich kann die Thematik gut nachvollziehen: Die Waidler, die anders reden und ärmer sind – andererseits gibt es auf der anderen Seite der Donau genau das Gleiche. Im Vergleich zu den Leuten im Gäuboden sind wir eigentlich auch Waidler – die Grenzen verschieben sich eben. Aber das Thema „Grenze“ ist sehr reizvoll. Ich bin gerne mit meiner Mutter in den Woid hineingefahren. Auch damals bis an die Grenze – mit dem Wissen, dass es dahinter nicht weiterging.
Ich habe auch mitbekommen, dass es Wallfahrten nach Böhmen gibt – das Über-die-Grenze-Gehen ist einfach etwas Faszinierendes. Es ist beeindruckend, diese wahnsinnig schöne Landschaft zu erleben. Eine andere Begebenheit war weit vorm Jodelwahnsinn: Ich war in Strakonice auf einem Dudelsackfestival. Die Musik dort – die Kombination aus Dudelsack, Klarinette und Geige – hat mich total berührt.
Aus irgendeinem Grund ist das Lied „Auf der Böhmischen Grenz“ das erste gewesen, das ich meinem Arrangeur Thomas Schwaiger gebracht habe. Er hat ein wunderschönes Klarinettenvorspiel dazu gemacht, bei dem man stimmungsmäßig sofort in Böhmen ist. Das war die Initialzündung, nach der wir gesagt haben: genau da müssen wir jetzt weitermachen.
Auch musikalisch hat es für mich etwas mit Grenzüberschreitung zu tun – mit den vielen klassischen und jazzigen Elementen. Es geht viel weiter als das, was ich bisher gemacht habe: Wahnsinnig zarte Töne – aber wenn das Schlagzeug dabei ist, wird es, vor allem live, ziemlich laut. Da werden Wirtshaussäle wirklich zu klein, weil das so raumfüllend ist, was wir dann zu siebt auf der Bühne fabrizieren.
„Irgendwann hätte ich gerne ein richtig altes Waidler-Bauernhaus“
Bei Deinem neuen Projekt verschmelzen Volksmusik, Jazz, Chanson und irischer Folk zu einem interessanten Klangbild. Ist der Böhmerwald wirklich so weltoffen?
Das ist eine neue Ebene, an die wir uns da herangetraut haben. Was mich besonders am Grenzthema interessiert hat, war, dass die böhmische Grenze eigentlich immer nach vielen Seiten offen war. Beim Eisernen Vorhang natürlich nicht mehr – aber das war im Ganzen betrachtet eigentlich eine recht kurze Zeit.
„A Richtig Scheena Tag“ live aus dem aktuellen Programm auf Bayern 2
Die Leute sind hin und her gegangen, sind gereist, haben hier- und dorthin geheiratet. Die Musikanten sind viel herumgekommen, die böhmischen Musiker waren gefragt! Sogar der große Mozart wurde von böhmischen Musikanten beeinflusst.
Kannst Du Dir vorstellen, wieder einmal in den Bayerischen Wald zu ziehen und dort zu wohnen?
Eigentlich nicht, weil ich mittlerweile am Ammersee richtig verwurzelt bin. Hier habe ich meine Freundschaften und meine musikalischen Kontakte. Aber wenn meine CD so richtig einschlägt, dann würde ich gerne ein richtig altes Waidler-Bauernhaus herrichten und als Wochenendhäusl ausbauen.
Monika, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Deinen Projekten!
Interview: Dike Attenbrunner und Jason Ditshej