München/Vilshofen. Siebenmaliger Deutscher Meister, mehrmaliger DFB-Pokal-Sieger, Weltmeister 1990 – der gebürtige Vilshofener Klaus Augenthaler gehört zu den erfolgreichsten Fußball-Spielern, die es in Deutschland jemals gegeben hat. Auch als Trainer von Nürnberg, Wolfsburg und Leverkusen machte der 55-Jährige von sich Reden. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht „Auge“ über sein Ende als Trainer, sein legendäres Nickerchen auf der Bayern-Bank, über die Kommerzialisierung des Fußballs – und über seine niederbayerische Heimat.
Herr Augenthaler: Nach Ihrer letzten Trainer-Station bei der SpVgg Unterhaching ist es ruhig um Sie geworden. Warten Sie auf einen neuen Trainer-Job oder genießen Sie einfach die freie Zeit?
Nein, ich warte nicht auf einen neuen Job. Ich habe mit dem Trainerberuf abgeschlossen – ich war ja jahrelang in der Mühle drin, jetzt bin ich nicht mehr in Wartestellung. Der Fußball lässt mich aber dennoch nicht los.
Inwiefern?
Ich schaue mir viele Begegnungen in den Stadien an. Ich arbeite derzeit für eine Firma, die den Spielern und Vereinen bei Transfers hilft.
Aber in Regensburg wäre doch ein Trainerstuhl frei …
Ich hatte Kontakt mit Franz Gerber am Anfang der Saison, ja – aber wegen einem seiner Spieler. Ich habe mir auch Regensburg schon angeschaut, aber nicht, weil ich da Trainer werden will.
…und Augsburg?
Eigentlich wie bei Regensburg. Ich schaue sie mir ab und zu im Fernsehen an, mehr nicht.
Lob für die ehemaligen Kollegen: „Bayern ist eine Klasse für sich“
Augsburg ist Teil der bayerischsten Bundesliga-Saison aller Zeiten: Wie schätzen Sie die Schwaben, Nürnberger, Bayern und Fürther ein?
Bayern ist eine Klasse für sich. Es gibt ja mittlerweile eine Drei-Klassen-Gesellschaft in der Bundesliga. Da ist Bayern in vorderster Front, die sich absetzen von Schalke, Dortmund und Leverkusen – und dann der Rest. Nürnberg ist eine Mannschaft, die jedes Jahr ums Überleben kämpft – sie haben sich mittlerweile aber doch etabliert, weil sie im Laufe der Jahre den Kader gut verstärken konnten. Augsburg hat letztes Jahr mit dem Klassenerhalt ein kleines Wunder geschafft. Genauso wie Fürth finde ich bei den Augsburgern gut, dass vernünftig gearbeitet wird. Da werden keine Schulden gemacht, um mit aller Macht den Klassenerhalt zu schaffen. Sie genießen die Bundesliga und versuchen mit ihrem Kader und ihren finanziellen Mitteln drinzubleiben – ob es reicht, wird man sehen.
Klaus Augenthalers legendäre 42-Sekunden-Pressekonferenz als Trainer beim VfL Wolfsburg
Verfolgen Sie als Niederbayer eigentlich besonders die Waidler Stephan Hain und Robert Zillner?
Robert Zillner speziell – auch weil ich ihn in Haching als Spieler hatte. Ein toller Fußballer, ein sauberer Kerl mit einem guten Charakter. Wir haben immer noch Kontakt. Mir hat es unendlich Leid getan, als er sich vor einem guten halben Jahr das Kreuzband gerissen hatte. Aber er ist ein Stehaufmännchen, er ist ein Niederbayer. Als er zuletzt für die Fürther in Dortmund aufgelaufen ist, war er nicht schlecht – er wird sicher seinen Weg machen.
Thomas Tuchel, Jürgen Klopp, Markus Weinzierl – warum werden die Bundesliga-Trainer immer jünger?
Das ist einfach ein Trend. Es gab auch mal eine Phase, da hat man es mit holländischen Trainern versucht. Aber ich kann dagegenhalten: Die derzeit erfolgreichste Mannschaft hat den ältesten Trainer … (Anmerk. d. Red: Jupp Heynckes beim FC Bayern München)
„Ich war nicht das größte Talent, aber mein Wille war enorm“
Trotz der beachtlichen Erfolge als Trainer von Nürnberg, Wolfsburg und Leverkusen verbinden viele mit Ihren Namen die legendäre 42-Sekunden-Pressekonferenz und das Nickerchen auf der Bayern-Bank. Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Ja, gut: Das Nickerchen auf der Bayern-Bank war ja nur durch die Zeitlupe erkennbar. Da bin ich nicht eingenickt. Doch das war natürlich schön und nett, den Augenthaler ein bisschen vorzuführen (schmunzelt). Und zwei Wochen später war es dann die Frau Beckenbauer, die ein bisschen länger auf die Uhr geschaut hat – ihr wurde dann auch ein Nickerchen unterstellt.
Die Pressekonferenz in Wolfsburg habe ich nur aus einem Grund gemacht: Wir standen hinten drin und hatten nur noch zwei Spiele. Die sportliche Situation war nicht rosig, es wurde spekuliert, ob ein neuer Trainer kommt – und, und, und … Ich wollte da einfach nur zeigen, dass ich mich auf diese Diskussionen nicht einlasse, sondern nur die Mannschaft unterstütze.
„Das Nickerchen war nur durch die Zeitlupe erkennbar“, sagt Klaus Augenthaler heute
Vor Ihrer Zeit als Trainer waren Sie einer der erfolgreichsten Bayern-Spieler aller Zeiten – und wurden auch Weltmeister. Wie schätzen Sie Ihre Karriere selbst ein? Hat irgendwas gefehlt?
Der Europapokal (lacht). Ich hatte den Traum, Profifußballer zu werden – und das habe ich mir verwirklicht. Dass es dann so eine erfolgreiche Karriere werden sollte, kann man im Vorhinein nie wissen. Man muss aber auch sagen, dass ich mir das erarbeitet habe. Ich war nicht das größte Talent, aber durch meinen enormen Willen habe ich es geschafft. Was fehlt, ist wie gesagt, der Gewinn des Europapokals. Aber ich war zweimal im Finale und wir waren ähnlich wie beim Champions-League-Finale Bayern gegen Chelsea jeweils die bessere Mannschaft. Ein Jahr lang ist eine solche Niederlage bitter, dann überwiegen doch die positiven Erinnerungen. Ich musste ja nach dem Finale in Rotterdam zur Dopingkontrolle, das dauerte vier Stunden – das bleibt einem im Gedächtnis (lacht).
Über den WM-Titel ’90: „Das sind Dinge, die dir keiner nehmen kann“
Sie wachen also nicht in der Nacht schweißgebadet auf und denken: „Zefix, der Europapokal fehlt“?
(lacht) Nein, überhaupt nicht. Es hätte ja niemand erahnen können, dass ich sieben Mal Deutscher Meister werde. Ich war zudem noch an zwei Meisterschaften als Co-Trainer beteiligt, war Vize-Weltmeister in Mexiko, was eigentlich viele nicht mehr wissen, weil man nur den WM-Titel 1990 im Gedächtnis hat. Das sind Dinge, die einem keiner nehmen kann. Das sind meine Erinnerungen an meine Karriere. Ich habe mir ja auch viele Bilder bewahrt – und auch ein Stückchen vom Rasen in Rom (Anmerk. d. Red.: Dort fand das WM-Finale 1990 statt).
Ein Stück Bundesliga-Geschichte: Klaus Augenthalers „Tor des Jahres 1989“ gegen Frankfurt
Welchen Stellenwert hat für Sie Ihr Tor des Jahres 1989?
Auch keinen großen mehr. Das ist schon so lange her. Aber irgendwie rückt es immer wieder in den Vordergrund. Es ist ein Tor, das vielen Bayern-Fans in Erinnerung bleibt. Das schöne ist: Wenn ich im Stadion bin, kennen mich auch kleine Kinder und wollen ein Autogramm von mir – obwohl sie mich nicht mehr Fußballspielen gesehen haben. Das ist für mich eine Bestätigung, dass ich gute Leistungen abgeliefert habe.
Was dachten Sie damals eigentlich kurz vor dem Schuss?
Wir haben schon vor dem Spiel darüber gesprochen, dass Frankfurt ein modernes System spielt – mit Torwart als Libero. Wir wussten, dass Uli Stein immer so 16, 18 Meter vorm Tor steht. Ich hatte da immer einen Blick darauf – und dann habe ich geschossen …
„Ich bin heute keinem neidisch, wenn er Millionen verdient“
Angesichts der vollen Stadien und der Millionengehälter: Waren Sie zur falschen Zeit in der Bundesliga aktiv?
Wenn man es so sieht, dann ja. Aber ich lebe nicht so. Ich war in einer Zeit aktiv, in der ich voll im Saft war – ich könnte ja heute gar nicht mehr spielen (lacht). Von daher bin ich auch nicht neidisch. Klar diskutiert man mal über die Gehälter. Heute unterschreiben die Fußballer mit 18 einen Vertrag und haben dann praktisch ausgesorgt. Aber auch mir ist es immer gut gegangen, deshalb bin ich keinen neidisch, wenn er Millionen verdient.
Anders gefragt: Was hatten Sie in Ihrer Karriere, was den heutigen Spielern fehlt?
Das kann ich nicht beantworten. Ich hatte nur einen Verein, das war der FC Bayern. 17 Jahre als Spieler, 5 Jahre als Co-Trainer. Und ich hab‘ rot-weiß gedacht. Was mich manchmal stört – und das kam nach dem Bosman-Urteil – ist, dass es so viele Vereinswechsel gibt. Wir hatten damals keinen Berater, der gleich beauftragt wird, einen besseren Verein zu suchen, wenn man dreimal hintereinander in der Startelf gestanden ist … Was mich auch stört, ist, dass ein Spieler, wenn er sechs Monate für einen Verein spielt und dann ein Tor schießt gleich das Vereinswapperl küsst. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Sowas habe ich nicht gemacht, obwohl ich rot-weiß gedacht habe.
„Man will keine Starken mehr, keine Revoluzzer wie Paul Breitner“
Sie wechselten erst mit 18 Jahren zu den Bayern, durchliefen kein Nachwuchsleistungszentrum, wie es heute üblich ist. Aus Ihrer eigenen Sicht: Ist das ein Vor- oder Nachteil?
Ich hatte sicherlich nicht diese Ausbildung wie die jungen Fußballer heute. Heute brauchen Jungs, die aus der A-Jugend rauskommen, nicht mehr so lange, um sich zurechtzufinden, wie in meiner Zeit. Der Sprung vom Junioren- in den Seniorenbereich war damals sehr groß.
Viele verbinden genau mit dieser gleichströmigen Ausbildung die fehlenden Führungsspieler in den deutschen Mannschaften. Was halten Sie von dieser Diskussion?
Für jedes Argument gibt es immer ein Gegenargument, das ist klar. Das kam in den letzten Jahren eben auf, dass alle stromlinienförmig erzogen werden. Man will keine Starken mehr, keine Revoluzzer wie Paul Breitner einer war, oder Typen wie mich, Effenberg oder Kahn.
Gibt es heutzutage wirklich keine Charakterköpfe mehr?
Doch, die gibt es noch. Wenn man beispielsweise bei Dortmund schaut, bei denen gibt es junge Spieler, die Charakterköpfe sind. Oder bei den Bayern zum Beispiel der Schweinsteiger. Es muss auch nicht unbedingt ein Deutscher sein, auch ausländische Spieler können diese Rolle übernehmen.
Ebenfalls heiß diskutiert werden die kürzlich verabschiedeten Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien. Was halten Sie von den neuen Vorschriften?
Das Ganze hat sich mehr und mehr hochgeschaukelt. Die meisten Fans sind ja friedlich und gehen wegen des Fußballs ins Stadion. Aber es gibt immer mehr organisierte unter den sogenannten Fans. Und da muss man dann entsprechende Maßnahmen ergreifen. (Mit Nachdruck) Gewalt und Leute, die nicht wegen dem Fußball ins Stadion gehen, gehören da nicht hin!
„Die Fußball-Romantik ist ein bisschen verloren gegangen“
Ist durch die Kommerzialisierung des Fußballs die Romantik früherer Tage etwas verloren gegangen?
Ich bin ja viel in den Stadien unterwegs. Wenn ich dann sehe, wie sich die Haupttribüne vorm Spiel und in der Halbzeit leert, weil sie alle in die VIP-Lounge gehen – ich bleibe immer draußen -, dann ist das schon traurig. Diese Leute gehen zum Fußball, um gesehen zu werden und weil sie gutes Essen bekommen. Die Fans, die in der Kurve stehen, haben diese Möglichkeit nicht – die holen sich vielleicht mal eine Bratwurst. In der Hinsicht ist die Romantik ein bisschen verloren gegangen, definitiv.
Nochmals zurück zu den vier bayerischen Bundesliga-Mannschaften: Welche ist Ihrer Meinung nach die bayerischste?
In meiner Zeit hat der Bayern-Fan noch Unterschiede gemacht: Ist der Spieler Deutscher oder ist er Ausländer? Oder ist er ein „echter“ Bayer? Am liebsten ist es den Fans, wenn man mit elf „echten“ Bayern spielt. Aber das war damals schon utopisch. Der Fan ist zufrieden, wenn der Erfolg da ist. Wenn man einen Titel holt, ist es egal, wer da im Team steht. Das wird immer mehr verwischt. Es geht nur noch einzig und allein ums Ergebnis.
„Vielleicht ist Martinez ein Vorbote von Pep Guardiola“
Ist dann Thomas Müller der typische Bayern-Spieler?
Ich denke schon, dass er in diese Kategorie passt – und auch ein Charakterkopf ist. Er wurde bei Bayern ausgebildet, kam über die zweite sofort in die erste Mannschaft. Ich glaube, dass sich die Fans mit Thomas Müller daher mehr identifizieren wie mit einem, der für viel Geld aus dem Ausland gekommen ist und die Leistung nicht bringt. Aber wenn die Leistung stimmt, gibt es fast keinen Unterschied.
Apropos viel Geld: Was halten Sie von Javier Martinez?
Da kann man verschiedener Meinung sein. Man diskutiert immer, wenn man einen Spieler für 40 Millionen holt, der noch dazu kein Stürmer oder Offensivspieler ist, sondern ein defensiver Mittelfeldmann. Auf der Position hat man ja sowieso zwei, drei gute Spieler. Was dahinter steckt, weiß man nicht. Vielleicht ist Martinez ein Vorbote von Pep Guardiola, dessen Lieblingsspieler er ist …
Wie eng ist Ihr Kontakt zum FC Bayern München eigentlich noch?
Zu Jupp Heynckes habe ich Kontakt, auch privat. Genauso zu einigen ehemaligen Mannschaftskameraden. Vor zwei Jahren habe ich auch noch für das Bayern-All-Star-Team in Madrid gespielt – seitdem aber leider nicht mehr, weil ich Probleme mit der Hüfte habe.
Von Ihrer neuen Heimat zur alten Liebe: Verfolgen Sie noch den regionalen Fußball in Niederbayern?
Ich bin ja noch regelmäßig in meiner Heimat. Und dann ist das erste, was ich meine Mutter frage: Was macht der FC Vilshofen? Die Zeit dort werde ich nie vergessen, weil sie sehr schön war. Ich vergessen nie, wie wir Bayerischer Vize-Meister geworden sind. Das Endspiel gegen Nürnberg, bei dem wir beschissen worden sind, die Spiele zu Hause gegen Sechzig oder gegen Bayern, die Spiele im Olympiastadion gegen Bayern, auch wenn es nur der Nebenplatz war – das bleibt.
Thema Dialekt: „Ich wollte einfach, dass man mich versteht“
Welche Charaktereigenschaften eines Vilstalers haben Sie sich bewahrt?
Ich muss mir immer wieder vorwerfen lassen, dass ich stur bin (lacht). Das ist aber nicht so negativ.
Dialekt sprechen sie aber nicht mehr. Wann ging der verloren?
Das ging eigentlich recht schnell. Ich wurde immer wieder angemotzt, von Spielern, die nicht aus Bayern kommen – wie zum Beispiel Jupp Kapellmann. Sie sagten, dass sie mich nicht verstehen. Und ich wollte aber, dass man mich versteht.
Ist der Dialekt praktisch ein Nachteil?
Nein, das nicht. Aber man gewöhnt sich an das Hochdeutsche. Ich verstehe aber nach wie vor Niederbayerisch, auch Waidlerisch (lacht).
Würden Sie sich selbst als „Vilshofener“ bezeichnen?
Ich weiß, wo ich herkomme. Das ist meine Heimat und wird immer meine Heimat bleiben. Auch, wenn ich schon mit 17 Jahren weggezogen bin.
Interview: Helmut Weigerstorfer
AUGE du warst der Beste! Vorbild auch heute noch bei allen die nicht zu ihrem Verein stehen! Du warst immer ein BAYER!
servus auge du warst immer mein vorbild
vieleicht sehn wir dich mal wieder als trainer
super super auge
Super Auge einer der Welt besten seiner Zeit solche Typen vermisse ich heute !!!!!!!!!!!!!!!
[…] glücklich. Nach knapp 1,5 Jahren bei der SpVgg Unterhaching (09-10) erklärte er 2013 in einem interessanten Interview seine Trainerkarriere für beendet. Als Spieler war ihm mehr gelungen – und gerade wir, als […]
Hallo Auge
Für mich warst un bleibst Du der bairischste und hagebüchigste aller FC Bayern Spieler ever und mein größter Lieblingsspieler für immer.
AUGE ist der wahre Mr. FC Bayern!
Ich bin aus der ehemaligen DDR und habe jeden Samstag die Übertragung im Radio gehört. Zu jedem Satz hatte ich ein Bild vor den Augen. Später in der Sportschau, wo nur ein kurzer Bericht kam, lag ich gar nicht so falsch. Auge, du warst und bist für mich einer der besten Spieler der Welt. Ich trank nach der Übertragung Thüringer Helles und du dein Weißbier. Heute trink ich auch Weißbier, nur leider spielst du nicht mehr.
Adios Auge und alles Gute. Ich hätte dich gerne einmal in echt kennengelernt.