münchen/passau. es ist also freitagabend und ich schaue fussball, nicht weil mich fussball interessiert, sondern weil ich mit nem kumpel in münchen bei ner freundin bin und wir uns bald ausziehen werden. „ausziehen für die kunst“, an anderen tagen nur ein billiger anmachspruch, heute völliger ernst. was wir geplant haben, ist weder ein dreier, noch ein saunagang oder ein tantrakurs. nein, wir haben vor, vor der deutschen oper nackt herumzulaufen, uns im kreis zu drehen und vielleicht auch ein wenig zusammenzulegen.

Vergangenen Samstag am Münchner Opernplatz bei der Foto-Aktion von Künstler Spencer Tunick: Dodi und sein „güldener Knackpo“ sowie seine goldenen „anonymen Freunde“: Foto: spiegel.de/Fotomontage: „Da Hog’n“
natürlich kann ich mit dieser einleitung niemanden in die irre führen, denn durch bayerns zeitung ging schon lange die info: „spencer tunick sorgt für nackte tatsachen am opernplatz… bla bla bla!“ – wie „blablabla“? nun ja, nacktheit ist ein alter hut. zum einen so alt wie die menschheit, da wir ja nackt geboren werden. zum anderen so alt wie die zivilisation, in der nacktheit immer wieder empörung hervorgerufen hat … wohl weil keiner gern sieht, was er nicht begehren darf oder so. könnte einem ja gefallen – und dann?!
kleider machen leute … was macht dann nacktheit? tiere? ach … lassen wir das philosophische gebrabbel. warum bin ich nun bereit, mich um zwei uhr morgens auf den weg zu machen um mich um drei uhr mit 1699 anderen zu treffen und mich „nackich zu machen“?
es treiben mich die gleichen gründe, wie die meisten anderen, denke ich wohl:
1. die kunst … irgendwie sind die bilder schon cool. irgendwie sind sie auch doof. überall auf der welt sind menschen nackt, also was soll der schmarrn?
2. die „wo-ist-das-problem-frage“. ich meine, wir fragen uns doch alle, wo das problem sein soll, mit nacktheit, mit kunst, mit nackten massen. warum sollte auf nem stadtplatz nicht gehen, was an einem strand geht. noch dazu alles abgesperrt – und man ist eh unter sich … ausser der presse, schaulustigen, leuten in ihren wohnungen, zur-arbeit-gehern, organisatoren … hm … „unter uns“ hatte ich anders in erinnerung.
egal: wenn der körper frei ist, sollten es auch die gedanken sein
bevor wir uns ein 3. ausdenken, nochmal zurück zur sache: es ist 3 uhr, wir sind unter den ersten:
„hier, ihr tiegel gold, gehen sie nach rechts!“ aha, wir 3 sind also golden. die anderen rot, haben wir gehört. etwas komisches beginnt. alle leute sind noch angezogen und man fühlt sich schon als „die goldenen“, und „die roten“ sind schon die anderen … die anderen nackten. irgendwie muss ich an „die welle“ denken, wie schnell das mit der gruppendynamik immer so funktioniert. wo ich doch gerade das am fussball so doof finde, immer dieses gegeneinander von gruppen, wo es doch eigentlich keinen grund gibt. naja … der vergleich ist übertrieben, da es eher ein kleines sticheln ist und wir uns später auch gegenseitig applaudieren. ach egal. wenn der körper frei ist, sollten es auch die gedanken sein.

Und so sieht das Ganze dann von oben aus: Der nackte schwarz-goldene „Nibelungenring“ am Opernplatz. Foto: facebook.com/baystaatsoper
wir entdecken teestationen, mobile toiletten und das warten auf die nacktheit. man blickt verstohlen um sich, fragt sich, wen man nackt sehen möchte und wen nicht, findet den gedanken zugleich albern und natürlich. und man selbst?! ach es wird schon einer nen kleineren puller haben. schaut ja eh keiner so genau.
wo waren wir? ach ja, beim warten, wie so oft ein nicht zu unterschätzender teil von kunst. und als wir so alle warten, wirds dann doch gemein, so gegen 5 dürfen sich „die roten“ endlich ausziehen und anmalen und wir müssen noch warten. und gleichzeitig sagt die koordinatorin von uns goldenen: „keine sorge, die machen nichts tolles ohne euch!“ wir goldenen bezweifeln das und unsere gefühle sind gemischt. uns ist ein wenig kalt und die dürfen endlich gas geben – dass denen jetzt noch kälter ist, verdrängen wir ein wenig.
ein klassisches dilemma: warten ist doof, frieren ist doof und eigentlich ist uns eh warm, wir drei haben alte sachen an. pullis, jacken… andere sind gleich in flipflops und hotpants gekommen, ein wenig nacktheit wird uns drei weicheiern sicher gut tun.
ich möchte eigentlich noch vom warten schreiben, aber der geneigte leser kennt das eh und ich bin auch schon kurz vor der zu spürenden langeweile mit meinen worten, also schnell weiter im text:
da eine schamhaarfrisur, hier ein nippel, da ein piercing …

Die nackt-rote Belagerung der Münchner Feldherrenhalle. Foto: facebook.com/baystaatsoper
1,5 stunden später dürfen wir also: schnell ausziehen, schnell anmalen. „überall, auch die haare, sonst dürft ihr nicht mit!“ man ist beschäftigt, hin und wieder springen einem verschiedene figuren ins gesicht, da eine schamhaarfrisur, hier ein nippel, da ein piercing, mal möchte man länger schauen, mal kürzer, aber so richtig zeit hat man eh nicht, weil man fertig werden muss.
ab dann wird es … irgendwie normal: unangenehm sind kiesel am boden, egal ist, dass man nackt ist, sind eh alle, sind so viele und … es ist kalt, bringen wir’s hinter uns!
also von hinter dem gebäude nach vorne. erst ein nibelungenring von „den goldenen“ allein, dann ein hinlegen … komisch, diese nähe … aber auch warm. irgendwie gut, dass er will, dass es ein bischen verschlungen ist. na gut. beim gehen bin ich grad mit meinem pillermann gegen eine frau gestoßen … schon komisch, aber was soll man machen (die ausrede möchte ich auch in der disko mal).