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Freyung/Passau/München. Es war eine durchwegs faire Debatte, die die beiden Regionalpolitiker Max Gibis (Landtagsabgeordneter der CSU) und Toni Schuberl (Passauer Grünen-Kreisrat) über das novellierte Polizeiaufgabengesetz (PAG) jüngst in der Hog’n-Redaktion geführt haben. Trotz der ein oder anderen Meinungsverschiedenheit blieb die live via Hog’n-Facebook-Kanal in den Äther gesandte Diskussion stets sachlich.
„Kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden“
Dabei lag der Teufel auch so manches Mal im Detail, etwa als es um Begrifflichkeiten wie „konkrete“ und „drohende Gefahr“ (ca. ab Minute 24.00) oder die Klärung des Ausdrucks „Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit“ im Rahmen der Ingewahrsamnahme von Personen ging (ca. ab Minute 18.00). Auf Wunsch haben wir zu jenen Punkten nochmals beim bayerischen Innenministerium (STMI) nachgehakt.
Im PAG-Artikel 17/2 (Gewahrsam) heißt es unter anderem: „Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern.“ Was genau ist unter dem Ausdruck „Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit“ zu verstehen? Welche praktischen Beispiele gibt es hierfür zur Veranschaulichung, wann dieser Artikel in der Realität greift?
Antwort STMI: Der Gewahrsam bei Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung ist bereits im Musterpolizeigesetz von 1976 vorgesehen. Die entsprechende bayerische Regelung wurde etwa 1990 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof und 1998 vom Bayerischen Obersten Landesgericht für rechtmäßig erklärt.
Pauschale Beispiele für eine solche Ordnungswidrigkeit sind nur schwer zu geben, denn bereits das Bayerische Oberste Landesgericht führt aus: „Ob eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit vorliegt, kann nicht abstrakt, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.“ Insbesondere im Umweltrecht könnte ein solcher Gewahrsam in Betracht kommen, wenn durch entsprechende schädliche Emissionen eine hohe Gefahr für Leib und Leben von Personen im Raum steht. „Einfache“ Ordnungswidrigkeiten reichen hingegen nicht aus. Wie immer sind aber vor einem Gewahrsam erst alle anderen rechtlichen Möglichkeiten zur Abwehr der Gefahr auszuschöpfen.
„Kausalverlauf muss entsprechend sicher bekannt sein“
Der Begriff der „konkreten Gefahr“ wurde ja durch das Bundesverfassungsgericht per Urteil definiert. Im Zusammenhang mit dem neuen PAG: Müssen bei einer konkreten Gefahr Ort und Zeit bekannt/bestimmt sein, um die Gefahr als „konkret“ einstufen zu können? Oder müssen Ort und Zeit nicht zwingend bekannt/bestimmt sein, um von einer „konkreten Gefahr“ auszugehen?
Antwort STMI: Das Bundesverfassungsgericht setzt im Urteil zum BKA-Gesetz einem – früher vorherrschendem – weiten Verständnis der konkreten Gefahr bei eingriffsintensiven Maßnahmen enge Grenzen. Umgangssprachlich wird dies so verstanden, dass nach der Entscheidung genauer als früher Ort und Zeit der Gefahr bekannt sein müssen. Der Kausalverlauf, also wann, wer, welche Tat begeht, muss entsprechend sicher bekannt sein.
Als Ergänzung zum Begriff der konkreten Gefahr führt das Bundesverfassungsgericht dann den Begriff der drohenden Gefahr ein: „Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen aber nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche mit dem Ziel schon der Straftatenverhütung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert.“ Bei der drohenden Gefahr, die deutlich engere Grenzen als die konkrete Gefahr hat, kann die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs, also von „Ort und Zeit“, reduziert sein.
da Hog’n