FRG. „Der Landkreis Freyung-Grafenau hat das Projekt E-Wald mit angestoßen. Wenn wir jetzt nicht dabei sind, wäre das eine Blamage!“ Landrat Ludwig Lankl versuchte bei der Dienstversammlung am Mittwoch seine Bürgermeister mit Nachdruck von einer Beteiligung an E-Wald zu überzeugen. Das Projekt soll kommen – nach den Verzögerungen in den letzten Monaten unbedingt und jetzt sofort. Und zwar mit einem neuen Konzept: Bis zum 31. Juli muss jede Gemeinde für sich entscheiden, ob sie mit 15 000 Euro in die E-Wald GmbH einsteigt. Ein denkbar knappes Zeitfenster und eine Summe, die längst nicht jede Gemeinde ohne Weiteres entbehren kann.
E-Wald braucht mindestens 60 Gemeinden – sonst scheitert’s
„Sogar ein Markt wie Schönberg kämpft im Moment mit den Finanzen, da hat man Bauchweh, wenn man zusätzlich Geld aufbringen muss“, sagte etwa Schönbergs zweite Bürgermeisterin Vera Scheuchenzuber. Karl Reith, Bürgermeister von Eppenschlag, fühlte sich ungerecht behandelt. Seiner Meinung nach hat man beim vorliegenden Konzept einen Grundsatz eindeutig verletzt: „Wie kann es sein, dass jede Kommune den gleichen Betrag in die GmbH einbezahlen muss – unabhängig von der Gemeindegröße?“ Darauf entgegnete Waldkirchens Rathaus-Chef Josef Höppler, dass sich der Kostensatz mit der Anzahl der Ladesäulen erhöhe: Da die Städte mehr E-Wald-Stromladesäulen aufstellen, müssten sie am Ende auch mehr bezahlen. Der Grund: Zusätzlich zu den 15 000 Euro fixe Beteiligung sollen die Gemeinden den Standort für die Ladesäulen bereitstellen. Dafür gibt es dann allerdings eine bis zu 75-prozentige Förderung von der Regierung, wie Dr. Jürgen Weber von der Regierung von Niederbayern verkündete. Gemeinsam mit Professor Dr. Peter Sperber, Präsident der Hochschule Deggendorf (HDU), war er ins Freyunger Landratsamt angereist, um für den Fortschritt des E-Wald-Projekts bei den Landkreis-Bürgermeistern zu werben. Mit Vehemenz.
Denn sollten von den sechs Landkreisen Regen, Freyung-Grafenau, Cham, Passau, Deggendorf und Straubing-Bogen nicht mindestens 60 Gemeinden mitziehen, ist das viel gepriesene Vorzeige-Projekt im Bayerischen Wald zum Scheitern verurteilt. Zur Finanzierung herangezogen werden außerdem die sechs Landkreise mit jeweils 50 000 Euro, die sechs Sparkassen (ebenfalls mit jeweils 50 000 Euro) sowie zwei private Unternehmen, die gemeinsam 650 000 Euro in die GmbH einzahlen. Erhöht sich die Anzahl der Gemeinden, vergrößert sich idealerweise auch die Fahrzeugflotte, erklärte Sperber. Dass sich die Sparkassen finanziell beteiligen sollen, löste beim Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Freyung-Grafenau, Erwin Bumberger, jedoch keine Freudensprünge aus. Er bemängelte vor allem die Herangehensweise: „Aus der Presse haben wir erfahren, dass wir dabei sein sollen – beziehungsweise dürfen.“ Weber zeigte für diese Haltung wenig Verständnis: „Als öffentliche Bank gehört zu den Aufgaben der Sparkasse auch die Entwicklung der Region.“ Was denn dann mit den Genossenschaftsbanken wäre, fragte der Bürgermeister von Philippsreut, Alfred Schraml, nach. Diese, räumte Lankl ein, habe man noch nicht gefragt, aber das werde man noch tun. Bei einer Beteiligung von 60 Gemeinden stünde der E-Wald GmbH somit ein Kapital von 2.150.000 Euro zur Verfügung.
„Wo sind denn hier die Bahnhöfe?“
Die Ladesäulen werden für die zweijährige Dauer des Projekts von deren Herstellern aufgestellt und betrieben, wie Prof. Sperber die Anwesenden informierte. Danach gehen die Ladesäulen für mindestens drei Jahre in den Besitz der E-Wald GmbH über. Die Hersteller haben dem Hochschul-Präsidenten zufolge kein Interesse an der Vermietung oder Verpachtung der Ladesäulen. Die Gemeinde kann die Ladesäule jedoch – im besten Falle kostenlos – übernehmen. Die Ladesäulen werden allerdings nicht sofort aufgestellt: Es gibt einen sogenannten Rollout-Plan der HDU, der unter anderem nach „voraussichtlicher Nutzungshäufigkeit „vorgeht. Als Beispiel dafür nannte Sperber „Bahnhöfe mit höchster Priorität“. Darauf warf Bürgermeiser-Sprecher Heinrich Lenz lapidar ein: „Wo sind denn hier die Bahnhöfe?“ Der sei zwar nicht prinzipiell gegen das Projekt, stehe ihm jedoch sehr skeptisch gegenüber. Insbesondere habe er ein Problem mit der Art der Abwicklung. „Wir sollen hier Geld für einen Praxistest in die Hand nehmen, das wir nicht haben.“ Den vorangegangenen und zugunsten der GmbH-Geschäftsform wieder verworfenen Vorschlag der Aktiengesellschaft bezeichnete Hinterschimidings Gemeindeoberhaupt im Nachhinein als „kolossales Missverständnis“.
Dass es sich bei E-Wald um ein zukunftsweisendes und imageträchtiges Projekt für den Bayerischen Wald handelt, steht für die meisten Bürgermeister außer Frage. Dass viele nun ob der Finanzierung verärgert sind, ist nachvollziehbar, war ihnen doch anfangs zugesagt worden, dass auf die Gemeinden – mal abgesehen von der Bereitstellung des Ladestandortes – keinerlei Kosten zukommen würden. Die entscheidende Frage ist nun: Wie bekommt man E-Wald finanziert, wenn die Kassen leer sind?
Niedermeier: Heuer einsteigen, 2013 zahlen
Eine Chance liegt vielleicht bei der Rechtsaufsichtsbehörde: Das ist die Dienststelle, bei der die Gemeinden vorsprechen müssen, wenn sie ihren Haushalt nicht geregelt bekommen. Die Behörde habe sich bereits bei früheren wichtigen regionalen Projekten kooperativ gezeigt und würde auch jetzt den Gemeinden beratend zu Seite stehen. Auch Grafenaus Neu-Bürgermeister Max Niedermeier brachte einen nicht uninteressanten Vorschlag ein: „Könnte man nicht vielleicht per Bürgschaft in die GmbH einsteigen und den Geldfluss im Jahr 2013 verankern?“ Finanziell gesehen wäre das kein Problem, so Weber und Sperber. Die rechtliche Situation sei ihnen aber nicht bekannt. Sie versprachen dies umgehend zu prüfen. Und: Auch private Investoren sind erwünscht. Diese bekommen zwar nicht die gleiche Förderung für die Bereitstellung eines Ladesäulenstandortes wie die Gemeinden, haben davon aber durchaus Vorteile. Sperber erwähnte in diesem Zusammenhang interessierte Supermärkte, für die der Betrag von 15 000 Euro kein Problem wäre – angesichts der Tatsache, dass die Kunden für mindestens zwei Jahre vor ihrem Supermarkt „tanken“ würden.

Ratlos? Deggendorfs Hochschul-Präsident Prof. Dr. Peter Sperber und Dr. Jürgen Weber, Regierung von Niederbayern.
Für welche Lösung man sich am Ende auch entscheidet – es muss jetzt alles möglichst schnell gehen! Nicht nur, dass die Technologiezentren und Firmen schon große Summen investiert haben und weitere Zeitverzögerungen dem Projekt Schaden zufügen könnten – mit einem Projekt wie E-Wald würde man den Bayerischen Wald endlich einmal als Vorreiter wahrnehmen und zeigen, dass „wir nicht am Ende der Welt sind“, wie der Bürgermeister von Innernzell, Josef Kern, es formulierte. Und, sagte Kreis- und Gemeinderätin Heike Dülfer, vielleicht auch in Sachen Tourismus den anderen endlich einmal voraus sein: „Hierher kommen so viele Touristen der Natur wegen. Vielleicht könnte man die Urlauber mit einer umweltfreundlichen Mobilität ja noch mehr für die Region begeistern!“ Es wäre in jedem Fall schade, wenn das Projekt nun scheitern würde.
Dike Attenbrunner, Stephan Hörhammer
(Werfen Sie dazu einen Blick auf das neue E-Wald-Konzept samt Finanzierung sowie eine Kosten-Nutzen-Gegenüberstellung für die Kommunen.)
[…] PS: Das E-Wald Projekt kämpft derzeit um seine erfolgreiche Umsetzung, vgl. dazu diesen Blogbeitrag. […]