Spiegelau/Ortenburg. Lange Zeit hat man mit dem Bayerwald-Dorf Spiegelau vor allem die Glasindustrie verbunden. Doch viele der früheren Glashütten sind längst geschlossen. Einzig das Technologieanwenderzentrum für Heißglastechnik der FH Deggendorf ist geblieben. Mittlerweile haben sich die Spiegelauer anders orientiert, neue wirtschaftliche Standbeine geschaffen. So wie Susanne Rutzinger-Kurpas. Die gebürtige Österreicherin hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sie stellt „ausgewogene und natürliche“ Tiernahrung her. Seitdem steht „Fleischeslust-Tiernahrung“ für qualitativ hochwertige Futtermittel für Hunde und Katzen. Im Gespräch erklärt die Unternehmerin, wie es zu dieser außergewöhnlichen Geschäftsidee gekommen ist, wie die Futtermittel hergestellt werden und warum sich Hunde und Katzen damit wohler fühlen.
Frau Rutzinger-Kurpas, Sie vertreiben „Delikatessen“ für Hunde und Katzen. Wie kommt man auf diese außergewöhnliche Geschäftsidee?
Zunächst einmal: Wir vertreiben keine Delikatessen, sondern ausgewogene und natürliche Tiernahrung für Hunde und Katzen. Wenn man viele Hunde besitzt, ist das Thema Ernährung – besonders im Leistungssport – natürlich aktuell. Und wie viele andere hatten auch wir damals mit Futtermittelunverträglichkeiten und den typischen Folgeerscheinungen zu kämpfen. Die Umstellung von Trockenfutter auf Rohfleischfütterung brachte die entscheidende Kehrtwende im Gesundheitsbild unserer Hunde. Gleichzeitig haben wir unseren heutigen Mitgesellschafter kennengelernt, der bereits erfolgreich für andere Unternehmen Tiernahrung produziert hatte. Gemeinsam mit ihm und dem Eppenschlager Tierarzt Dr. Udo Falk haben wir ein neues und innovatives Nassfutterkonzept entwickelt, dass der artgerechten Hunde- und Katzenernährung so nah wie möglich kommt.
Keine Schlachtabfälle, sondern hochwertiges Fleisch
Außergewöhnlich ist auch der Name „Fleischeslust“. Schwingt da eine erotische Komponente mit – oder haben Sie zuviel Rammstein gehört?
Wenn, dann hat wohl der gute Rotwein mitgeschwungen, als wir über unsere Geschäftsidee am Herd philosophiert haben (lacht). Nein, im Ernst. Der Name Fleischeslust bringt unsere Philosophie auf den Punkt: Ein hoher Anteil an frischem Fleisch, dessen einzelne Bestandteile ausgewogen und sinnvoll sind. Wir verwenden keine billigen Schlachtabfälle, sondern setzten auf qualitativ hochwertige Fleischkomponenten aus regionalen Schlachtbetrieben. Deshalb deklarieren wir in unserem Futter auch alle Inhaltsstoffe im Detail.
Sie versprechen, dass alle Nassfutter-Produkte hundertprozentig in „Lebensmittelqualität“ sind. Klingt das angesichts vieler hungerleidender Menschen nicht etwas bedenklich?
Die Ausschlachtungsquote in Deutschland und Österreich beträgt etwa 60 Prozent. Viele gute Fleischbestandteile finden heute in unserer Gesellschaft gar keine Verwendung mehr in der Küche. Das ist der eigentliche Skandal. Lebensmittelqualität heißt ja letztlich, dass wir keine minderwertigen Schlachtabfälle wie Hufe, Schnäbel, Galle oder ähnliches verwenden, sondern uns Bestandteilen wie Muskelfleisch, Herz oder Leber bedienen, die auch für die Lebensmittelproduktion zugelassen sind.
Könnte Ihre Tiernahrung praktisch getrost auch an Menschen verkauft werden?
Das ist laut Europäischer Futtermittelverordnung ausgeschlossen. Und das ist auch gut so angesichts der vielen Lebensmittelskandale.
„Regionalität unserer Rohstofflieferanten spielt große Rolle“
Woher kommen die Zutaten für Ihre Produkte? Setzen Sie da auf Regionalität?
Unsere Hauptlieferanten sind Schlachthöfe aus der Region sowie aus Oberösterreich, der Steiermark und dem Salzburger Land. Die Regionalität unserer Rohstofflieferanten spielt eine große Rolle, die sich in unseren Rezepturen und in unserer ökologischen Überzeugung wiederfindet. Deshalb bieten wir keine exotischen Fleischsorten wie Känguruh, Springbock oder ähnliches an. Erst vor wenigen Wochen haben wir beispielsweise mit einer steirischen Firma eine Kooperation abgeschlossen. Sie versorgt uns nun mit fangfrischem Bio-Saibling. Es geht also auch regional – allerdings ist die Beschaffung natürlich manchmal etwas aufwendiger.
Wie und wo werden Ihre Produkte hergestellt?
Wir produzieren ausschließlich in Ortenburg. Hier haben wir vollständige Rohstoff-, Verarbeitungs- und Qualitätskontrolle. Alle Rohstoffe werden schlachtfrisch verarbeitet und sind somit ein wesentliches Kriterium für die hohe Akzeptanz unseres Futters. Die Menüs werden sorgfältig nach den jeweiligen Rezepturen gemischt und anschließend „kalt“, also roh, abgefüllt. Das Sterilisationsverfahren, das Haltbarmachen, erfolgt dann in hochmodernen Autoklaven, die für einen schonenden Garprozess sorgen.
Für welche Hunde ist das hochwertige Futter von „Fleischeslust“ besonders geeignet? Nur für Bello, der einen Hundeschlitten zieht oder Schafe bewacht, oder auch für das brave Schoßhündchen Fiffi, das nur beim Spazierengehen in Bewegung ist?
Gesunde, abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist für jedes Lebewesen wichtig. Wir versuchen bei unserer eigenen Ernährung weitesgehend auf Aroma-, Konservierungs– und Farbstoffe zu verzichten. Diese Verantwortung tragen wir auch gegenüber jedem Tier. Es ist also eher eine Frage der Ethik als eine Frage des Leistungsanspruches, inwieweit ich mich als Hundesbesitzer mit der gesunden Ernährung meines Hundes auseinandersetzen möchte.
Ein Fertigfutter, das mit 230 Grad erhitzt werden muss, teilweise weniger als 20 Prozent Fleischanteil besitzt, das nicht detailliert aufführt, welche Fleischarten und -bestandteile enthalten sind und das 36 Monate haltbar ist, sollte jedem verantwortungsbewussten Hundebesitzer zu denken geben.
„Richtige Ernährung führt automatisch zur Leistungssteigerung“
Sie selbst sind im Schlittenhundesport aktiv. Versprechen Sie sich durch Ihr Futter eine Leistungssteigerung bei Hunden?
Zu unseren Anfangszeiten im Schlittenhundesport hatten wir immer wieder mit Durchfällen, Hautekzemen und Appetitlosigkeit bei unseren Hunden zu kämpfen. Das war bei den Rennen ein großes Problem, da die Hunde ihr Potenzial nicht abrufen konnten und sie oft zu dehydrieren drohten. Insofern führt die richtige Ernährung eines Hundes ganz automatisch zu einer Leistungssteigerung.
Sind Versprechen wie „Größere Vitalität und Ausdauerleistung“ wissenschaftlich belegt?
Sie sind in der Hunde-Szene längst bekannt und bei vielen Ausstellungen dabei. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs? Funktioniert Ihre Geschäftsidee nur als Online-Shop?
Es ist sicher das Gesamtpaket. Man braucht ein ausgesprochen gutes Produkt als solide Basis und erfahrene Hundeexperten, die fundierte Ernährungsberatung betreiben. Als Vertriebskanal setzen wir vor allem auf den stationären Fachhandel, der in der Lage ist, unsere Botschaft in vielen Vier-Augen-Gesprächen mit den Hunde- und Katzenbesitzern zu kommunizieren. Der Online-Handel steigt erst dann ein, wenn man eine gewisse Markenbekanntheit hat. Den Erfolg bringt letztlich der Mix aus beiden Kanälen.
„Der Bayerische Wald ist ein echter Standort-Vorteil“
Gibt es einen harten Konkurrenzkampf in diesem Marktsegment? Ist der Standort Spiegelau ein Vor- oder ein Nachteil?
Der Bayerische Wald ist einer der schönsten Naturreservate in Deutschland und der Ort, an dem wir Raum und Zeit für unsere Hunde und für neue Ideen finden. Hier treffen wir auf so außergewöhnliche Menschen und Lebenskonzepte, von denen wir uns häufig inspirieren lassen. Für uns ist der Wald ein echter Standort-Vorteil. Wie heißt es doch: Es kommt immer darauf an, was man draus macht. Und der Konkurrenz stellt man sich am besten mit neuen, innovativen Ideen.