Freyung-Grafenau. Nach eineinhalb-jähriger Vakanz hat der Landkreis Freyung-Grafenau seit 1. Juli wieder einen Wirtschaftsreferenten. Johannes Gastinger – so heißt der Nachfolger von Ralph Heinrich, der mit dem Start ins Jahr 2018 von seinem Posten aus privaten Gründen zurückgetreten war.
Der „Neue“, der in der Region bis dato vor allem in sportlicher Hinsicht als Fußballer des Landesligisten FC Sturm Hauzenberg Bekanntheit erlangte, möchte sich möglichst schnell auch bei den heimischen Wirtschaftsvertretern einen Namen machen, wie er im Hog’n-Interview verrät. Der 33-Jährige, der aus Hutthurm stammt und in Breitenberg lebt, blickt in seinem Antrittsgespräch unter anderem auch auf aktuelle Themen wie Klimaschutz und Landflucht.
Thema Fördergelder: „Unternehmen müssen sich trauen“
Herr Gastinger, stellen Sie sich bitte zunächst einmal vor.
Meine berufliche Karriere hat nach dem Realschul-Abschluss mit einer Ausbildung zum Bürokaufmann begonnen. Über die Berufsoberschule bin ich dann nachträglich zu meinem Abitur gekommen. Anschließend habe ich in Salzburg ein BWL-Studium absolviert, ehe ich 2013 ein Jobangebot vom Bayerischen Fußballverband angenommen habe. Als Fußballer mit Leib und Seele war das natürlich ein Glückstreffer. Beim BFV war ich alleiniger Ansprechpartner für DFB-Projekte in Bayern sowie Referent für Schulfußball und Bildung.
Rückblickend habe ich beim Fußballverband eine unvergessliche Zeit erlebt. Für mich stand jedoch immer fest, dass ich wieder zurück in meine Heimat will. Aus diesem Grund bin ich 2015 an das Landratsamt Rottal-Inn gewechselt, wo ich im Sachgebiet Personal/Interne Organisation eingesetzt war. Anfang des Jahres habe ich dann erfahren, dass der Landkreis Freyung-Grafenau einen Wirtschaftsreferenten sucht. Ich habe mich beworben – und bin es nun seit 1. Juli.
Was qualifiziert Sie Ihrer Meinung nach, als Wirtschaftsreferent tätig zu sein?
Zunächst einmal mein BWL-Studium. Zum anderen meine familiäre Prägung: Meine Eltern haben einen kleinen Handwerksbetrieb, in dem ich seit meiner Kindheit mithelfe. Ich kenne also die Abläufe in einem kleinen Unternehmen und kann die Fragen und Probleme, die dort auftauchen können, nachvollziehen.
Welche Impulse wollen Sie als Wirtschaftsreferent setzen?
Einen der Schwerpunkte meiner Arbeit sehe ich darin, Unternehmen darauf hinzuweisen, welche Fördermöglichkeiten es in den unterschiedlichsten Situationen gibt. Meine Aufgabe ist es, diesen Prozess vom Antrag bis zur Bewilligung der Fördergelder zu begleiten. Dieser Vorgang stellt einen essenziellen Punkt für den Landkreis dar. Freyung-Grafenau wird als strukturschwache Region eingestuft und erhält deshalb höhere Fördersätze als andere Gebiete – das ist das eine. Das andere ist, dass die Unternehmen sich auch trauen müssen, diese Töpfe in Anspruch zu nehmen. Denn es ist überhaupt nicht verwerflich, öffentliche Gelder zu beanspruchen.
„Würden konjunkturelle Delle gut überstehen“
Hierfür ist ein großes Netzwerk nötig.
Auf alle Fälle. Das Knüpfen von Kontakten gehört zu meinen übergeordneten Tätigkeiten seit meinem Antritt als Wirtschaftsreferent – und ich bin immer noch nicht fertig damit. Aus diesem Grund verbringe ich sehr wenig Zeit in meinem Büro, da ich fast ausschließlich bei den Betrieben vor Ort bin. Vom ersten Tag an bin ich Ansprechpartner für die Unternehmen der Region. Learning by doing war – und ist – demnach angesagt, unterstützt durch meine Kollegen aus dem Sachgebiet. Ich denke, in diesem Aufgabenbereich wird man nie auslernen, weil jede Anfrage seine Besonderheiten hat. Genau das macht diese Stelle jedoch auch so interessant.
Ist die Arbeit eines Wirtschaftsreferenten generell eher verwaltender oder kreativer Natur?
Mein Job ist keine typische Verwaltungsstelle, wie man sie sich vielleicht von außen vorstellt. Ich habe sehr viel Kontakt zu Unternehmen, Kammern, Schulen etc. – und nicht nur zu meinen Kollegen im Landratsamt. Aus diesem Grund kann man auch kreativ sein. Die vielen Einflüsse und Anregungen sorgen dafür, dass man viele neue Projekte und eigene Ideen in die Wege leiten kann.
Wie ist es Ihrer Meinung nach aktuell um die Wirtschaft im Landkreis FRG bestellt – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Konjunktur ja etwas rückläufig ist.
Natürlich liest man überall, dass die Konjunktur etwas abflacht. Im Landkreis Freyung-Grafenau ist dieser Trend jedoch aktuell noch nicht angekommen, wie mir viele regionale Unternehmer bestätigt haben. Meine Vermutung lässt sich an den geplanten Investitionen festmachen, die keinesfalls rückläufig sind. Es ist nach wie vor Potenzial da. Und ich bin davon überzeugt, dass unsere Betriebe, die größtenteils aus dem mittelständischen Bereich kommen, eine kleine konjunkturelle Delle in dieser wirtschaftlichen Hochphase auch gut überstehen würden.
Wie können Sie vor allem kleinere Betriebe unterstützen – und nicht nur Big Player wie Bachl, Knaus Tabbert, AVS Römer und Co.?
Die meisten großen Unternehmen wissen im Gegensatz zu den kleinen, wo es wann welche öffentlichen Mittel abzugreifen gibt. Deshalb bin ich unter anderem auch dafür da, den kleineren Betrieben von nebenan diese Möglichkeiten aufzuzeigen. Um dies zu erreichen, muss man mich natürlich kennen – und ich wiederum die Inhaber. Ein langwieriger Prozess. Neben den Förderangelegenheiten stehe ich den Firmen ebenso in Sachen Fachkräftemangel, Digitalisierung, Existenzgründung oder Unternehmensansiedlungen beratend zur Seite.
„Wir haben was – und wir sind wer“
Ein hochaktuelles Thema in diesem Zusammenhang: Wie lassen sich Ihrer Meinung nach Klimaschutz und Wirtschaft auf regionaler Ebene in Einklang bringen?
Schwieriges Thema. Auf der einen Seite haben die Unternehmen Gewinnabsichten, die ab und zu durch den Klimaschutz eingeschränkt werden. Auf der anderen Seite stehen wir natürlich alle in der Pflicht entsprechend auf den Klimawandel zu reagieren. Wir müssen es schaffen einen Mittelweg zu finden – dazu ist jedoch viel Fingerspitzengefühl erforderlich. Eine Aufgabe, die uns noch lange begleiten wird.
Immer wieder im Fokus steht auch die Landflucht, mit der ja die Rückholaktion des Landkreises einhergeht. Wie beurteilen Sie hier den Stand der Dinge?
Mein Kollege, Regionalmanager Stefan Schuster, beschäftigt sich damit mehr als ich. Dennoch versuche ich als Wirtschaftsreferent eine Antwort auf diese Frage zu geben, weil wir ja etwa in Sachen Fachkräftemangel durchaus Schnittstellen haben. Allein die Tatsache, dass wir für unsere Imagekampagne weitere Fördergelder bekommen, zeigt, dass sie erfolgreich ist. Und der Erfolg lässt sich auch an Zahlen festmachen: Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigen sind innerhalb eines Jahres um fast 1.000 Personen gestiegen. Es werden nach wie vor Arbeitsplätze im Landkreis geschaffen – gleichzeitig reduziert sich der Pendlersaldo.* Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch unsere Arbeitslosenquote von gerade einmal 1,9 Prozent – ein absoluter Spitzenwert.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Wirtschaft in FRG wohl entwickeln?
Durchaus positiv. Natürlich wird unsere Entwicklung auch mit der allgemeinen Weltwirtschaft zusammenhängen. Nichtsdestotrotz ist bei unseren Unternehmen weiterhin eine Aufbruchstimmung vernehmbar. Allein wenn ich an unsere vielen Hidden-Champions denke, bin ich optimistisch gestimmt. Wir haben was – und wir sind wer. Das dürfen wir ruhig auch offen sagen und stolz darauf sein.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer
*Anmerkung Gastinger: „Nicht die Anzahl der Pendler hat sich verringert und auch nicht die Anzahl der Auspendler (Erhöhung um 145 Personen), sondern der Pendlersaldo (Differenz zwischen Ein- und Auspendlern). Dies liegt daran, dass sich die Zahl der Einpendler stärker erhöht hat als die Anzahl der Auspendler.