Freyung-Grafenau/Röhrnbach. Bereits zum vierten Mal findet am 29. September die Ausbildungs- und Arbeitsbörse (AuA), ausgerichtet vom Regionalmanagement des Landkreises Freyung-Grafenau und dem Jobcenter FRG, statt. Alles in allem hat sich die Messe inzwischen zu einer Veranstaltung gemausert, die sich im Kalender der regionalen Wirtschaft fest etablieren konnte. Doch die Rahmenbedingungen der AuA haben sich verändert – und das nicht nur aufgrund des 2014 vollzogenen Umzugs vom Freyunger Kurhaus ins Haidl-Atrium in Steinerleinbach. Generell hat die Arbeitswelt seit der Premiere der Börse einen gravierenden Wandel vollzogen.
Bot die Erstauflage vor sechs Jahren für potenzielle Arbeitskräfte und Lehrlinge noch eine willkommene Möglichkeit nach der geeigneten Firma Ausschau zu halten, hat inzwischen eine Art Rollentausch stattgefunden: Denn in Zeiten permanenten Personalmangels befindet sich die Arbeitgeberschaft händeringend auf der Suche nach neuen Mitarbeitern – wobei die AuA eine hervorragende Akquise-Chance bietet. Über diese Veränderungen im Speziellen sowie die Wirtschaftslage im Bayerwald-Landkreis FRG im Allgemeinen sprechen Regionalmanager Stefan Schuster und Hans Haugeneder, Geschäftsführer des Jobcenters Freyung-Grafenau, im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n.
„Wichtig ist, dass nicht nur eine schlichte Infotafel aufgestellt wird“
Zunächst ganz allgemein gefragt: Auf was dürfen sich die Besucher bei der Ausbildungs- und Arbeitsbörse 2018 freuen?
Stefan Schuster: Wir bieten mit der AuA 2018 ein umfassendes Bild über die regionale Wirtschaft, allen voran über die vielen hochinteressanten Ausbildungs- und Arbeitsplätze in unserer Region – über alle Branchen hinweg. Einen besonderen Wert legen wir dabei auf das sog. Konzept der bewegten Stände. Das heißt: Uns ist wichtig, dass die Aussteller nicht nur eine schlichte Infotafel aufbauen, sondern einen lebendingen Messeauftritt realisieren. Die Besucher sollen etwas ausprobieren und anfassen können. Diese interaktive Miteinbeziehung hebt uns von vergleichbaren Formaten genauso ab wie die Tatsache, dass wir neben der Ausbildungskomponente auch auf die Vorstellung von Arbeitsplätzen für Fachkräfte bzw. Menschen, die in die Berufswelt zurückkehren möchten, setzen.
Unter anderem folgende Firmen beteiligen sich an der AuA 2018 (zum Vergrößern:klicken)
Hans Haugeneder: Jeder kann sich heutzutage im Internet über alle möglichen Berufe informieren. Bei uns ist der persönliche Kontakt sowohl zu Gleichgesinnten als auch zu Unternehmen möglich. In den elektronischen Medien gibt es ausschließlich allgemeine Informationen zu den Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Bei uns – Stichwort: bewegte Stände – kann man mit Augen und Ohren wahrnehmen, was einen genau bei welchem Beruf erwartet.
Obwohl die Messe Ausbildungs- und Arbeitsbörse heißt, liegt der Fokus doch eher auf den Schulabgängern, richtig?
Haugeneder: Ja, das stimmt schon. Wobei wir in letzter Zeit auch ältere Arbeitslose und Wiedereinsteiger angesprochen haben, an der Messe teilzunehmen. Auch für diese Personengruppe ist die AuA eine große Chance, mit Arbeitgebern in direkten Kontakt zu treten. In Folge der aktuellen Arbeitsmarktsituation, der derzeitigen Vollbeschäftigung, haben uns die Aussteller darauf aufmerksam gemacht, dass sie – neben der Ausbildung – auch einen verstärkten Fokus auf vakante Arbeitsstellen legen möchten.
…und auch diese Betriebe/Einrichtungen sind am 29. September mit dabei (zum Vergrößern:klicken):
Gibt es denn seitens der Aussteller Rückmeldungen, dass gerade durch die AuA vakante Ausbildungs- und Arbeitsplätze belegt werden konnten?
Schuster: Wir bekommen durchaus entsprechende Rückmeldungen, wobei es schon vermessen wäre zu behaupten, dass im sofortigen Nachgang der bisherigen Veranstaltung etliche Stellen besetzt werden konnten. Das Wichtigste ist zunächst einmal die Kontaktmöglichkeit, das gegenseitige Kennenlernen. Im zweiten Schritt folgen im Optimalfall dann konkretere Gespräche sowie Arbeits- und Ausbildungsverträge.
Haugeneder: Eine kleine Ergänzung dazu: Die ohnehin kleine Zahl der Arbeitsuchenden ändert sich nur wenig, doch die jeweiligen Personen dahinter sind andere. Da gibt es einen steten Wechsel. Sowohl bei der Arbeitsagentur als auch beim Jobcenter haben wir viele Zu- und Abgänge. Und genau deshalb ist die Arbeits- und Ausbildungsbörse immer wieder aktuell. Das Prinzip bleibt zwar in etwa dasselbe – jedoch ändert sich immer wieder das Zielpublikum.
„Möchten wir Besucher-Rekorde, wäre das ganz einfach…“
Das ist eine Möglichkeit, wie man die AuA aktuell und interessant für neues Publikum halten kann. Gibt es weitere Vorgehensweisen in diesem Zusammenhang?
Schuster: Vorab eine Information dazu: Gerade aus dem Grafenauer Land kommt immer wieder die Frage, warum wir die Börse ausgerechnet in Steinerleinbach bei Röhrnbach abhalten. Der recht einfache Grund dafür lautet: Nirgendwo anders finden wir derartige Kapazitäten wie im Haidl-Atrium vor. Logistisch gesehen haben wir in Röhrnbach die besten Voraussetzungen. Und dieser Platz ist auch vonnöten. Was die Aussteller betrifft, sind wieder rappelvoll. Ein gewichtiges Argument für die AuA, um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen. Wir versuchen aber auch immer wieder Unternehmen mit ins Boot zu holen, die an den vorherigen Auflagen nicht beteiligt waren. Eine Warteliste gibt es vor allem aus überregionaler Sicht, denn wir versuchen zunächst einmal nur FRG-Betriebe einzuladen.
Wie bereits gehört, ist es generell nicht ausschlaggebend, ob es regelmäßig neue Anreize gibt, denn das Zielpublikum ändert sich immer wieder von selbst – die Schulabgänger von heute sind vielleicht schon die Aussteller von morgen. Und auch der Personenkreis der Arbeitsuchenden wechselt regelmäßig. Deshalb gilt nicht das Motto „weiter, schneller, höher“ – vielmehr wollen wir alle zwei Jahre eine gleichbleibend gute Performance abliefern.
Haugeneder: Wir, also der Landkreis FRG und das Jobcenter, sehen uns in diesem Zusammenhang als Plattform, als Dienstleister. Wir stellen die Veranstaltung und die Ausstellerplätze zur Verfügung, umreißen kurz unsere Wünsche sowie Vorstellungen – den Rest dürfen die jeweils beteiligten Unternehmen dann in Eigenregie ausarbeiten.
Schuster: Genauso ist es übrigens bei den Besuchern. Die AuA ist eine Chance, die freiwillig genutzt werden kann. Deshalb findet die Börse auch ganz bewusst an einem Samstag statt. Möchten wir Besucher-Rekorde, wäre das ganz einfach: Dann würden wir die Messe an einem Wochentag machen und die Schüler mit Bussen ankarren. Aber das ist nicht Sinn der Sache. Die Buben und Mädchen sollen sich aus eigenem Interesse ein Bild von der regionalen Wirtschaft machen können.
Haugeneder: Die Regionalität, die Freiwilligkeit, der Wunsch nach bewegten Ständen – all das sind inzwischen Alleinstellungsmerkmale unserer Ausbildungs- und Arbeitsbörse, die sie von vergleichbaren Formaten unterscheidet.
„Wir müssen auf moderates Wachstum setzen“
Themawechsel: Wie würden Sie beide die aktuelle wirtschaftliche Situation im Landkreis Freyung-Grafenau beschreiben?
Haugeneder: Nimmt man die momentanen Arbeitslosenzahlen als Maßstab, stehen wir hervorragend da. Es gibt aber weitere Kriterien, die belegen, dass das einstige „Armenhaus Bayerischer Wald“ tatsächlich längst der Vergangenheit angehört. In den letzten Jahren können wir in der Region einen deutlichen Zuwachs an Arbeitsplätzen verzeichnen. Das heißt, es lassen sich viele Betriebe nieder – und auch die bereits bestehenden Unternehmen gedeihen stetig. Darüber hinaus werden diejenigen FRG’ler, die außerhalb des Landkreises arbeiten, immer weniger – gleichzeitig nehmen die einpendelnden Arbeiter in Freyung-Grafenau zu. Alles in allem können wir mit Fug und Recht feststellen, dass wir in Sachen Wirtschaft zu den Aufsteigerregionen gehören.
Schuster: Absolut. Niederbayernweit verzeichnet unser Landkreis die niedrigste Arbeitslosenquote. Dieser Aspekt ist jedoch sowohl positiv als auch negativ zu betrachten. Denn Vollbeschäftigung heißt auf der anderen Seite, dass sich unsere Unternehmen schwer damit tun, neues Personal zu finden. Das wiederum bedeutet im Umkehrschluss, dass unsere Betriebe investieren und größer werden. Aber Achtung: In der aktuell guten Situation dürfen wir nicht vergessen, dass Wachstum nicht unbegrenzt ist.
Das bedeutet?
Schuster: Aufgrund der aktuell politischen Großwetterlage ist nur schwer abzuschätzen, wie lange der derzeitige Aufschwung noch anhalten wird. Wir müssen weiterhin auf ein moderates Wachstum setzen – und uns gleichzeitig bewusst darüber werden, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Haugeneder: Ich bin jedoch überzeugt davon, dass unser Landkreis auch im Krisenfall gewappnet ist: Wir haben nicht den einen großen Big Player, bei dem alle FRG’ler angestellt sind, sondern viele mittelständische Betriebe. Bricht einer weg, ist es nicht ganz so schlimm, wie wenn zum Beispiel Dingolfing sein BMW-Werk verlieren würde. Wir sind breit aufgestellt – ein unschätzbarer Vorteil.
Personalmangel I: „Der absolute Kollaps droht nicht“
Nochmals zurück zum bereits erwähnten, oft vorherrschenden Personalmangel. Wie akut ist dieses Thema wirklich?
Schuster: Vor einigen Jahren noch, also vor meiner Zeit als Regionalmanager, haben politische Vertreter im Rahmen einer Telefonaktion Unternehmen angerufen und darum gebeten, weitere Lehrstellen zu schaffen. Die Rollen haben sich inzwischen verändert, nun ist es umgekehrt. Wir müssen die richtigen Schulabgänger und Arbeitssuchenden finden, um die große Personalnachfrage stillen zu können.
Haugeneder: Bewerberorientierte Arbeitgeberansprache – dieser Fachbegriff gehört bei uns im Jobcenter inzwischen zum Alltag. Das heißt: Wir müssen über die bereits vorhandenen Qualifikationen der Bewerber hinaus Ansatzpunkte finden, warum der- oder diejenige eine gewisse freie Stelle besetzen kann.
Schuster: Allein diese Tataschen machen deutlich, dass der Personalmangel nicht zu unterschätzen ist. Einige Betriebe mussten Aufträge deshalb schon ablehnen. Wir können aber auch beruhigen und sagen: Der absolute Kollaps droht bis dato nicht. Dennoch wird uns dieses Thema wohl noch etwas länger beschäftigen.
Haugeneder: Ergänzendes Zahlenwerk dazu: In der Vergangenheit hatten wir im Landkreis Freyung-Grafenau einen offenen Stellenbestand von rund 300 Arbeitsplätzen. Zwischenzeitlich liegen wir landkreisweit bei zwischen 700 und 800 zu besetzenden Stellen.
Welche Lösungsansätze gibt es dafür?
Schuster: Genau das ist die Kernaufgabe des Regionalmanagements. Es klingt zugegebenermaßen etwas theoretisch, aber: Wir müssen mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten den Menschen aufzeigen, dass sie die Region nicht notwendigerweise verlassen müssen, um eine gute Arbeitsstelle zu bekommen. Es gilt das Klischee, dass man den Bayerischen Wald verlassen muss, um beruflich etwas zu erreichen, endlich aus der Welt zu schaffen.
Personalmangel II: „Flüchtlinge sind nicht die ultimative Lösung“
Welche Chance bieten in diesem Zusammenhang die Migranten?
Haugeneder: Flüchtlinge in die hiesige Arbeitswelt zu integrieren, ist ein langer und steiniger Weg. Zunächst einmal müssen essentielle Dinge wie Sprache und allgemeine Integration abgearbeitet werden, bevor man Geflüchtete als vollwertige Arbeitskräfte sehen kann. Es gibt Erfolge, keine Frage. Dennoch sind Flüchtlinge nicht – wie oft lapidar dahergesagt – die ultimative Lösung des allgemeinen Personalmangels. Unterm Strich gibt es die eine große Lösung für das Problem des Personalmangels nicht. Um wieder mehr Arbeitsplätze besetzen zu können, müssen viele Dinge zusammenspielen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die AuA 2018.
Interview: Helmut Weigerstorfer