FRG/Alpen. „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe allein. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“ Dieses afrikanische Sprichwort schrieb sich die Gruppe des Kreisjugendrings Freyung-Grafenau im Rahmen ihrer neuntägigen Alpenüberquerung, die sie vom Ufer des Königssees bis zu den Drei Zinnen in den Dolomiten führte, auf ihre Fahnen. Eine Tour, die es in sich hatte – und die 21 Teilnehmer vor eine große Herausforderung stellte. Doch mit unbändigem Willen und Teamgeist, mit der Freude am Wandern und dem großen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe schafften es die wackeren Waidler schließlich bis ans Ziel. Was bleibt, sind viele atemberaubende Eindrücke von Natur und Landschaft, zahlreiche Momente der Freundschaft und der Zusammengehörigkeit – sowie das Gefühl, etwas wahrlich Einmaliges geschafft zu haben. Genauso wie die Erkenntnis, dass drobn aufm Berg a jeda gleich ist…
Anreisetag: Was da wohl auf uns zukommt?
Vermutlich dachten sich am Samstagmorgen alle potenziellen Alpenüberquerer das Gleiche: Endlich ist es soweit! Wir sind in Grafenau mit dem Bus gestartet und haben dann alle restlichen Teilnehmer und Betreuer in Freyung und Waldkirchen eingesammelt. Dies verlief beinahe reibungslos – abgesehen von diversen Blechschäden am Auto unseres geistlichen Beistands Matthias Grillhösl, dessen Wagen mit unserem Reisebus erste „Bekanntschaft“ machte… Bereits während der Fahrt nach Berchtesgaden war die Stimmung ausgelassen, wenn auch in so manchen Gesichtern und Gesprächen die Anspannung in Bezug auf das, was da die nächsten Tag auf uns zukommen mochte, klar erkennbar war.
In Berchtesgaden angekommen, besichtigten wir zunächst das „Haus der Berge„, um die Besonderheiten des dortigen Nationalparks kennenzulernen und die ersten Vergleiche zum heimischen Nationalpark Bayerischer Wald anzustellen. Das beeindruckende Informationsangebot über Flora und Fauna gab bereits in Miniaturansicht die Vielfalt der Alpenregion wieder – und verschaffte uns erste Einblicke darüber, was uns schon bald „in echt“, draußen in der Natur, erwarten würde.
Kompetent eingewiesen wurden wir sowohl durch das Personal als auch durch unseren eigens mitgebrachten Berg- und Reiseführer Franz Uhrmann, so dass wir im Anschluss gut gerüstet – nach dem Check-In in unsere Schönauer Pension – zum gemütlichen Nachmittagskaffee am Ufer des Königssees übergehen konnten. Ein Bummel über die Seestraße, in deren Läden die letzten Besorgungen erledigt wurden, durfte dabei nicht fehlen. Nach dem Abendessen tauschten wir uns über unsere Erwartungen an die kommenden Tage aus. Dem Regen trotzend ließen wir die letzten Stunden vor der Nachtruhe noch auf dem zur Dachterrasse umfunktionierten Balkon des „Lofts“ gemeinsam ausklingen.
Simone Firla
Etappe 1: Nach dem Regen folgt der Schnee
Dann ging’s endlich los – die Spannung am Vorabend war spürbar gewesen. Aufstehen um 6, Frühstück um 7, um 8 Uhr fuhr das Boot am Schönauer Königgsee-Ufer los und brachte uns – im Beisein einer illustren Berchtesgadener Trachtengruppe – übers Wasser nach St. Bartholomä, von wo aus unsere erste Etappe starten sollte.
Etwas Schonzeit bekamen wir allerdings vorerst noch: An der Infostelle trafen wir auf Daniela Kilian, eine Mitarbeiterin des Nationalparks Berchtesgaden. Da unser Startpunkt inmitten des Schutzgebiets lag und wir auch in Österreich noch den Nationalpark Hohe Tauern wandernden Fußes besuchen würden, bekamen wir von ihr eine interessante Unterweisung dargeboten. Die Nationalpark-Kernzone steht – genauso wie diejenige seines Pendants im Bayerwald – unter dem Motto „Natur Natur sein lassen“, das heißt: Es wurde ein Gebiet geschaffen, in dem natürliche Prozesse möglichst ohne menschliche Eingriffe ablaufen können. Neben dem Naturschutz gehören zu den weiteren NP-Schwerpunkten die Bildungsarbeit, die Forschung sowie das Themenfeld des Tourismus und der Erholung.
Im Anschluss daran gab es keinen Aufschub mehr – vor uns lagen die ersten 1.250 Höhenmeter und zwölf Kilometer Fußmarsch bis zu unserem Ziel, dem Kärlingerhaus am Funtensee. Der Regen begleitete uns vom ersten Schritt an – und wir konnten bereits von unten sehen, was uns oben erwarten würde: Jede Menge Schnee. Nach relativ flachem Beginn entlang des Königssee-Ufers erfolgte dann auch schon der erste steilere Anstieg, so dass bei Pause Nummer eins an einem imposanten Wasserfall die so manche Kleiderschicht aufgrund des übermäßigen Schweißtreibens sogleich ausgezogen wurde…
Die berüchtigste Stelle dieser Etappe wartete aber noch auf uns: Die sogenannte Saugasse, ein Höhenweg mit mehr als 30 Serpentinen, die sich über 500 zu überwindende Höhenmeter bergauf dahinschlängelten. Trotz der Steile hatten einige von uns noch genügend Luft, um das Lied „Mein Tiroler Land“ anzustimmen, die Hymne Tirols. Ein Lied, das für gute Unterhaltung sorgte, die Anstrengung somit zu überwinden half – und das sich im Laufe der Tour zum immer wiederkehrenden Gassenhauer entwickeln sollte. Nach der Saugasse ging’s mäßig ansteigend weiter – und nach einer weiteren Stunde durch den knöchelhohen Neuschnee präsentierte sich uns nach der Begegnung mit einer Herde Schafe sowie den ersten Murmeltieren mit dem Kärlingerhaus das Ziel unserer Tagesetappe.
Dort angelangt, war die Waidlerguppe froh darüber, endlich aus den feuchten Schuhen und nassen Kleidern herauszukommen und diese zum Trocknen aufzuhängen. Sogleich bezogen wir im kuscheligen Bettenlager unser Quartier – wir alle waren im selben 40-Mann-und-Frau-Lager untergebracht, so dass die Ohropax gleich neben der „üppigen“ 70-cm-Matratze für die Nacht gebunkert wurden. In der mit Kachelofen geheizten Stube des Hauses konnten wir uns dann noch bei Kaffee, Tee und Weißbier aufwärmen bzw. erfrischen, bevor sich beim Abendessen (Gulaschsuppe, Linseneintopf und weitere Schmankerl) alle für den nächsten Tag stärken konnten.
Zu Tisch trafen wir auf drei Gruppen, die sich ebenfalls auf Alpenüberquerung befanden und die wir die nächsten Tage noch des Öfteren antreffen sollten. Die Stimmung in der Schutzhaus-Stube war nach dem gelungenen Debüt ausgelassen bis euphorisch, die Müdigkeit machte sich jedoch sehr bald breit, so dass der Großteil (der „harte Kern“ hing noch eine Stunde dran) gegen 21 Uhr Richtung Lagerplatz verschwand, um am nächsten Tag pünktlich und voller Tatendrang um 5 Uhr aus den Federn zu steigen.
Carina Mnich
Etappe 2: Hoch hinaus – und steil hinab
Am Morgen der zweiten Etappe ging es schon sehr früh los: Um 6.30 Uhr machten wir uns – noch etwas verschlafen dreinschauend – auf den Weg hinunter zum Funtensee und sogleich wieder hinauf in Richtung Riemannhaus. Beim ersten Aufstieg gab es für uns Wanderer einen herrlichen Sonnenaufgang über dem Alpenkamm zu beobachten. Daraufhin durchquerten wir das Steinerne Meer, das größtenteils von Schnee bedeckt war. Wunderschöne Aussichten u.a. auf die Schönfeldspitze, das Breithorn und den Sommerstein erleichterten uns den Weg, der oben am Schutzhaus mit einem sensationellen Panorama-Blick auf die Alpenkette gekrönt wurde.
Nach einer kleinen Stärkung ging es über 1.000 Meter wieder hinunter ins Tal nach Maria Alm, wobei uns anfangs der Schnee Probleme bereitete – Trittsicherheit und gutes Augenmaß waren hierbei gefragt, um auf dem teils gefrorenen Untergrund nicht auszurutuschen. Ein Abstieg, der es an so mancher Stelle in sich hatte – und vor allem denjenigen, die nicht ganz schwindelfrei bzw. ohne Höhenangst voranschritten, zu schaffen machte.
Doch wir alle sind letztlich heil unten angekommen, wo wir von einem Bus abgeholt wurden, der uns zum nächsten Ausgangspunkt transportierte. Bei unserem eingangs bereits erwähnten „Glück“ mit Bussen baute unser Fahrer auch sogleich einen kleineren Unfall mit einem Traktor: Blechschaden ohne Verletzte! Wir kamen mit dem Schrecken davon.
Nach einer kleinen Gasthof-Pause mit Kaiserschmarrn und Himbeereis führte uns der restliche Weg der Tagestour zunächst durch ein relativ handsam ansteigendes Tal mit idyllischen Pferdeweiden und gemächlich dahinmeandernden Wildbächen. Erst beim Endspurt, wenige Kilometer vor der Trauneralm, unserem heutigen Nachtquartier, ging es noch einmal etwas kräfteraubender bergan. Oben angekommen, erwartete uns ein „Empfangskommitee“, wie wir es uns nicht besser hätten erträumen können: Vor der Hütte hatten es sich bereits jede Menge Flaschen Radler, Limo und Wasser im eisgekühlten Nass des Hausgrands bequem gemacht, um von uns durchgeschwitzten Wanderern genüsslich und wohlverdientermaßen geleert zu werden. Für viele ein Moment der Glückseligkeit!
Wohl gestärkt durch ein festliches Mahl (u.a. gab’s Schnitzel mit Kartoffelsalat) fielen dann die meisten nach der allabendlichen Reflexionsrunde in die weichen Kissen der Buben- und Mädchenlager.
Maria Obermaier
Etappe 3: Wenn Waidler auf ungestapften Wegen wandeln
Am vierten Tag wurden wir um 5 Uhr morgens von herumflatternden Fledermäusen in unseren Schlafgemächern geweckt. Sie waren sogar bis nach unten ins Esszimmer gelangt, wie wir später beim Frühstück teils mit Schrecken feststellten. Solche Tiere bekommt man wahrlich nicht alle Tage aus so kurzer Distanz zu sehen. Doch sie waren – Gott sei Dank – friedlich gestimmt und störten uns nicht weiter. Wir frühstückten ausgiebig mit warmen Semmeln, Müsli und sogar Kuchenstücken – und starteten schließlich um 6 Uhr unsere dritte Tagesetappe.
Mit zunehmenden Höhenmetern fiel dann auch die Schneemenge immer üppiger aus. Als wir den Gletscher des Großen Wiesbachhorns erreichten, ging uns das weiße (Un-)Glück teilweise schon bis zu den Knien. Der markierte Weg war nicht mehr sichtbar – und so mussten wir uns kurzerhand selbst den Pfad hinauf zur Pfandlscharte „erstapfen“. Erfreulicherweise verfügte unsere Gruppe über ausreichend kräftige wie ausdauernde junge Männer, die sich abwechselnd an der Spitze der Waidler-Karawane durch den Schnee kämpften.
Nach dem rund fünfstündigen Aufstieg kamen wir schweißgebadet, aber glücklich an der Pfandlscharte auf 2.665 Metern über dem Meer an. Das Gipfelkreuz-Foto war eines der schönsten der gesamten Tour. Viele lagen sich in den Armen und gratulierten sich zu dieser beachtlichen „Schneeräum-Aktion“. Von dort oben konnten wir dann entzückter- wie empörtermaßen zugleich dabei zusehen, wie sich die Gruppen nach uns schön gemütlich den von uns getrampelten Weg zu Nutze machten – und somit ohne größere Anstrengungen ebenfalls den Gipfel erreichten. Selbst Alpin-Legende Sigi Hupfauer wandelte auf unseren Pfaden der von ihm geführten Truppe voraus, was uns dann auch ein bisschen mit Stolz erfüllte.
Um dennoch den Lohn für unsere Mühen von unseren immer wieder aufkreuzenden Weggefährten zu erhalten, fassten wir den Entschluss, den fälligen Tribut beim allabendlichen Zusammentreffen in der Unterkunft in Form von Kaltgetränken einzufordern. Ein Plan, der aufging: Sogar aus den Händen von Mount-Everest-Bezwinger Hupfauer, der sich mit seiner Gruppe in der kommenden Nacht das Schlafquartier mit uns teilte, bekamen die fleißigsten „Schneebahner“ unter uns ein Gösser-Bierchen mit Schaumkrone überreicht. Somit hat sich der hart erkämpfte Aufstieg als vorauseilende Gruppe durch den Schnee doch noch gelohnt.
Doch zurück zur Tour: Von der Pfandlscharte aus führte unser Weg vorbei am gigantischen Großglockner-Panorama hinunter zum Glocknerhaus, wo wir am Nachmittag bei besten äußeren Bedingungen mit viel Sonnenschein und blauem Himmel aufschlugen. Das Schutzhaus lag direkt an der bekannten Großglockner Hochalpenstraße – und so bekamen wir nach vier ruhigeren Tagen im alpinen Gelände wieder motorisierte Vehikel und noch mehr Touristen zu sehen. Das Glocknerhaus war relativ gut, ja nahezu luxuriös ausgestattet – und nach einer warmen Dusche genossen wir das sonnige Wetter auf der Terrasse.
Das Abendessen schmeckte vorzüglich: Zur Auswahl standen Zucchinisuppe, Chili con Carne bzw. Gemüsereis sowie süßer Grießbrei. Und um unsere doch schon recht strapazierten Muskeln, Sehnen und Bänder etwas zu entspannen, legten wir im Anschluss noch eine von Anne aus dem Betreuerteam angebotene Übungsstunde ein. Einige bereuten diesen Schritt jedoch sofort wieder, da ihnen schnell klar wurde, wie unbeweglich sie zu diesem Zeitpunkt immer noch waren. Für reichlich Lacher war jedenfalls gesorgt. Der Abend klang dann recht gemütlich bei den oben bereits erwähnten Gratis-Bierchen aus, das wir fürs Schnee-Spuren von den anderen Leidgenossen erhielten. Bettruhe für die Letzten: 23 Uhr.
Anna Haslbeck
Etappe 4: Heimatabend im Schatten des Großglockners
Heute war zum ersten Mal auf unserer Tour so etwas wie „Ausschlafen“ angesagt, da wir das Frühstück erst um sieben und nicht – wie gewöhnlich – um halb sechs Uhr kredenzt bekamen. Eine halbe Stunde später brachen wir nach einem kurzen Gruppenselfie dann auch schon wieder auf: Die Tour führte uns – stets im „Schatten“ des Großglockners und der Pasterze marschierend – zunächst ein Stück weit bergab zum Matrizenstausee, den wir kurz entlang gingen.
Danach forderte uns der Aufstieg zum sog. Wiener Höhenweg, der vom Glocknerhaus aus betrachtet weitaus steiler aussah, als er dann tatsächlich war. Im Vergleich zu dem tags zuvor erfolgten „Waten“ durch die knietiefen Schneeschichten hinauf zur Pfandlschafte präsentierte sich dieser Abschnitt dann doch eher als gemütlich. Gegen eine kleine Verschnaufpause auf der Oberen Stockerscharte (2.501 m) hatten die meisten von uns trotzdem nichts einzuwenden. Dort pirschte sich schließlich ein neugieriges Murmeltier, das keinerlei Menschenscheu zeigte, zentimeternah an uns heran, woraufhin alle begeistert ihre Fotoapparate und Handys zückten.
Der Wiener Höhenweg, auf dem es nur leicht bergab und bergauf ging, eignete sich recht gut dafür, um relativ gemächlich dahinzuwandern, die Aussicht zu genießen und sich mit seinen Weggefährten zu unterhalten. Landschaftlich erinnerte unsere Umgebung zunächst an Gebirgsketten in Schottland, Irland oder Neuseeland – ein Hauch von „Herr der Ringe“ lag in der Luft.
Bei der Salmhütte machten wir erneut Rast, um dem Blick auf den Großglockner zu frönen. Wenig später, nach einem etwas kniffligeren Anstieg über eine Art „Himmelstreppe“ sowie einer ausgiebigen Foto-Session mit dem höchsten Berg Österreichs im Hintergrund, erreichten wir schließlich die Glorer Hütte, von wo aus der lange Abstieg zum Lucknerhaus erfolgte. Das Wegstück bergab verlief für viele alles andere als entspannend – nach einiger Zeit meldeten sich die Knie – und der Wunsch endlich unten anzukommen wuchs stetig.
Im Lucknerhaus kehrten wir auf ein Eis und Kaiserschmarrn ein, um unsere Kräfte für den letzten Aufstieg an diesem Tag zu sammeln. Doch dies gestaltete sich trotz Pause äußerst schwierig – und so zogen sich die rund 300 Höhenmeter hinauf zur Lücknerhütte, unserem Quartier für diese Nacht, dann doch etwas in die Länge. Mit aufmunternden Worten und dem Singen von Heimatliedern schafften wir schließlich auch noch dieses letzte Stück unserer Etappe. Und es hat sich wahrlich gelohnt, denn: Vor zwei Jahren erst wurde die Hütte renoviert, es gab eine kostenlose, warme Dusche, moderne Zimmer mit bequemen Betten – und die Wirtsleute waren herzensgute, gesellige Menschen.
Auch beim Essen gab es nichts zu meckern: Während viele Luftsprünge ob des Schweinsbratens mit Knödel und Sauerkraut machten, genoss die Fleischlos-Fraktion die schmackhafte Gemüse-Lasagne. Zum Höhepunkt des Tages durften wir uns glücklich schätzen, dass die Wirtsleute eine Steirische Harmonika ihr Eigen nannten, wodurch unsere Zusammenkunft zum waidlerisch-tirolerischen Heimatabend „ausartete:“ Denn unser Florian spielte ein zünftiges Lieblingslied nach dem andern – und die Gruppe sang, tanzte und klatschte mit. Die Stimmung hätte nicht besser sein können. Die Betten zur Nachtruhe ebenso.
Sarah Kreuzer
Etappe 5: Wie vom Blitz getroffen…
Nach dem reichhaltigen Frühstück in der Lucknerhütte ging es nach dem obligatorischen Gruppenselfie früh morgens wieder talwärts zum Lucknerhaus, wo um 8 Uhr bereits ein Bus zur Weiterfahrt zum nächsten Ausgangspunkt für unsere Tagesetappe auf uns wartete.
In St. Jakob in Defereggen brachten uns Gondel und Sessellift erneut hinauf ins Hochgebirge. Der Tag war neblig, jedoch anfangs noch trocken. Das ständige Nebelziehen bot uns ein herrliches Naturschauspiel. Als wir über das kleine Degenhorn schritten, überraschte uns am höchsten Punkt des Bergkamms ein Gewitter, das Blitz, Donner und Hagel mit sich brachte. Eine wahrlich nicht ungefährlich Situation. Trotz dem großem Respekt vor der Naturgewalt konnten wir Ruhe bewahren – stiegen dann aber doch etwas schneller als sonst, ja fast wie vom Blitz getroffen, den Berg hinab.
Das Unwetter schien zum Glück schnell vorübergezogen zu sein – und wir machten kurz darauf eine kleine Pause, um uns zu stärken und zu erholen. Als wir wieder aufbrachen, überraschte uns der nächste Hagelschauer, dessen weiße Körner wir merklich zu spüren bekamen. Nach etwa 20 Minuten ging der Graupel in Regen über, der die ganze restliche Wanderung über unser Begleiter bleiben sollte. Trotz Regenkleidung waren wir am Ende der Wanderung alle bis auf die Unterwäsche durchnässt und durchfroren. Und heilfroh darüber, dass uns nichts Gröberes zugestoßen war…
Drunten im Tal hatten wir auf den Bus für die Weiterfahrt zur Jugendherberge, wo wir an diesem Abend über Nacht bleiben sollten, zu warten. Ein Teil der Gruppe wärmte sich währenddessen bei einer heißen Schokolade in der nahe gelegenen Almwirtschaft auf, der andere wechselte die Kleidung.
Kurz nachdem wir die Jugendherberge „Schwarzer Adler“ in Sillian im Hochpustertal erreicht hatten, suchten einige von uns den gegenüberliegenden Supermarkt auf, wo wir u.a. Tageszeitungen kauften – jedoch nicht, um Aktuelles aus der Welt zu erfahren, sondern um die nassen Schuhe damit auszustopfen. Vor dem Abendessen wurden die durchnässten Klamotten zum Trocknen auf dem Balkon verteilt, wo die Sonnenstrahlen ihr Übriges taten.
Nach dem Essen saßen wir alle gemeinsam beisammen, um die heutigen Geschehnisse noch einmal Revue passieren zu lassen. Das Gewitter stellte für jeden eine Erfahrung der besonderen Art dar. Aufgrund der nicht ungefährlichen Situation und der Wettervorhersage wurde kurzerhand vereinbart, den Weg am nächsten Tag nicht im Hochgebirge fortzusetzen, sondern in niedereren und sichereren Gefilden Richtung deutsch-italienische Grenze zu wandern. Bei gemeinschaftlichem Kartenspiel und der ein oder anderen Sigi-Hupfauer-Gedächtnis-Halben ließ die Mehrheit von uns den Tag entspannt im Barbereich des „Schwarzen Adlers“ ausklingen, um nach entsprechender Nachtruhe wieder für den nächsten Morgen gestärkt zu sein.
Felix Selwitschka
Etappe 6: Auf dem Fahrradweg hinein in die Dolomiten
Unser aller Hoffnung bestand an diesem Morgen darin, dass unsere Schuhe und Kleidung über Nacht getrocknet waren. Und ja: Wir hatten Glück! Das Meiste war weniger feucht als am Vortag… Nach dem heutigen Frühstück bekamen wir als Gruppe von unseren Betreuern die Aufgabe gestellt, eigenständig anhand einer Karte den Weg über die Grenze nach Südtirol zu finden und zu planen. Ein Unterfangen, das uns nach dem überstandenen Wetter-Fiasko von gestern Abend mit Leichtigkeit gelingen sollte…
Die Vorderen marschierten mit der Karte in der Hand voraus – der Rest folgte unauffällig durch die relativ ungewohnte, weil felslose und nicht hochgebiergige Landschaft. Die Entscheidung, heute nicht noch einmal hinauf auf über 2.500 Meter zu gehen und die risikoärmere Variante vorzuziehen, war jedenfalls die richtige. Denn die schwarzen Wolken auf den Bergkämmen verhießen erneut nichts Gutes…
Wir verließen somit Sillian, vorbei an einigen Berghöfen, Gebirgsbächen und Weideflächen, bevor es kurz vor der Grenze zu Südtirol auf dem dortigen Fahrradweg dann doch recht flach wurde – und wir ein letztes Mal voller Innbrunst „Mein Tiroler Land“ anstimmten. Der Regen war von da an unser nahezu steter Begleiter auf der Asphaltbahn – auch wenn er zwischendurch dann doch immer wieder mal für ein paar Minuten aussetzte – und wir unsere Regensachen, die wir zuvor mühsam übergeworfen hatten, wieder in den Rucksack stopften.
In Innichen in der Dolomitenregion „Drei Zinnen“ relativ entspannt angekommen, genossen wir erstmals auf der Reise italienischen Kaffee und Capuccino – bis es mit dem Bus weiterging durchs Pustertal, zur Talstation Rotwand. Von hier aus teilten wir uns auf: Die, die noch fit waren, gingen zu Fuß hinauf zur Rotwandwiesenhütte auf 1924 Meter, unserem Domizil für die kommende Nacht. Die anderen fuhren mit der Gondel,hinauf. Die meisten der Bergauf-Wanderer gaben ihre Rucksäcke den Gondel-Fahrern mit, sodass das Gehen gleich etwas leichter fiel. So ging es nochmal ca. 550 Höhenmeter über Skipisten und Waldwege zum Schutzhaus hinauf. Frisch geduscht wurde in der Gaststube Karten gespielt, gegessen und getrunken. Um zehn Uhr hieß es dann bei aufziehendem Nebel und Regen: Gute Nacht! Die Vorfreude aufs große Finale am nächsten Tag war spürbar…
Elisabeth Fuchs
Etappe 7: Grande Finale bei der Auronzohütte
Nach dem Zusammenpacken unserer Sachen marschierten wir zunächst alle gemeinsam wieder vom Berg ins Tal zurück – den Regen an unserer Seite. Unten wartete bereits der Bus, der uns nach Toblach beförderte, wo wir nach einem kleinen Regenschauer Unterschlupf in einem Café suchten – und wo wir auch die Zeit bis zur Abfahrt unseres Anschlussbusses mit einer bekömmlichen heißen Schokolade überbrücken konnten.
Nach dieser „heißen Schokoladenpause“ wurde das Wetter wieder sonnig und angenehm – und wir machten uns erneut auf den Weg zur Bushaltestelle, an der uns der Busfahrer nach einer kleinen Verzögerung aufgrund des offenbar recht-willkürlich zusammengestellten Fahrplans leicht genervt einsteigen ließ und uns zum nächsten Ausgangspunkt im Dolomiten-Gebirge transportierte. Wie sich schnell herausstellte, war der Italiener am Steuer ein echter Heißsporn, der uns wild-gestikulierend und dabei ständig telefonierend auf nahezu halsbrecherische Weise die Serpentinen hinaufgondelte… Jaja, mit den Bussen hatten wir nie so recht Glück auf unserer Alpentour…
Angekommen am Parkplatz waren alle erleichtert darüber, diese Höllenfahrt heil überstanden zu haben. Wir gingen frohen Mutes los in Richtung Auronzohütte bei den Drei Zinnen, dem lange ersehnten Ziel unserer Alpentour. Recht knackig führte uns der Weg noch einmal hinauf in die Sextner Dolomiten auf 2.333 Meter über dem Meer. Während des Aufstiegs änderte sich die Wetterlage immer wieder zwischen Nebel und Regen, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat.
Nach all der Schinderei den Berg hinauf hatten wir schließlich unsere Schutzhütte erreicht – und auch die letzte Etappe mit Bravour gemeistert. Wir lagen uns alle in den Armen, gratulierten, drückten und herzten uns gegenseitig. Wir waren erleichtert – und doch auch etwas betrübt, da wir die Drei Zinnen aufgrund des dichten Nebels und des leichten Nieselregens in diesem Moment des Hochgefühls nicht zu Gesicht bekamen…
Nachdem wir unsere Unterkunft bezogen hatten, ging’s für einige von uns zunächst unter die Dusche – wobei die Bezeichnung „Akkord-Duschen“ hier wohl recht treffend war, denn: Aufgrund der begrenzten und nicht kostenlosen Wassermenge ließen wir die Tropfen quasi im fliegenden Wechsel auf uns herniederprasseln…
Im Anschluss saßen wir alle im „Restaurant“ beisammen, tranken unser „Siegerbier“, aßen zu Abend und ließen in einer teils spannenden wie teils emotionalen Reflexionsrunde noch einmal den Tag sowie die gesamte Alpenüberquerung Revue passieren. Und ja, wir waren durchaus in Feierlaune, weshalb wir bis zum Schluss im Gastraum sitzen blieben – und sogar noch auf den Zimmern in die „Verlängerung“ gingen…
Verena Freund
Abreisetag: Eine Woche Bergglück mit echt feinen Leuten
Es ist bestimmt keinem fremd, dieses traurig-melancholische Gefühl, wenn sich wunderschöne und mit unzähligen Eindrücken erfüllte Tage dem Ende zu neigen. Und es hätte wohl kein besseres Wetter zu dieser Stimmung gepasst als jenes, das uns am frühen Morgen unseres Abreisetags auf unserer letzten Wanderung zu den riesigen drei Steintürmen begleitet hatte: Es regnete – und der Nebel hüllte die Berge um uns herum in ein gespenstisches Kleid.
Mit Stirnlampen und Regenkleidung ausgerüstet führte uns der rund einstündige Weg vorbei an der Lavaredo-Hütte zum Paternsattel hinauf 2.454 Meter Seehöhe, dabei stets in der Hoffnung voranschreitend, unser ersehntes Ziel, das wir seit dem Tourenstart am Königsee vor Augen hatten, vielleicht doch noch bewundern zu können.
Und der Gott der Berge meinte es am Ende doch noch gut mit uns: Wir, die Teilnehmer der Alpenüberquerung und – wie mit Fug und Recht behauptet werden darf – eines der tollsten Wanderteams des Landkreises Freyung-Grafenau standen vor den Drei Zinnen, deren Konturen sich majestätisch im ersten Lichte der Dämmerung vor uns erhoben und uns, die wir um 5 Uhr morgens noch einmal aus unseren Lagern gestiegen waren, einen krönenden Abschluss bescherten. Es war ein emotionaler, ein berührender Moment. „Iatz hamma do!“
Das Fazit unserer Reise: Neben den unglaublichen Eindrücken jener wunderbaren Naturlandschaft werden einem vor allem die Menschen in Erinnerung bleiben, die dieses große Abenteuer mit einem geteilt haben. In diesen unvergesslichen neun Tagen wurden Freundschaften geschlossen. Wir haben miteinander gelacht, geschwitzt, gelitten und triumphiert.
Mit all diesen Erlebnissen konnten wir uns auf den Weg „hoam en Woid“ machen: Zunächst ging es mit dem Bus durch Süd- und Osttirol, an manchen durchwanderten Tälern vorbei, bis wir zum Flughafen in Salzburg gelangten, von wo aus wir nach einer Stärkung in Richtung Waldkirchen, Freyung und Grafenau weiterfuhren und schließlich gesund und glücklich wieder zu Hause ankamen. Hinter uns lag eine Woche Bergglück mit echt feinen Leuten. Danke an all die Verantwortlichen, die dieses geniale Unterfangen möglich gemacht haben.
Flori Köhl
Stephan Hörhammer/da Hog’n
Die glorreichen 21: Elisabeth Fuchs, Max Schricker, Bastian Stockinger, Stephan Hörhammer, Simone Firla, Anna Haslbeck, Florian Köhl, Matthias Kreuzer, Sarah Kreuzer, Christian Schreiner, Ramona Schreiner, Felix Selwitschka, Verena Freund, Maria Obermaier, Joseph Rodler, Maria Valentin, Matthias Grillhösl, Martin Wagner, Carina Mnich, Franz Uhrmann, Anne Krumpp.
Ein großer Dank gilt allen Sponsoren, Freunden und Förderern dieser wahrhaft einmaligen Aktion. Die Alpenüberquerung des KJR FRG wurde zudem vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert.
Offizielle Hahstags der Alpentour: #waidlerintehmountains und #kjralpencross
Fotos: Stephan Hörhammer/Martin Wagner