Die „Trans Bayerwald“ führt auf einer Süd- und einer Nordroute auf insgesamt 700 Kilometern und über fast 17.000 Höhenmeter einmal hoch und wieder runter durch den gesamten Bayerischen Wald. Sie ist somit die längste Mountainbike-Reiserunde Deutschlands und verbindet alle Mountainbike-Regionen im Woid miteinander.
Ein Großprojekt, das zeigt: Radeln im Bayerwald boomt. Was das für den Tourismus, die Einheimischen und für viele kleinere Projekte wie Trails und Bikeparks bedeutet, beleuchtet das Onlinemagazin da Hog’n in einer kleinen Serie rund ums Thema „Radeln im Woid“. Im zweiten Teil stellen wir eine eingeschworene Gruppe heimischer Radler vor.
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Waldkirchen. Sie fahren die gesamten 365 Kilometer der Transbayerwald-Nordroute mit ihren 8.300 Höhenmetern innerhalb von 36 Stunden. Sie bezwingen die Quälspaß-Strecke von Neureichenau auf den Dreisessel am Tag des Sports in rund 35 Minuten. Sie treffen sich zu Rennrad-Sonntagsausflügen durch den halben Bayerwald. Sie sitzen pro Jahr hunderte Stunden auf dem Sattel und legen über 10.000 Kilometer zurück. Die Rede ist nicht von Radprofis, sondern von einer ganzen Gruppe radverrückter Bayerwäldler.
Das rote Trikot ist von Weitem gut zu erkennen. Darauf stehen die Buchstaben „WCC“ geschrieben, die Abkürzung für Waidla Cycling Club. Immer mehr Mountainbiker und Rennradfahrer sind damit im gesamten Bayerischen Wald unterwegs. „Heuer habe ich 80 Trikots bestellt“, sagt Andreas Stadler begeistert.
Gemeinsam mit drei Freunden hatte er vor vier Jahren die Idee, eigene Trikots zu entwerfen und sich zu einer lockeren Radler-Gruppe zusammenzuschließen: Stadler, Stephan Schreck, Thomas Ritzer und Hubert Holzbauer waren es, die sich damals über den Rapha Cycling Club unterhalten haben, eine weltweite Radfahrer-Community. Sie funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie der Waidla Cycling Club: Wer das Trikot kauft, ist mit dabei in der Gemeinschaft und kann sich mit anderen über geeignete und weniger passende Strecken austauschen, über die besten Räder fachsimpeln und vieles mehr.
Teilnahme am „Tag des Sports“ als Initialzündung
Der Radel-Virus hat viele in Stadlers Freundeskreis schon vor Jahren infiziert: Er selbst kaufte sich 2014 sein erstes Rennrad. Und legte im ersten Jahr damit bereits mehr als 8.000 Kilometer zurück. Die Initialzündung für das intensive Hobby war aber eine Alpenüberquerung – und auch die erste Teilnahme am „Tag des Sports“ trug ihren Teil dazu bei.
„Irgendwann haben sie zu mir gesagt: Fahr doch mal mit beim Quälspaß“, erinnert sich auch Johannes Holzfurtner. 2015 war das bei ihm. Der damals 19-Jährige spielte zu der Zeit noch leidenschaftlich gerne und oft Eishockey in der Landesligamannschaft der Karoli Crocodiles. Fitness, Kraft und Ausdauer waren also vorhanden. Er schaffte die gut zwölf Kilometer lange Strecke von Neureichenau zum Dreisessel auf Anhieb in 50 Minuten und 48 Sekunden.
„Man wird von den anderen hochgezogen“
Heuer belegte Holzfurtner den dritten Platz beim Wettkampf am Fuße des beliebten Bayerwald-Bergs. In beachtlichen 35 Minuten und 32 Sekunden. Sechs Tage die Woche sitzt er mittlerweile auf dem Rad, zehn bis 15 Stunden pro Woche trainiert er neben seinem 40-Stunden-Schichtarbeitsjob in der Zahnradfabrik. Größter Unterschied zum Training eines Profis: „Ich will auch mal weggehen und was trinken“, sagt der 25-Jährige und fügt mit einem Lächeln hinzu. „Und nicht immer streng auf meine Ernährung achten.“
Mit sechs Trainingstagen ist er längst keine Ausnahme mehr im Woid. Es gibt etliche Leute in seinem Freundeskreis, die es genauso machen. Die Leistungsdichte im Bayerischen Wald sei enorm hoch, können sowohl Holzfurtner als auch Stadler bestätigen. „Das ist richtig krass. Vor allem, weil wir immer miteinander fahren“, teilt erster voller Begeisterung mit. „Man wird von den anderen hochgezogen.“
Inzwischen ist Holzfurtner Mitglied im Stieglbauer Racing Team. Aber auch für den RSV Passau geht er ab und zu an den Start. Die Trainingspläne erstellt Lars Herold für ihn, der selbst für das Team „Gesundheitspark Dreiländereck“ unterwegs ist. Auch die medizinische Betreuung übernimmt der Gesundheitspark. „Wir sind eine große Gang“, berichtet Johannes Holzfurtner und lacht. „Da mag keiner dem anderen was Böses.“ Deshalb sind die Grenzen zwischen den Teams im Bayerwald auch fließend.
Jeden Mittwoch zur Waldkirchener „Ratschrunde“
Und alle zusammen sind sie dann der „Waidla Cycling Club“. Kein Verein, sondern eine „Interessensgemeinschaft“, wie Andreas Stadler betont. „Wir wollten nicht die typischen Vereinsstrukturen haben mit wöchentlichen Trainingseinheiten und anderen verpflichtenden Aktivitäten“, sagt er. „Bei uns kann jeder jederzeit mitfahren.“ Und wenn man mal keine Lust oder Zeit hat – dann eben nicht.
In der Whats-App-Gruppe des Radclubs lesen inzwischen mehr als 120 Leute mit und informieren sich etwa darüber, wann und wo die nächste Tour geplant ist. Jeden Mittwoch trifft man sich am Waldkirchner Rathaus zur „Ratschrunde“ auf dem Rennrad: In gemütlichem Tempo geht es dann rund um die Bayerwald-Stadt.
Donnerstags ist das Tempo dann höher, die ambitionierten Hobbyradler messen sich miteinander. „Da sieht man: Wo stehe ich gerade im Vergleich zu den anderen“, weiß Johannes Holzfurtner. Mithalten kann hier nur, wer fast jeden Tag auf dem Rad sitzt. Und davon gibt es einige in Waldkirchen und Umgebung. Sie alle fahren auch regelmäßig bei Rennen mit: Der Öztaler Radmarathon über vier Alpenpässe zählt da etwa genauso dazu wie die Salzkammergut-Trophy.
„In der Region ist das Niveau unfassbar hoch“
„Und beim Tag des Sports kann mittlerweile nur noch ein Profi die Einheimischen schlagen“, ist Andreas Stadler überzeugt. „In der Region ist das Niveau unfassbar hoch.“ Johannes Holzfurtner bestätigt dies: „Wir können wirklich mithalten im Amateurbereich.“ Vor Kurzem hat er selbst sich für die Amateur-WM qualifizieren können.
Dass das Leistungslevel derart hoch ausfällt, liege zum einen daran, dass es eben eine so große Gruppe mit dem gemeinsamen Hobby Radfahren gibt. Zum anderen an den idealen Trainingsbedingungen im Bayerischen Wald: „Man kann zwanzig Minuten am Stück bergauf fahren hinauf zu den Gipfeln im Bayerischen Wald – und das schon viel früher im Jahr als zum Beispiel im Allgäu“, informiert Stadler. Die Saison dauert im Woid generell länger als in den Alpen, weil der Schnee früher schmilzt.
„Außerdem haben wir ein riesiges Netz an Forstwegen, die man mit dem Mountainbike und dem Gravelbike fahren kann“, so Stadler weiter. „Es gibt zum Beispiel unzählige Möglichkeiten, um auf den Haidel hochzukommen.“ Und auch die Straßen bieten den Rennradfahrern einiges an Höhenmetern und abwechslungsreichen Strecken mit Aussicht.
Nordroute der Transbayerwald in zwei Tagen
Ob Johannes Holzfurtner diese Ausblicke genießen konnte, als er zusammen mit drei anderen die Nordroute der Transbayerwald in zwei aufeinanderfolgenden Tagen absolvierte, darf bezweifelt werden: Mehr als 200 Kilometer am ersten Tag und fast genauso viele am darauf folgenden legten sie zurück. „Die Idee dazu ist aus Langeweile während der Coronazeit entstanden“, berichtet er mit einem Schmunzeln. Und weil es so gut geklappt hat auf der Nordroute, beschlossen er und seine Mitstreiter wenig später, auch die Südroute einmal komplett an zwei Tagen zu bewältigen. Sie sind damit wohl bisher die einzigen Bayerwald-Radler, die diese Herausforderung in so kurzer Zeit gemeistert haben.
Sabine Simon
Marathon-Radstrecken zu bewältigen: Das ist nicht das Einzige, was man mit und auf dem Rad machen kann. Andere Biker fahren lieber technisch schwierige Trails. Bergab statt bergauf ist da das Motto. Was sich in diesem Bereich um Woid so tut und wo Mountainbiker und Naturschutz aufeinanderprallen, dazu demnächst mehr im dritten Teil der Hog’n-Serie „Radeln im Woid“.