Haidmühle. „Feuersäm – Mann“ ruft mein zweijähriger Sohn und lässt das Spielzeug-Feuerwehrauto durch das Wohnzimmer flitzen. Er kennt sie bereits, die Titelmelodie einer sehr beliebten Kinderserie: „Feuerwehrmann Sam ist unser Mann!“ Die britische Animationsserie gehört zu den Favoriten seines vierjährigen Bruders…
Seit mehr als dreißig Jahren löscht Feuerwehrmann Sam bereits Brände und rettet in der Not. Doch die Serie hat sich im Laufe der Zeit ziemlich verändert: Statt Puppen in Stop-Motion spielen zu lassen, wird mittlerweile modernste Animationsfilmtechnik präsentiert. Sam bekommt von Staffel zu Staffel mehr Kollegen, tollere Fahrzeuge – und muss zu immer spannenderen Einsätzen aufbrechen.
Jederzeit und überall abrufbar: Kinder kucken via Internet
Die größte Veränderung ist aber wohl: Heute können Buben und Mädchen Feuerwehrmann Sam schauen, wann und wo sie wollen. Oder dürfen. Denn Sam ist im Internet genauso im Einsatz wie im „normalen“ Fernsehen. Dass dort nur das zu sehen ist, was gerade im TV-Programm läuft, und man nicht weiterklicken und eine andere Folge auswählen kann? Diesen Umstand kennen heute viele Kinder gar nicht mehr. Sie kucken über Kinderserien-Apps, Streamingdienste (die inzwischen 70 Prozent der 18- bis 34-Jährigen nutzen) oder Youtube. Und dort steht quasi alles zur Verfügung, was die Welt an Kinderunterhaltung zu bieten hat. Doch: Soll man sein Kind überhaupt in diese Welt hineinlassen?
Wer es schafft, Kinder von Anfang an von Handy, Tablet und Computer fernzuhalten, hält sie auch von einigen Gefahren fern. Der Passauer Kinderarzt Dr. Georg Handwerker hat sich viel mit dem Thema Mediennutzung bei Kindern beschäftigt und gibt Eltern Tipps auf Vorträgen. Er empfiehlt den Nachwuchs unter zwei Jahren gar nicht vor einen Bildschirm zu setzen, Kinder zwischen zwei und sechs Jahren maximal dreißig Minuten am Tag. Morgens, abends und beim Essen: keine Videos, sagt der Kinderarzt.
Wer zu viel Zeit vor der Glotze verbringt, der bewegt sich weniger, redet weniger mit anderen. Fernsehen ist nun mal Einwegkommunikation, die man im Sitzen oder Liegen konsumiert. Zu lange auf einen Bildschirm zu starren schadet außerdem den Augen. Kinderarzt Dr. Handwerker sagt, dass vor allem kleine, helle Bildschirme in dunkler Umgebung bei Kleinkindern die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit begünstigen.
Ausarten darf es also nicht. Aber komplett verbieten? Kindern eine Folge ihrer Lieblingsserie schauen zu lassen, kann auch bedeuten, dass die ganze Familie für ein paar Minuten eine Auszeit genießt. Wichtig ist dabei, dass die Kinder von Anfang an lernen, dass es mit dem Serien-Kucken so ähnlich ist wie mit der Schokolade: zu viel davon ist nicht gut.
Kinder sollen den richtigen Umgang mit Medien lernen
Wenn die Sonne scheint und der Spielplatz lockt, wenn spannende Expeditionen in den Wald oder Baden am See auf dem Programm stehen, dann fragt meist ohnehin kein Kind danach, ob es jetzt Feuerwehrmann Sam schauen darf. Wenn sie aber mit Fieber oder Bauchweh auf der Couch liegen, drückt wohl selten eine Mutter nach exakt dreißig Minuten den Aus-Knopf am TV-Gerät oder Tablet. Denn: Wichtiger als strenge Regeln aufzustellen ist es, den Kindern die sog. Medienmündigkeit beizubringen.
Das bedeutet, den Nachwuchs von Anfang an darauf zu schulen, dass es neben dem Handy und dem Fernseher in dieser Welt auch andere spannende Dinge gibt. Und: Dass im Internet auch viel Schmarrn – und sogar Gefährliches – auf die Kinder lauert. Sie sollen einen bewussten Umgang mit Medien erlernen. Denn sie werden – schneller als einem lieb ist – für sich selbst verantwortlich sein und Handy & Co. nutzen, wann und wie sie es wollen. Doch wenn es so weit ist, sollten sie einschätzen können, wann die Geräte zur Sucht werden, wann sie uns kontrollieren statt umgekehrt.
Bis dahin ist allerdings klar: Nicht das Kleinkind selbst, sondern die Eltern sollten entscheiden, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. Hier gilt, was auch Kinderarzt Dr. Handwerker empfiehlt: Schau hin, was deine Kinder machen. Wer einen Dreijährigen allein mit dem Tablet lässt, wird erstaunt sein, wie schnell er lernt, Apps zu öffnen und Videos zu starten…
Aber was ist geeignet? Ich selbst habe als Mutter meinen eigenen Kindern zunächst nur Clips eines ganz bestimmten Youtube-Kanals gezeigt: nämlich Kinderlieder. Warum? Die Videos hier haben eine sehr niedrige Schnittfrequenz, das heißt, dass jedes einzelne Bild für einen vergleichsweise langen Zeitraum zu sehen ist. Auf die Kinderlieder folgten dann Serien, die nah dran sind am Alltag der Kinder: Peppa, Caillou, Trotro. So wenig Action und Spannung wie möglich. Neben dem Bildschnitt und der Dramaturgie ist es vor allem die Musik, die Kinderfilme für Kindernerven besonders aufregend machen kann.
Kinderhelden schaffen es auch auf die Brotzeitdose
Irgendwann hat es dann aber auch Feuerwehrmann Sam auf unseren TV-Bildschirm geschafft. Genauso die Paw Patrol. Beide Serien funktionieren nach dem einfachsten Erzähl-Prinzip: Es gibt ein Problem, der Held der Geschichte versucht es zu lösen, es kommt zum spannenden Höhepunkt und zum Schluss wartet – es handelt sich ja schließlich um Kinderserien – immer das Happy End.
Viele der Abenteuer, die Feuerwehrmann Sam und die Paw Patrol erleben, haben genau die richtige Dosis Spannung. Es gibt allerdings auch Episoden, bei denen mein Sohn anfängt, ganz gebannt mitzufiebern. Dann schalte ich aus. Auffällig ist, dass Kinderserien im Laufe der Zeit immer spannender und actionreicher geworden sind. Ein Beispiel: In den älteren Folgen von Feuerwehrmann Sam sind die Geschichten noch ruhiger erzählt und mit abwechslungsreicherer, weniger dramatischer Musik unterlegt.
Und noch eine Veränderung sticht jedem ins Auge, der heutzutage einen Kindergarten betritt: Dort hängen Feuerwehrmann-Sam-Rucksäcke an der Garderobe, die Kinder tragen Paw-Patrol-T-Shirts oder essen aus Peppa-Wutz-Brotzeitdosen. Hinter jeder beliebten Kinderserie steht heute eine riesige Merchandising-Industrie. Auch hier gilt deshalb: Als Eltern möglichst die Oberhand behalten und den Kindern beibringen, dass zu viel Konsum nicht nur dem Geldbeutel schadet…
Kommentar: Sabine Simon