Lange Zeit habe ich gedacht, dass die schwedischen Blues Pills das Nonplusultra für fett gespielten, eingängigen, die 70er atmenden und schwitzenden, gitarren- und orgelbetonten Schweinerock mit weiblichem Gesang wären. Dabei geistert schon eine ganze Weile ein weiterer Name in diesem Genre durch den Musik-Dschungel, der aber irgendwie bislang immer an mir vorübergegangen ist: Pristine aus dem norwegischen Tromsö legen mit „Road Back To Ruin“ ihr fünftes Album vor, wovon zwei nur in ihrem Heimatland erschienen sind. Die zehn Songs haben es auf jeden Fall in sich – und dürften jeden qualitätsbewussten Hardrocker am Nacken packen und so schnell nicht mehr loslassen.
Sängerin Heidi Solheim und ihre Jungs Espen Elverum Jacobsen an der Gitarre, Gustav Eidsvik am Bass und Ottar Tøllefsen am Schlagzeug zimmern in der Dreiviertelstunde von „Road Back To Ruin“ ein rundum gelungenes Hardrock-Haus zurecht, das mit „Sinnerman“ einen Opener nach Maß vorweisen kann. Die Abgeh-Nummer fräst sich sofort ins Ohr, verweilt dort ein gutes Stück – und macht Lust auf den Rest des Albums. Direkt danach geht es mit dem Titelsong in Sachen Durchschlagkraft in die Vollen, während das mit einem düsteren und hypnotischen Refrain gesegnete „Bluebird“ in fünfeinhalb Minuten den Groove neu definiert. Heidi Solheim hat zudem eine echte Rockröhre, die sich hinter wirklich niemandem im Business zu verstecken braucht.
Immer wieder offenbaren sich psychedelische 70er-Jahre-Wurzeln
Frisch und unbeschwert, irgendwie beinahe mit jugendlicher Leichtigkeit – auch wenn die Bandmitglieder zumindest dem Bandfoto nach zu urteilen auch nicht mehr zu den jüngsten Semestern zählen -, rollt das Quartett dann weiter. „Landslide“ ist ein Rocker, der wie ein Hippie auf schlechtem Stoff durch das Blumenbeet stampft. „Aurora Skies“ hingegen ist eine psychedelisch angehauchte Ballade, die den Puls ganz automatisch runterfahren lässt. Und auch hier wird genauso wie bei den Blues Pills deutlich, dass diese Art von Musik eben einen kleinen (oder großen) Gitarren-Gott benötigt. Was bei den Schweden bis ins Vorjahr Dorian Sorriaux war, der die Band ja verlassen hat, ist bei den Norwegern Jacobsen. Der rifft, soliert und zupft sich hervorragend und motiviert durch die Songs, dass es eine wahre Freude ist.
„Pioneer“ läutet mit einem Knaller-Riff die zweite Hälfte von „Road Back To Ruin“ ein – und auch hier zeigt sich die große songwriterische Klasse der Norweger. Denn auch dieses Stück geht sofort ins Ohr – und setzt sich dort fest. Unterstützt wird das Quartett von Hansi Enzensperger und Anders Oskal, die bei zahlreichen Songs als Studio-Gäste wunderbare Hammond-Orgel-Akzente setzen – so etwa bei „Blind Spot“, mit sieben Minuten der längste Song auf dem Album, der einmal mehr die psychedelischen 70er-Jahre-Wurzeln der Skandinavier präsentiert.
„The Sober“ ist dann ein kleiner, feiner Hardrocker mit swingendem Rhythmus und einer erneut famos singenden Heidi Solheim. Ein wenig James-Bond-Flair kommt dann beim vorletzten Song auf: „Cause And Effect“ hat genau jene immer leicht dissonanten Töne, die den 007-Soundtrack stets zu etwas Besonderem werden lassen. Gemeinsam mit dem 20-köpfigen Streichorchester „The Arctic Philharmonic“ könnte man hier gut und gerne die nächste Bond-Titelmelodie hören.
Fans gutgemachter Hardrock-Musik kommen auf ihre Kosten
Den Abschluss markiert „Your Song“, das ein klassisches Lagerfeuer-Lied ist: niedlich und nur vermeintlich unauffällig schleicht sich das Stück in drei Minuten ins Langzeitgedächtnis – und man ertappt sich, dass man die Melodie noch lange danach vor sich hin summt. Fazit: „Road Back To Ruin“ sollten sich alle Freunde gutgemachter Hardrock-Musik mit deftiger 70er-Jahre-Schlagseite auf keinen Fall entgehen lassen.
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 14. April 2019
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 10
- Spielzeit: 45:02 Minuten
- Preis: ca. 28 Euro