Haidmühle. Hog’n-Autorin Sabine Simon ist seit knapp zwei Jahren Mama von Zwillingen. Eineiigen Jungs. Eine absolute Besonderheit. Nur rund 1,7 Prozent aller Geburten in Deutschland sind Zwillingsgeburten. Wiederum nur 30 Prozent aller Zwillinge sind eineiig. Das bedeutet: In ganz Deutschland kommen pro Jahr rund 4.000 eineiige Zwillinge zur Welt – bei insgesamt etwa 790.000 Geburten. Im ersten Teil unserer Hog’n-Zwillingsserie berichtet sie von ihrer Schwangerschaft und der ersten Zeit als Zwillingsmama.
„Sie hat Zwillinge. Natürlich entbunden. Und sie stillt. Eine Heldin!“ Ich kann mich noch gut daran erinnern, als mich meine Hebamme mit diesen Worten den anderen Mamas im Rückbildungskurs vorgestellt hat. Mir war das etwas unangenehm. Denn als Heldin fühle ich mich keineswegs. Irgendwie war es für mich von Anfang an normal, dass da zwei waren. Und deshalb habe ich versucht, bei den Zwillingen auch alles ganz genauso zu machen wie bei ihrem älteren Bruder. Mich nicht dadurch verunsichern und einschränken zu lassen, dass ich zwei Babys gleichzeitig bekommen habe. Zusammen mit meiner tollen Familie, die mich rund um die Uhr unterstützt, klappt das wunderbar.
Eine ziemlich normale Schwangerschaft
Dass zwei Babys in meinem Bauch heranwachsen, habe ich sehr früh erfahren. In der neunten Schwangerschaftswoche war auf dem Ultraschall-Bild ein winzig kleiner Fötus zu sehen. Und dann sagte mein Frauenarzt: „Da ist noch einer.“
Für viele Frauen geht so eine Nachricht erst einmal mit einem ziemlichen Schock einher. Gleich zwei Babys?! Was genau ich in diesem Moment gedacht habe, weiß ich ehrlich gesagt heute nicht mehr. Aber ich weiß noch, dass ich im Vorfeld des Ultraschalls eine gewisse Angst verspürte. Kurz nachdem ich erfahren hatte, dass ich schwanger bin, hatte ich nämlich eine starke Blutung. So stark, dass ich mir zunächst sicher war, dass der Freude über den positiven Schwangerschaftstest nun die Ernüchterung folgen würde. Wochenlang konnte ich nur hoffen. Ich hatte also mit der Nachricht gerechnet, dass gar kein Fötus mehr zu erkennen sei – und nun waren es sogar zwei!
Schwanger mit Zwillingen. Was ist anders? Zunächst nichts – außer den vielen neuen Begriffen, die man so lernt: Meine Jungs sind monochorial-diamnial. Das bedeutet: Sie haben sich im Mutterleib eine Plazenta geteilt, jeder von ihnen hatte aber eine eigene Fruchtblase. Die trennende Haut der Fruchtblase war wichtig: Wenn es sie nicht gibt, besteht die Gefahr, dass ein Ungeborenes sich in der Nabelschnur des anderen verheddert. Dieses Risiko bestand bei uns also nicht.
Es ist reiner Zufall, wenn die Natur eineiige Zwillinge erschafft: Warum sich die Eizelle nach der Befruchtung teilt, können selbst Wissenschaftler nicht sagen. Bei zweieiigen Zwillingen ist das anders: Hier werden zwei Eizellen unabhängig voneinander befruchtet. Je älter die Mutter, desto wahrscheinlicher ist es, dass zwei Eizellen gleichzeitig springen und befruchtet werden können. Eine Art „Torschlusspanik“ der Natur, wie man vermutet. Auch bei künstlichen Befruchtungen ist das „Risiko“ für zweieiige Zwillinge erhöht, weil meist zwei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt werden.
Zum Ende hin war der Bauch ziemlich rund
Zwillingsschwangerschaften gelten generell als Risikoschwangerschaften. Ist man mit eineiigen Zwillingen schwanger, untersucht der Frauenarzt vor allem eine Sache sehr genau: ob beide Zwillinge gleich schnell wachsen. Meine Jungs taten das: Erstaunlich ähnlich war deren Gewichtszunahme von einer Untersuchung zur nächsten. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte die Ursache das sog. „fetofetale Transfusionssyndrom“ sein können: Die Blutkreisläufe meiner Zwillinge waren durch die Plazenta verbunden, auch zwischen den Babys hat dadurch ein Blutaustausch stattgefunden. Wäre in diesem Austausch ein Ungleichgewicht entstanden, wäre ein Zwilling zu stark und einer zu wenig versorgt worden.
Meine Schwangerschaft verlief ohne solch schwere (und auch ohne leichtere) Komplikationen. Zum Ende hin war der Bauch ziemlich rund, ich hatte aber im Vergleich zu meiner ersten Schwangerschaft nur unwesentlich mehr Gewicht zugelegt. Zwillinge wachsen im Mutterleib in den ersten Wochen im gleichen Tempo wie Einlinge. Erst in den letzten Schwangerschaftswochen verlangsamt sich das Wachstum etwas.
Kaiserschnitt? Muss nicht sein!
Natürlich liest man viel über Zwillingsschwangerschaften, wenn zwei Babys im eigenen Bauch heranwachsen. Und ich habe viele Berichte über extreme Frühgeburten gefunden. Ein großer Vorteil während der Schwangerschaft war aber, dass ich nicht zum ersten Mal schwanger war. Der „große Bruder“ meiner Zwillinge ist zwei Jahre älter. Deshalb wusste ich: Alles normal, alles gut. Keine Wehen – kein Grund, mir Sorgen zu machen.
Und ich wusste: Ich habe die Kraft, auch eine schwierige Geburt zu meistern. Bei meinem ersten Sohn dauerte es 27 Stunden vom Blasensprung bis zur Entbindung. Wenn keine schwerwiegenden Argumente dagegen sprachen, wollte ich daher auch meine Zwillinge auf natürlichem Wege zur Welt bringen. Für meinen Frauenarzt dagegen war ziemlich schnell klar: Kaiserschnitt. Er sah die möglichen Komplikationen, denn einer meiner Jungs lag mit dem Po nach unten.
Ich wollte eine zweite Meinung und ließ mich im Klinikum Passau untersuchen. Der Ärztin dort war wichtig: Der „führende“ Zwilling, also derjenige, der als erster zur Welt kommen würde, lag in der 33. Schwangerschaftswoche mit dem Kopf nach unten und bereits tief im Becken. Sie erklärte, dass nach der Geburt des ersten Kindes der Geburtskanal so geweitet sei, dass eine so genannte Beckenendlage des zweiten Kindes kein großes Problem darstelle. Die Gynäkologin dürfe im Ernstfall sogar nach dem zweiten Kind greifen und es herausziehen.
Ob und wann ich einleiten lasse: Das entscheide ich als Mutter!
Sie empfahl allerdings, zu Beginn der 37. Schwangerschaftswoche ins Klinikum zu kommen und bereits dann die Geburt einzuleiten. Denn danach steige das Risiko für Komplikationen bei eineiigen Zwillingen mit nur einer Plazenta. Eine Geburt also bereits vier Wochen vor dem Geburtstermin? Ich war skeptisch, ob das wirklich nötig sei. Meine Babys würden dann noch als Frühgeburt gelten. Für mich stand fest: Ich komme zur Untersuchung, lasse mich aber zu nichts drängen. Denn nach wie vor ging es mir gut – und die Zwillinge entwickelten sich wunderbar in meinem Bauch.
Als ich meinem Frauenarzt vom Termin im Klinikum berichtete, sagte er: „Dann werden die Ärzte in Passau sie ja einleiten, dann sehen wir uns nicht mehr vor der Geburt.“ Ich lachte und entgegnete: „Ob und wann ich einleiten lasse, das entscheide ich.“ Und so kam es auch: Als ich im Klinikum sagte, dass ich noch eine Woche warten möchte und erst dann entscheiden möchte, ob wir einleiten, widersprach niemand.
Eine Woche später fuhren wir erneut ins Klinikum. Es war der Beginn der 38. Schwangerschaftswoche – und ich war mir ziemlich sicher, dass ich heute hier bleibe. Ich spürte bereits immer wieder leichte Wehen. Ich dachte: Mein Körper und meine Babys sind bereit, sie wollen raus. Heute einleiten zu lassen, bedeutete für mich zudem die Sicherheit: Ich bin hier im Klinikum, wenn es richtig losgeht und nicht eine Stunde Fahrzeit entfernt. Denn bei Zwillingen – noch dazu, wenn man zuvor bereits eine natürliche Geburt hatte – kann es schnell gehen, prophezeite mein Frauenarzt…
Und plötzlich ging alles ganz schnell…
Bei der Untersuchung im Klinikum stellte die Ärztin fest: Beide Zwillinge liegen nun mit dem Kopf nach unten. Söhnchen Nummer zwei hat es geschafft, sich dicht gedrängt neben seinem Bruder noch in die perfekte Geburtslage zu drehen. Und der Muttermund sei bereits zwei Zentimeter geöffnet. Ich staunte: Durch die kaum spürbaren Wehen? Bei meiner ersten Geburt haben mich diese zwei Zentimeter stundenlange Schmerzen gekostet…
Mittags schluckte ich eine Tablette, die die Wehentätigkeit anregen soll. Nach der ersten, sehr geringen Gabe passierte noch nichts. Nach der zweiten Tablette am Nachmittag entschieden wir: Statt Abendessen im Krankenhaus gönnen wir uns noch einen Spaziergang in eine nahe gelegene Pizzeria. Während des Essens wurden meine Wehenschmerzen stärker. Aber noch immer kein Vergleich zur Geburt meines ersten Sohnes – also machte ich mir wenig Gedanken. Gegen halb sechs verließen wir das Restaurant.
Als ich eine halbe Stunde später im Krankenhaus die Nachrichten einschalten möchte, platzte genau in diesem Moment meine Fruchtblase. Der Schmerz war für ein paar Sekunden enorm. Ich wurde sofort von der Station in den Kreißsaal verlegt. Die Wehenschmerzen waren jetzt regelmäßig alle paar Minuten zu spüren, aber immer noch immer gut auszuhalten. Kurz vor acht bot mir die Hebamme an, den Fernseher im Kreißsaal anzustellen, damit ich nun die Nachrichten sehen könnte. Doch daraus wurde nichts, denn: Sie stellte fest, dass der Muttermund nun bereits voll geöffnet war – und holte sogleich eine Kollegin und zwei Ärztinnen mit dazu. Die Zwillinge wollten offenbar tatsächlich ziemlich abrupt heraus…
Zu viert schwirrten Ärztinnen und Hebammen um mich herum, als es plötzlich soweit war: Presswehen. Das Personal hatte Erfahrung mit Zwillingsgeburten und ich fühlte mich gut aufgehoben. Vor allem, weil plötzlich alles sehr schnell ging: Um viertel nach acht war der erste Zwilling da. Danach wollte sofort auch Nummer zwei heraus. Als die Ärztin nach seinem Kopf tastete, stutzte sie kurz, zog das Ultraschallgerät heran und stellte tatsächlich fest, dass er nun wieder mit dem Po nach unten lag. Er hatte es also tatsächlich geschafft, sich noch einmal zu drehen! Die Beckenendlage störte aber nicht weiter: Nur drei Minuten nach seinem Bruder hatte er es genauso rasant nach draußen geschafft.
Sabine Simon
Wie Sabine Simon die ersten Wochen mit zwei Babys erlebt, warum es kein Problem ist, Zwillinge zu stillen – und wann die Nerven auch mal blank liegen, erzählt sie in zweiten Teil unserer Hog’n-Zwillingsserie.
Liebe Sabine
Vielen Dank für Deinen Bericht. Ich freue mich auf die weitere Schwangerschaft, voller Zuversicht nun. Habe genug Risikogeschichten gelesen und Dein Bericht ist für die heutige Recherche ein perfekter Abschluss. Ich bin schon glücklich, dass meine erste Tochter auf natürlichem Weg in Steisslage geboren werden konnte. Das wäre toll, wenn meine kleinen Zwerge im Bauch das auch dürfen. Einfach so, wie die Natur das ausgedacht hat. Die weiss, was sie tut. Und das ist nicht nur ein Glaube. Das weiss ich ganz tief in mir drin.
Herzlich und mit Dankbarkeit
Katharina
Danke für den tollen Bericht. Sehr schön und natürlich geschrieben ohne Angst zu machen und die heldenhafte Leistung die sie (ohne Zweifel) gemeistert haben hervorzuheben. Respekt von Frau zu Frau und alles Gute für Ihre Familie:) ich bin gerade selber schwanger und habe das Gefühl dass es zwillinge sein könnten und lese daher gerade mit Begeisterung jeden zwillingsblog den ich finden kann:)