Freyung. „Sind die Zeiten vorbei, in denen Eltern ihre Kinder mit aller Gewalt ins Gymnasium gedrängt haben?“ Diese Frage versuchte jüngst die Passauer Neue Presse in ihrem Artikel mit der Überschrift „Realschule statt Gymnasium: Die Kindheit soll Kindheit bleiben„ zu beantworten. Darin durfte sich etwa Rudolf Nerl, Direktor der Gisela-Realschule in Passau-Niedernburg, zum Thema äußern und jenen Trend aus seiner Sicht bestätigen. Er beruft sich dabei auf die Anmeldungen für das kommende Schuljahr – darunter befänden sich auch Schülerinnen mit einem Schnitt von 1,0. Mit Erstaunen habe Nerl gegenüber der PNP dazu festgestellt: „Und trotzdem haben die Eltern sie für unsere Realschule angemeldet und nicht fürs Gymnasium.“
Diese Entscheidung liege u.a. darin begründet, dass „einige Eltern ihren Kindern die Schulzeit leicht machen“ und „sie nicht mit Notenstress quälen“ wollen. Die Kindheit solle Kindheit bleiben. Außerdem lasse das durchlässige Schulsystem eine spätere Höherqualifizierung locker zu. Nerl habe diese Erkenntnisse aus verschiedenen Gesprächen mit Eltern gymnasiumtauglicher Kinder erlangt, wie er in der Zeitung verlautbaren lässt.
Ansichten, die Verena Heindl und Lea Hackl, Schülerinnen des Freyung Gymnasiums, nicht so recht teilen wollen. Die beiden Neuntklässlerinnen haben sich deshalb dazu entschieden, ihre Meinung in Form eines im Rahmen des Deutschunterrichts verfassten Kommentars an die Medien weiterzureichen – so auch an das Onlinemagazin da Hog’n. Beide legen im Folgenden ihre Sicht der Dinge dar und brechen dabei eine Lanze für ihren Schulzweig:
„Gymnasium – Ende der Kindheit?!“
Jedes Jahr im Frühling entfacht sie, die Debatte bezüglich des Übertritts an eine weiterführende Schule. Jüngst titelte die PNP gar „Realschule statt Gymnasium: Die Kindheit soll Kindheit bleiben“.
Ich frage mich: Warum diese Behauptung?! Der angebliche Lernstress und die vielen Nachmittagsstunden beeinflussten die Schulwahl – so hört und liest man. Dabei haben nicht alle Eltern persönliche Erfahrungen mit der gymnasialen Laufbahn gemacht. Als weiteres Argument liefern Eltern den Aspekt, den Kindern die Schulzeit möglichst leicht machen zu wollen.
„Auch die Mittel- und Realschulen fordern Lerneifer“
Ich selbst besuche jetzt schon im fünften Jahr das Gymnasium Freyung und auch hier muss man – unabhängig vom demographischen Wandel – feststellen, dass sich der Trend „Realschule statt Gymnasium“ deutlich bemerkbar macht. Ich selbst kam im Jahr 2013/14 an das Gymnasium und wir waren der erste Jahrgang seit Längerem, in dem es nur noch drei statt vier 5. Klassen gab. Im Schuljahr 2017/18 gingen dann die Neuanmeldungen noch weiter zurück, sodass der jetzige Jahrgang nur noch zwei 5. Klassen stellt. Da fragt man sich schon, wo dieser Trend noch enden soll.
Für mich steht jedenfalls eines fest: Schule ist Bildung. Egal, ob Mittelschule, ob Realschule oder ob Gymnasium, jede Bildungseinrichtung bedeutet – wenn Erfolg gewünscht ist – zu lernen. Vom Nichtstun kommt nichts! Und da setzt meine Kritik an der Einstellung an, das Gymnasium raube den Kindern ihre Kindheit.
Auch für Gymnasiasten ist die Freizeit wirklich ausreichend. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass neben der Schule genug Zeit bleibt für Hobbys, Freunde und Familie. Warum dann immer wieder dieses Gerücht, die gymnasiale Laufbahn sei ein „Freizeit- und Kindheitskiller“?
Den vielfach verbreiteten Mythos, dass nur am Gymnasium viel gelernt werden muss, kann ganz klar entgegengestellt werden, dass an jeder Schule gelernt werden muss. Jeder, der an seiner Schulart einen guten Abschluss erwerben will, muss sich hinsetzen und etwas dafür tun. Auch die Mittel- und Realschulen fordern Lerneifer und haben nichts zu verschenken!
„Auch am Gymnasium geht die Kindheit weiter“
Wenn schon, müsste man folgern, dass Schule grundsätzlich ein Ende der Kindheit bedeutet. Aber ich seh es ja an mir und meinen Mitschülern selbst: Auch am Gymnasium geht die Kindheit weiter, auch Gymnasiasten spielen Karten, zocken am Computer, treffen Freunde im Freibad und gehen zum Eislaufen im Winter. Denn auch wir sind normale Kinder!!!
Deswegen, liebe Eltern, sollten Sie schon überlegen, ob ein Kind, welches die nötigen Qualifikationen für den Übertritt ans Gymnasium erfüllt, nicht dort auch zur Schule gehen soll, anstatt den vermeintlich bequemeren Weg einer Realschule zu wählen.
Kommentar: Lea Hackl
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„Seit wann ist Kindheit abhängig von der Schulart?“
Achtung! Seit Neuestem wird die Kindheit Ihrer Nesthäkchen gefährdet, wenn sie auf ein Gymnasium geschickt werden! So mutet es zumindest an, wenn man den Titel des Berichts (…) in der PNP liest: „Realschule statt Gymnasium: Die Kindheit soll Kindheit bleiben“.
Man liest dort, dass sich viele Eltern Folgendes denken: Warum soll ich mein Kind auf ein Gymnasium schicken, wenn es über Real- und Mittelschule zum Abitur gelangen kann? Bedenken sie dabei nicht, dass das nur unter tausend Umwegen möglich ist? Wieso stellt man sich die Frage, ob Gymnasium oder nicht, wenn das Kind doch die passenden Noten hat?
„Ich lebe im Vergleich dazu meine Jugend aus“
Liebe Eltern, ich, als Schülerin eines Gymnasiums, kann Ihnen versichern, dass es auf unserer Schule am schnellsten zum Abitur geht – aber natürlich unter einer Voraussetzung: Ihr Kind muss Einsatz zeigen!
Natürlich kommt sofort der Einwand: Aber Einsatz, das heißt doch Notenstress und Lerndruck! Ich finde aber, dass genau das ein Klischee ist. Wenn Ihr Schützling schon in der Grundschule gute Leistungen erzielt und sich beim Lernen leichttut, hat er normal keine Probleme auf dem Gymnasium.
Klar ist der schulische Erfolg immer von jedem Menschen selbst abhängig. Aber sich ein bisschen reinzuhängen, darf von jedem wohl erwartet werden. Ja, das Gymnasium ist zu meistern!
Zunehmend schicken Eltern ihr Kind jedoch, obwohl es einen besseren Schnitt als 2,66 hat, auf die Realschule, nur weil sie denken, dass es auf dem Gymnasium keine Freizeit mehr hat, wegen des vielen Lernens, heißt es. Ich kann mich selbst als Beispiel anführen in diesem Punkt. Ich gehe in die 9. Klasse des Gymnasiums Freyung, habe zweimal die Woche Gitarrenstunde und mindestens zweimal die Woche Jugendfeuerwehrübung. Außerdem treffe ich mich oft mit Freunden. Trotz dieser vielen Aktivitäten habe ich noch genügend Zeit zum Lernen. Meine Freizeit kommt insgesamt nicht zu kurz. Gerade im Moment sehe ich aber das genaue Gegenteil bei meinen 15-, 16-jährigen Freunden, die auf die Realschule gehen: Sie lernen jede freie Minute für ihre Abschlussprüfung. Ich lebe im Vergleich dazu meine Jugend aus.
„Kindheit ist nämlich nicht abhängig von der Schulart“
Warum also sagen manche, dass die Kindheit am Gymnasium weggenommen wird? Diese Aussage ist völlig absurd und ich bin klar der Auffassung, wer die Eignung bescheinigt bekommt, aufs Gymnasium gehen zu können, sollte es zumindest versuchen. Und mit entsprechendem Einsatzwillen ist es der direkte Weg zum Abitur – ohne Umwege, aber auch ohne einen Verlust der Kindheit. Kindheit ist nämlich nicht abhängig von der Schulart.
Kommentar: Verena Heindl
Mittelschule, Realschule oder Gymnasium? In Zeiten, in denen jegliche Schulzweige fast schon händeringend um ihre knapp gesäten Schüler werben, sind kontroverse Diskussionen schnell vom Zaun gebrochen. Wie ist Eure Meinung zu diesem Thema, liebe Hog’n-Leser? Sind Mittel- oder Realschulen „kindheitsfreundlicher“ als Gymnasien? Unsere Kommentarspalte (direkt unterhalb dieses Aritkels) erfreut sich einer regen sowie sachlich-fairen Diskussion.
da Hog’n
Ich denke, dass es je nach Kind bewertet werden muss…
Ich selber (Jahrgang 1990) hatte mit 2,33 Realschule gewählt, irgendwann kam Pubertät, dann zurück zur „Hauptschule“, anschließend mit M10 Mittlere Reife nachgeholt. Was dazu noch zu erwähnen ist: ich war sehr sehr faul!
Meine Tocher(Jahrgang 2012) tat sich extrem schwer beim lernen, Corona machte es nicht besser. Besucht jetzt Mittelschule und ist da im Durchschnitt… Sie lernt sich schwerer als ich und muss neben Ganztagsschule viel zuhause noch machen.
Meine Lebensgefährtin (Jahrgang 1990) war am Gymnasium, wechselte zur FOS, machte Bachelor, dann Master. Hat mal eine Klasse wiederholen müssen – weil ebenfalls faul.
Unterm Strich hat meine Tochter am wenigsten Freizeit trotz Mittelschule, da sie mehr machen muss um im Mittelmaß zu bleiben.
Ich und meine Partnerin dagegen haben unsere Schullaufbahn mit geringsten möglichen Einsatz Einsatz bewältigt (vor allem ich: 4er ist bestanden, bestanden ist gut und Gut ist 2er), haben beide gute Jobs, verdienen gut (Besser als Lehrer, die den mit Numerus Clausus brauchen) …
Jeder ist da individuell , jeder kann aus allem alles machen.
Wenn mein Kind 1.0 gehabt hätte, hätten wir sie aufs Gymnasium geschickt. Sollte da die Kindheit zu kurz kommen oder sie sich schwer tun, kann man noch ZWEI Stufen runter gehen unf alles erreichen.