Mit Äpfeln müsste ich mich als Eva eigentlich auskennen. Auch wenn mit keinem Wort geschrieben ist, dass es sich da um eine Apfel-Frucht handelte, die biblische Eva in aufklärerischer Absicht Adam anbot. Wie dem auch sei: Gegessen hat er das Obst – und nun sitzen wir hier! Zum Glück. Was von der Geschichte geblieben ist: Dass der Apfel mit Recht als das Lieblingsobst der Deutschen bezeichnet werden darf. 18 Kilo vertilgt jeder jährlich. Ich nicht, um es mal gleich vorwegzunehmen. Und wenn ich Obst esse, will ich es nicht aus Vernunft tun. Da kann ein Apfel am Tag den Doktor noch so fernhalten – ich brauch den ohnehin nicht…
Und jetzt bekommen wir rote Bäckchen…
Trotzdem meine ich, dass der Apfel eine herrliche Frucht ist. Mit mehr Gefühl: Ein roter, glänzender Apfel ist schon… irgenwie sexy, nicht? Er fühlt sich gut an, passt schön in eine Hand, hat eine glatte Haut. Und er duftet! Ein guter Duft ist immer erotisierend, wie wir alle wissen. Ich halte zwar viel davon, Früchte pur und roh zu verspeisen, aber im Falle Apfel liegen meine Geschmäcker anders. Ich mag Apfelkuchen mit Zimt und leicht geschlagener Sahne, ebenso Apfelstrudel. Ich mag auch Apfelkompott zu Mehlspeisen. Und ich mag Bratapfel mit Vanillesoße – wer könnte da schon widerstehen?
Das Widerstehen und der Apfel, diese Komponenten gehören zusammen. Der Apfel und die Liebe gehen Hand in Hand. Und weil die Liebe zum Leben gehört, gehören auch das Sterben und der Tod zum Apfel – so einfach ist das! Bei den Kelten war der Apfel eine Speise der Toten und Avalon heißt nichts anders als „Apfelinsel“. Ein Symbol des Vergehens ist der Apfel auch jetzt noch. Denn jetzt ist der Herbst richtig zu spüren, das Weichen der warmen, lebenskräftigen Jahreszeit ist nicht zu leugnen. Jetzt ist Apfelernte. Und jetzt bekommen wir rote Bäckchen – ebenso wie die Äpfel, in die wir beißen. Äpfel sind traditionell das Obst, von dem wir den ganzen Winter zehren können. Einmal abgesehen davon, dass es mittlerweile längst das ganze Jahr über Äpfel zu kaufen gibt. Aber ich rede von guten, heimischen Äpfeln, die sich nicht mit Allerweltsnamen wie Gala oder Elstar krönen und aus Neuseeland oder Argentinien kommen. Immerhin ist zu bedenken, dass es weltweit unglaublicherweise an die 25.000 Apfelsorten gibt.
Gut zu wissen: Unter Apfelbäumen leben Einhörner
Der Apfel (Malus) ist ein Rosengewächs. Das ist besonders im Frühjahr erkennbar, wenn die Bäume in voller Blüte stehen. Keine andere Obstbaumblüte duftet so gut wie die Apfelblüte – und ist so schön. Aber wie wir alle wissen, müssen Blüten welken, um Früchte werden zu können.
In der Mythologie ist der Apfel Attribut der Liebesgöttinnen Aphrodite und Venus – aber auch Apollo, Hera, Athene, die germanische Göttin Iduna, Diana, Zeus oder Dionysos tragen den Apfel als Zeichen von Unsterblichkeit, Fruchtbarkeit (auch im geistigen Sinne) und nicht zuletzt Macht bei sich. Außerdem ist gut zu wissen, dass unter Apfelbäumen Einhörner leben. „Wenn Sie einen Apfelgarten kennen, begeben Sie sich an einem dunstigen Tag leise dorthin, vielleicht sehen Sie ja ein in die Luft ragendes einzelnes Horn, das zu einem pferdeähnlichem Tier gehört, das in aller Ruhe süße, magische Äpfel frißt,“ empfiehlt Scott Cunningham.
Wenn man so will, ist im Apfel ein Pentagramm verborgen, welches sichtbar wird, schneidet man die Frucht horizontal durch. Magisch ist auch die Bedeutung des Apfels in Sagen und Märchen: Man denke hier an Schneewittchens rotbäckigen Apfel, der sie vom Scheintod ins Liebesglück katapultiert. Oder an den Apfelbaum in Frau Holles Reich – dem Reich zwischen Leben und Tod. Die faule Marie wollte ihn nicht schütteln, die fleißige schon – dementsprechend unterschiedlich fielen ihre Belohnungen aus. Oder man erinnere sich an Wilhelm Tells Apfel, den er vom Kopf seines Sohnes schoss und damit Recht und Freiheit bekam.
Nach der Birne kannst du Pipi machen – nach dem Apfel, Kaka
In Heilsangelegenheiten zählt man heute nicht mehr so sehr auf den Apfel. Vielleicht isst man ihn noch als natürlichen Verdauungsbeschleuniger – aber auf diesem Gebiet zählt vor allem die TV-Werbung eine ganz andere Litanei von Hilfsmitteln auf.
Dabei ist die Frucht nicht zu unterschätzen: Eine enorme Zahl an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien befinden sich im Apfel – oft direkt unter der Haut. Freilich gilt hier zu unterscheiden: Der heimische Apfel, selbst vom Baum gepflückt, hat ganz andere Qualitäten als die behandelte Frucht im Supermarkt, die aus Übersee importiert werden musste. Und auch im Mittelalter war folgender erstaunlich frecher Spruch bekannt: „Post pirum da putum – post pomum vade cacatum“ (Nach der Birne kannst du Pipi – nach dem Apfel, Kaka).
Und zu guter Letzt gibt’s einige Liebesorakel mit dem Apfel, frei nach Cunningham: Man schneide einen Apfel durch und betrachtet die Kerne: Eine gerade Zahl verspricht baldiges Liebesglück. Eine ungerade Zahl will sagen, dass man sich damit noch etwas gedulden muss. Ein angeschnittener Kern deutet eine stürmische Beziehung an – und zwei angeschnittene Kerne gar Unglück in der Liebe. Doch was ist Unglück? Geht man doch aus jeder Beziehung schlauer hervor… (Quelle: Scott Cunningham, Enzyklopädie der magischen Kräuter (2006), Schirner.)
Eva Hörhammer