Freyung-Grafenau/Regen/Passau. Ein Glückstreffer für alle Arbeitnehmer – der „worst case“ für alle Arbeitgeber? Seit Anfang des Jahres ist der Mindestlohn von 8,50 Euro Pflicht in Deutschland. Diese Entscheidung ist ein großer Sieg für alle Gewerkschaften, die dies schon seit Jahren gefordert haben. Gleichzeitig sorgt dieser Schritt für eine ausgeglichenere Lohnstruktur. Zufriedenheit auf der einen Seite, Kopfschütteln auf der anderen. Für die Arbeitgeber bedeutet der Mindestlohn nämlich höhere Ausgaben und mehr Aufwand bei der Dokumentation – die Folge: Viele streichen zusätzliche Zahlungen wie Schichtzulagen oder Urlaubsgeld. Das Onlinemagazin „da Hog’n“ hat bei den Gewerkschaften verd.di und DGB nachgefragt, wie der Mindestlohn in der Arbeitswelt angenommen wird.

ver.di-Vertreter Hartmut Veitengruber ist davon überzeugt, dass der Mindestlohn noch auf zehn Euro steigen wird. Foto: Veitengruber
„Für uns Gewerkschaften ist der Mindestlohn eine durchwegs positive Angelegenheit. Denn damit kann die Schere nach unten des Lohndumpings geschlossen werden“, zeigt sich Hartmut Veitengruber von ver.di Niederbayern zufrieden. „Vor allem für Arbeitgeber, die unter dem jetzigen Mindestlohn bezahlt werden und keine Tarifbindung haben, ist diese Neuerung sehr wichtig.“ Dass die Arbeitgeber bereits Auswege gefunden haben, um die Mehrkosten auszugleichen – zum Nachteil der Angestellten -, kann auch Veitengruber bestätigen. So werde oftmals die Arbeitszeit bei gleichbleibendem Arbeitspensum gekürzt. Ob das gesetzeswidrig sei, muss im Einzelfall geprüft werden. Betriebe, die gegen den Mindestlohn verstoßen, sind Hartmut Veitengruber nicht bekannt – dann droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
„Wichtig: Die Betroffenen müssen sich bei uns melden.“ ver.di und auch alle anderen Gewerkschaften fühlen sich mit der Einführung des Mindestlohns in ihrer Arbeit bestätigt – 8,50 Euro seien aber noch längst nicht das Ende der Fahnenstange ihrer Forderungen, so Veitengruber. „Natürlich wollen wir auch, dass der Mindestlohn schnell Richtung zehn Euro ansteigt – eine entsprechende Erhöhung ist ab 1. Januar 2018 möglich.“
„Ob sich jeder daran hält, wird die Januarlohnabrechnung zeigen“

„Ich rate jedem Angestellten, seine Arbeitszeit genau zu notieren“, sagt Markus Zaglmann. Foto: DGB
Markus Zaglmann vom DGB Bayern (Region Niederbayern) schlägt in eine ähnliche Kerbe. Dass die Einführung des Mindestlohns von positiven Reaktionen begleitet wurde, kann auch er gegenüber dem Onlinemagazin „da Hog’n“ bestätigen. „Ob sich wirklich jeder Arbeitgeber an das neue Gesetz hält, zeigt sich frühestens bei der Januarlohnabrechnung.“ Insbesondere ein bayerischer Kinobetreiber sei bisher auffällig geworden: Laut Zaglmann wollte dieser seinen Angestellten den bisherigen Stundenlohn weiter bezahlen und den restlichen Betrag mit einem Kinogutschein ausgleichen – nach Kritik ruderte er allerdings zurück. „Gut so, denn der Lohn muss in voller Höhe ausgezahlt werden.“
Dem Gesetz zufolge dürfen zudem Schichtzulagen sowie Weihnachts- oder Urlaubsgelder nicht verrechnet werden – ebenso wie die Schmutzzulage oder vermögenswirksame Leistungen. „Die Gefahr besteht, dass so mancher Arbeitgeber künftig gerade so viele Stunden aufschreibt, damit der Mindestlohn dabei herauskommt, obwohl der Arbeitnehmer womöglich viel länger gearbeitet hat. Deshalb rate ich jedem Angestellten, seine Arbeitszeit genau zu notieren.“ Sollten Verstöße bekannt werden, kann man sich noch bis zum 31. März 2015 an die Mindestlohn-Hotline des DGB (0391/4088003) wenden – dann könne neben dem Zoll gegebenenfalls auch das Gewerbeaufsichtsamt oder die Rentenversicherung aktiv werden.
Interessant: Auch 450-Euro-Jobber sollten bedenken, dass sie ihre Stundenzahl reduzieren müssen – Minijobber dürfen also maximal 52,9 Stunden pro Monat arbeiten, wie Markus Zaglmann erklärt. „Wenn sie länger arbeiten, wird die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig.“
Helmut Weigerstorfer
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