„Hühnertod – ein Fall für Duke“ hat Hans Kurz seinen Debut-Krimi genannt. Darin geht es nebst totem Geflügel nicht nur um heiße Sexszenen, Zigarren, Bioeier-Skandale und Münchner Gurken-Mogule – sondern auch um den Bayerischen Wald. Um es gleich vorweg zu nehmen – die Waidler kommen nicht gut weg. Der Sinologe, Politikwissenschaftler, freie Journalist, einstige Taxifahrer, Schnaps- und Bierkochbuch-Autor (und Schwabe) greift recht häufig tief in die Klischeekiste – womit er nicht immer ganz falsch, aber manchmal auch völlig daneben liegt. Eine durchdringende Kritik.
OPTIK – Liegt gut in der Hand
Softcover, vorn drauf ein an den Füßen aufgehängter Gummigockl, der sich glänzend und glatt von der matten Buchoberfläche hervorhebt. Eine haptische Freude. Die schwarzen Klappeninnenseiten ziert ein Pistolenmuster. Die Schrift ist recht groß, so dass beim Lesen der Eindruck entsteht, man würde die Seiten nur so hinwegraffen. Liegt gut in der Hand, mit dem Umschlag kann man gut einmerken – super Sach.
INHALT – Held Duke klärt alles auf
Hans lebt im Bayerischen Wald auf einem Biobauernhof mit Freunden, die gar keine wahren sind, und seiner Freundin Alex, die er gar nicht liebt. Und auch die alternativen Ansichten seiner Mitbewohner überzeugen ihn wenig. In einer ruhmreichen Vergangenheit kam ihm seine detektivische Spürnase zu Gute – und die wird jetzt gebraucht: Hans, genannt Duke (Nachname: Herzog. Englisch! Ahja!), muss ermitteln. Die Hof-Hühner liegen alle tot auf der Weide – damit bricht eine wichtige Einnahmequelle der „Kommune“ weg. Steckt da der Regensburger Eier-Großproduzent dahinter? Mit der Aufklärung des „Falls“ könnte er sich Respekt verschaffen.
Aber ein anderer Fall reizt den hochgewachsenen Mann viel mehr: Der Verlobte seiner Ex verschwindet. Der Erbe eines Münchner Gurkenimperiums ist Duke eigentlich ein Dorn im Auge – denn seine Sam liebt er noch immer zutiefst. Letztendlich klärt der Held den Fall auf, rettet Leben, erschießt aber auch einen Gegner. Und auch der Hühnertod wird entschlüsselt und der Eier-Großproduzent entlarvt – seine Bioeier sind einfach nur als solche deklariert. Leer geht Duke trotzdem aus. Seine Liebe bekommt er nicht wieder. Der Wald bietet ihm keine Heimat. Die Städte ebenso wenig. Und das an seinem Geburtstag. Also auf – zu neuen Ufern nach Taipei.
STIL – Beschwert das Gehirn nicht
Hans Kurz und Hans Herzog alias Duke – neben dem Vornamen gibt’s mindestens noch eine weitere Parallele: Sie sind beide Sinologen – Chinawissenschaftler. Und alles Weitere ist freilich bloße Spekulation, auch wenn ja in Erstlingswerken so manch Autobiografisches stecken soll. Schön gezeichnet ist sie jedenfalls, die Figur des Protagonisten, der ein echter Antiheld ist. Zigarrenrauchend fährt er einen schrottigen Volvo, Bier ist sein Grundnahrungsmittel, Sex sein liebster Zeitvertreib. Schlau ist er, übermutig, witzig, wild und unabhängig. Mit Duke kann der Leser durchaus sympathisieren, auch wenn seine Untreue und seine leichte Arroganz moralisch völlig verwerflich sind. Gut! Die Hauptfigur passt. Die Bedienung tausender Klischees ist herrlich unkorrekt. Das Buch ist voller ekelhafter Polizisten, dummer Gangster und Nutten, geldgeiler Konzernheinis, schwuler Steuerberater – und eben Hinterwäldler. Dazu später mehr…
Und wie schreibt Hans Kurz? Ja, das passt auch. Angenehm kurzer Satzbau, simples Vokabular, einfache Gedankengänge. Liest sich zügig, beschwert das Gehirn nicht, ist hie und da vielleicht ein bisschen zu lahm, was die Wortwahl – und etwas zu abwegig, was so manche Handlung betrifft. Küsst man sich wirklich stürmisch, wenn man in Handschellen abgeführt wird? Ist das gewollt oder gar ernst gemeint? Hoffentlich nicht. Hans Kurz ist keiner, der an bildhaften Ergüssen leidet und auch keiner, der halbwegs „schön“ schreibt. Aber unterhaltend schreiben – das kann er.
Moment, da liegt er noch, dieser eine große Wermutstropfen – denn warum greifen die Leute manchmal nicht der Einfachheit halber zum Handy und zahlen noch immer mit Mark? Weil die Geschichte im Jahre 1994 spielt. Das muss sich der Leser aber in detektivischer Kleinarbeit zusammenreimen, explizit erwähnt wird’s nicht. Irritierend – weil die Handlung genauso gut heute verortet sein könnte.
SEX – Ehrlich und direkt
Schon auf den ersten 50 Seiten wird so viel gevögelt, dass es eine wahre Freude ist. Eine unerwartete Freude. So direkt und ehrlich liest sich Sex selten. „Ich schlief noch fast, als sie mich im ersten Sonnenlicht erneut bestieg.“ – Oder: „Zu spät, sagte Sam beim Anblick des Spermas, das im Sternenlicht auf ihrem Bauch schimmerte.“ Yes, Baby!
CRIME – Duke gebraucht die Waffe
Duke hat eine Waffe, wie es sich für einen echten Detektiv gehört. Damit fuchtelt er erstaunlich viel herum – unerträglich viel für Pazifisten. Und nein, die Waffe dient ihm nicht nur als Einschüchterungsmittel, er macht auch Gebrauch davon und erschießt eine zwielichtige Gestalt – aus Notwehr?
DIE WALDMENSCHEN – Weltfremd und Mühlhiasl rezitierend
Irgendwo hinter Deggendorf und vor Zwiesel, da muss er liegen, der Hof, der Duke keine Heimat bietet. Nach unzähligen Serpentinen erreicht man diese Einöde. Dort leben die Alternativen Joe, Franz, Gina und Alex. Die nicht mit Pille, aber mit Mondkalender verhüten und den Geschlechtsakt ungeniert bei offenen Türen vollziehen. Die viel von biodynamischer Landwirtschaft halten. Wenig hingegen von Alkohol- und Fleischverzicht. Sympathische Inkonsequenz.
Und in Zwiesel leben die „echten Waidler“, die Bichlers – ein riesiger Clan, der nur durch Inzucht so werden konnte, wie er ist: Verschroben, exzentrisch, weltfremd, hintennach, Hexenelixiere brauend und den Mühlhiasl rezitierend. Im Dialekt schreiben ist eh so eine Sache – „richtig“ ist es eh nie und lesbar ist es oft schwer. Oft hat er’s Gott sei Dank nicht getan – aber Hans Kurz hätte es besser ganz bleiben gelassen.
PREIS-LEISTUNG – locker-flockiges Unterhaltungsintermezzo
Wer zum doch recht stattlichen Preis von 14,90 Euro einen spannenden Krimi erwartet, zieht den Kürzeren. Wer hingegen ein locker-flockiges Unterhaltungsintermezzo auf 284 Seiten sucht, ist bestens bedient.
Eva Müller
Hans Kurz: Hühnertod – ein Fall für Duke. 284 Seiten, ars vivendi, 14,90 Euro.