Freyung/Grillaberg. Jetzt kann er wieder lachen, der Wagner Hans aus Sägmühle bei Grillaberg. Seit mehreren Tagen ist die Staatsstraße „WOS 1“ zwischen Freyung und Waldkirchen aufgrund der Fertigstellung der Deckenarbeiten für den Verkehr wieder freigegeben – nachdem wochenlang Autos, Busse sowie Lastwagen bis zu 3,5 Tonnen direkt vor der Haustür des Landwirts vorbeigefahren sind. Rund 4000 Fahrzeuge täglich. Manchmal auch mehr. Wie der Hog’n berichtete, hatte sich die Stadt auf Drängen der Freyunger Werbegemeinschaft hin dazu entschieden, den Pkw-Verkehr über die kleine Gemeindestraße zwischen dem Wagner’schen Anwesen und der umstrittenen Brückenbaustelle vorbeizuleiten, da einige Geschäfte in der Innenstadt im Zuge der WOS-1-Vollsperrung „zum Teil erhebliche Umsatzeinbußen“ (Bürgermeister Olaf Heinrich) zu verzeichnen hatten. Doch nicht nur Hans Wagner reagierte erleichtert auf die Beendigung der bis zuletzt für ihn und seine Familie schwer erträglichen Verkehrssituation. Auch die Freyunger Einzelhändler haben Grund zum Aufatmen, wie Werbegemeinschaftsvorsitzender Norbert Kremsreiter berichtet.
„Hoffentlich geht’s jetzt wieder aufwärts mit den Umsätzen in Freyung“
„Gott sei Dank ist’s vorbei, wir haben’s geschafft“, sagt Bauer Wagner und blickt zuerst auf den sechs Meter hohen Erdwall, auf dem nun wieder der WOS-1-Verkehr in sicherer Entfernung vorbeirauscht, und gleich darauf auf seine beiden Yorkshire-Terrier. „Jetzt können’s wieder frei herumlaufen – ohne Angst haben zu müssen, dass‘ z’ammg’fahr’n werd’n.“ Für Mensch und Tier gleichermaßen nimmt eine langwierige Odyssee ein gutes Ende. Er und seine Familie hatten bis zum Schluss der Baumaßnahme die Tage herbeigesehnt, in denen es wieder ruhiger vor der Haustüre wird. „Höllisch aufpassen“ auf die vorbeifahrenden Autos musste der 54-Jährige bis zuletzt, wenn er mit dem Traktor zum Silieren, Heu-Einfahren oder Gülle-Ausbringen zu seinen jenseits der Staatsstraße gelegenen Feldern gelangen wollte. Das Timing zwischen den Ampel-Phasen musste stimmen, um im richtigen Moment ausrücken zu können und keinem Auto auf der kleinen Gemeindestraße zu begegnen. Manchmal half selbst das nicht, wenn die Ampelanlage wieder einmal ausgefallen war, was Wagner zufolge häufiger vorgekommen sei.
Doch ganz beendet ist die Maßnahme immer noch nicht. Der Viehdurchlass, aufgrund dessen Baufälligkeit und dringenden Sanierungsbedarfs die WOS-1-Sperre mit all ihren Konsequenzen überhaupt erst nötig geworden war, müsse in den nächsten Tagen noch instandgesetzt werden. „Der Tunnel ist noch nicht befahrbar“, sagt Wagner. Die Entwässerung fehle noch, das Humusieren der Böschung, auch der Tunnelboden soll noch aufgeschüttet werden. „Das wird schon noch a Zeidl dauern – und solange kann ich den Durchlass auch nicht nutzen.“
Die Argumentation, warum die WOS-1-Sperre vor einigen Wochen überhaupt aufgehoben worden ist, könne der Landwirt immer noch nicht so recht nachvollziehen. Dass die Umsatzeinbußen der Freyunger Geschäftsleute so dramatisch ausgefallen seien wie von Seiten der Werbegemeinschaft und des Bürgermeisters geschildert, um die Maßnahme zu rechtfertigen, den Verkehr an seinem Anwesen vorbeizuleiten, wolle Wagner nicht gelten lassen. Er vermutet, dass die Einnahmerückgänge eher etwas mit dem Umbau der Huber-Häuser im Stadtkern zu tun haben. Der viele Staub, die ständig an- und abfahrenden Lastwagen sowie vor allem die durch die Baustelle weggefallenen Parkplätze erachtet er als den eigentlichen Grund. „Hoffentlich geht’s jetzt wieder aufwärts mit den Umsätzen in der Innenstadt“, so der Landwirt mit leicht ironischem Unterton.
„Situation hat sich beruhigt, Geschäfte sind in normalen Fahrwassern“
Norbert Kremsreiter, Vorsitzender der Freyunger Werbegemeinschaft, hält die Aufhebung der WOS-1-Sperre nach wie vor für gerechtfertigt. „Die Umsatzeinbußen waren ganz unterschiedlich gehalten. Die Bandbreite ging von minus zehn bis minus 40 Prozent quer durch viele Betriebe. Dabei war nicht nur der Einzelhandel betroffen – auch Gastronomiebetriebe haben über Rückgänge geklagt.“
Durch die Sperrung, so Kremsreiter weiter, seien nicht nur die Waldkirchner Kunden abgeschnitten gewesen. „Hauzenberg, Jandelsbrunn, Karlsbach, Lämmersreut und viele mehr wollten einfach den Riesenumweg nach Freyung nicht in Kauf nehmen.“ Die Kreisstadt habe als Mittelzentrum rund 25 Prozent der Kunden aus dem südlichen Landkreis – „und da hat man die Sperrung deutlich gespürt“, so der Vorsitzende. Jedoch sei auch nach der Öffnung nicht gleich „ein Riesenansturm“ zu verzeichnen gewesen, da Kremsreiter zufolge viele Kunden erst langsam festgestellt hätten, dass wieder eine nahezu „ungehinderte“ Durchfahrt möglich sei. „Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt und die Geschäfte sind in normalen Fahrwassern unterwegs“, kann der WG-Sprecher freudig vermelden.
„Habe irgendwie das Gefühl, den Behörden hilflos ausgeliefert zu sein“
Vor allem die Einzelhändler der Freyunger Werbegemeinschaft seien über die Öffnung der WOS 1 „unheimlich erleichtert“ gewesen. „Noch viel erleichterter aber waren hunderte von Autofahrern, die ab dem Zeitpunkt der Öffnung keine Riesenumwege mehr in Kauf nehmen mussten.“ Viele dieser Menschen hätten durch zahlreiche Rückmeldungen bei Mitgliedsbetrieben ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht, berichtet der Vorsitzende.
Seine grundsätzliche Meinung zum Thema Straßenbau im Landkreis lautet: „Ich würde mir bei solch‘ tiefgreifenden Einschnitten im Bereich des Straßenbaus mehr Mitspracherecht wünschen. Vollsperrung der WOS 1, Kreuzung Karlsbach, Kreuzung Waldkirchen – irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich als Verkehrsteilnehmer hilflos den Behörden ausgeliefert bin.“ Und ergänzend meint Kremsreiter mit kritischem Unterton: „Gut ist da für die Verantwortlichen, dass unser Menschenschlag einfach still und leise sein Schicksal annimmt! Demonstriert wird woanders!“
Stephan Hörhammer