Passau. Wir alle wollen am Ende des Tages doch eigentlich nur zufrieden einschlafen. Nach getaner Arbeit oder auch einem Tag am See ins Kissen sinken und entspannt die Augen schließen. Und woher nehmen wir diese Zufriedenheit? Im Alltag ist sie oft nicht zu finden – im Außergewöhnlichen schon eher. Mal „schick“ essen gehen, wegfahren oder den Schluss eines wirklich guten Buchs lesen. Was wäre, wenn wir jeden Tag zu einem Besonderen machen könnten? Wenn wir die Wertigkeit aller Dinge, die uns umgeben, erkennen könnten? Würden wir uns nicht wie kleine Kinder über die Welt und ihre Schönheit freuen? Und das jeden Tag aufs Neue?
In Passau haben fünf Menschen herausgefunden, wie sie abends zufrieden ins Bett gehen können. Und wie sie mit ihrer Erkenntnis auch noch andere glücklich machen können. Sie haben ein Netzwerk für nachhaltigen Lebensstil gegründet. Genannt: besserwisser. Was Nachhaltigkeit mit Zufriedenheit zu tun hat? Schauen wir uns doch den Alltag eines Besserwissers mal genauer an.
Der Lieblingsgürtel ein Rennradreifen, die Schuhe: PET-Flaschen
Auf dem Frühstücksteller leckeres Körnerbrot aus der Biobäckerei, mit Wiesenblütenkäse aus der regionalen Käserei und Tomaten aus der hauseigenen Balkonzucht. Obenrum: T-Shirt aus Bio-Baumwolle. Dermaßen weich, dass es mit ziemlicher Sicherheit so lange getragen werden wird, bis es dem Besserwisser vom Leibe fällt. Untenrum: Die Jeans aus der Öko-Produktion von Näherin Paula. Oder war es Paul? Der Lieblingsgürtel war auf jeden Fall in seinem früheren Leben ein Rennradreifen und die Schuhe waren mal PET-Flaschen. So weit so gut.
Spätestens nach der üblichen, leicht kapitalismuskritischen Morgenzeitung steigt im Besserwisser die Lust zur Weltveränderung – und er stiefelt voller Elan zum Wochenmarkt. Einen kleinen Plausch mit Frau Meier vom Gemüsestand später geht’s dann ab ins Zentrum der Besserwisserschaft, in den Laden in der Passauer Höllgasse 19. Der Blick in die Regale zeigt, dass hier alle Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt sind: von „bio“, „regional“ oder „fair“ bis hin zu „recycelt“, „ressourcenschonend“ und „second-hand“. Dann erstmal gemütlich einen Kaffee trinken. Natürlich sonnengetrocknet und direkt gehandelt. Der Kaffeebauer aus Honduras und der Röster aus Hengersberg kennen sich also ganz gut – und sind wohl auch schon mal auf den einen oder andern Kaffee beisammengesessen. Da schmeckt’s doch gleich noch besser …
Währenddessen: Mit den Besuchern des Ladens das ein oder andere Vorurteil aus dem Weg räumen. Nein, nachhaltiges Leben muss ganz und gar nicht teuer sein! Viele Dinge, die man sich so im Laufe des Lebens zulegt, braucht man doch ohnehin nicht wirklich. Oder nur eine halbe Stunde im Jahr. Wie zum Beispiel einen Bohrer. Wäre es nicht klüger sich da einen „g’scheiden“ in der Nachbarschaft zu teilen? Gute Qualität ist auf lange Sicht gesehen auch um einiges günstiger als alle paar Monate etwas Neues in die Rumpelkammer zu stellen. Außerdem schwimmt doch schon genug verabschiedetes Plastik auf unseren Weltmeeren herum. Und wer das Geld so knapp beisammen halten muss, dass „öko“ und „fair“ einfach nicht drin sind, der hat ohnehin den ökologischen Fußabdruck einer Fliege im Vergleich zu demjenigen, der mindestens einmal im Jahr ins Flugzeug steigt „um mal raus zu kommen“.
Auch einfach mal ganz egoistisch an die Sache rangehen …
Organisiert ist der Besserwisser natürlich in einer Genossenschaft. Da kann jeder mitreden und mitgestalten. Außerdem ist die Genossenschaft die einzige Rechtsform, die nicht auf Gewinnmaximierung, sondern auf die Förderung ihrer Mitglieder ausgerichtet ist. Das heißt: bare Vorteile für jeden, der mit an besserwisser-Bord ist. Das fühlt sich doch nach all den anhaltenden Krisen zur Abwechslung mal ganz gut an. Und die besserwisserische Recherche für den nachhaltigen Einkauf gibt’s außerdem noch oben drauf.
Manchmal gilt es dann, die anscheinend obligatorische Frage zu beantworten, wieso zum Teufel gerade das negativ belastete Wort „besserwisser“ als Name für das Netzwerk dient? Ganz einfach. Mit den Zeigefingern wedeln doch schon genügend Leute herum, die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Doch: Wenn es um nicht weniger als die Weltrettung geht, kann eine gehörige Portion Humor doch sicherlich nicht schaden, oder?
Gegen Abend hat sich beim Besserwisser dann längst das Gefühl eingestellt, nach dem er sich morgens gesehnt hat: Zufriedenheit. Alles richtig gemacht heute – gut gegessen, gute Gespräche geführt, gemeinsam etwas ausgerichtet und Veränderung in die Welt getragen. Beim nachhaltigen Leben muss man also gar nicht so sehr an irgendwelche „nachfolgenden Generationen“, das ferne Afrika oder die arme Umwelt denken, sondern kann an die Sache auch einfach mal ganz egoistisch rangehen. Und im Hier und Jetzt richtig zufrieden leben.
Was so ein besserwisser sonst noch alles macht, oder wie man einer werden kann, gibt’s hier nachzulesen: www.die-besserwisser.org
Der “fuchs“, Passaus erstes nachhaltiges Informationsmagazin, wurde von der besserwisser eG im April dieses Jahres veröffentlicht und informiert Verbraucher über die Anbieter öko-fairer Produkte und Dienstleistungen in Passau und Umgebung.