Viechtach. Nachdenken über Gott und die Welt – das ist es, wozu Hubert Ettl in seinem Buch „Abenteuer des Glaubens“ (Verlag Friedrich Pustet) seine Leser einlädt. Dabei begibt sich der Begründer des Viechtacher lichtung-Verlags, wie es im Klappentext heißt, „auf die Suche nach einer undogmatischen christlichen Spiritualität“ – was auf den ersten Blick einen sympathischen Eindruck hinterlässt und auch weniger religiöse Glaubensanhänger dazu animieren könnte, sich auf Ettls „Erkundungen in unwegsamem Gelände“ (Untertitel) einzulassen.
Religion und Wissenschaft, Jenseits und Diesseits – ein Spannungsfeld, indem sich der moderne Mensch mit zunehmendem technisch-wissenschaftlichen Fortschritt immer weniger zurecht findet. Eine Atmosphäre, in der der Glaube zum Wagnis wird. Denn wirklich taxier- und skalierbar war dieser (ohnehin) noch nie – und ist es heute weniger denn je. Wer sich in der Jetzt-Zeit als gläubiger Mensch outet, wird häufig belächelt und als „Spinner“ abgetan. Die selbstverschuldete Krise der Kirchen, der katholischen wie der evangelischen, die sich seit Langem den dringend notwendigen Reformen verwehren, scheint allgegenwärtig, wie Ettl dies im Kapitel „Wege in die Zukunft“ beschreibt.
„Bin ich oft der Resignation nahe“
Der 72-Jährige plädiert daher „für einen Glauben als Abenteuer der Seele, des Geistes und der menschlichen Freiheit, mit dem vielleicht auch die ökologische Krise unserer Zeit überwunden werden kann“. Seine Erkundungen wenden sich weniger an die Kirche selbst denn „an die Suchenden und Gläubigen, auch an die Pfarrer und Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Gemeinden“, wie Ettl weiter schreibt – und ergänzt ehrlich wie schonungslos: „Was meine Kirche betrifft, ihr sich Nicht-trauen, bin ich oft der Resignation nahe.“
Und dann stellt er eine entscheidende Frage: „Haben wir Heutigen es mit dem religiösen Glauben nicht deswegen oft so schwer, weil wir uns zu wenig auf das Staunen als einen Kern des Glaubens einlassen?“ Ja, da mag was dran sein. Jenes Staunen, mit dem wir in unserer Kindheit ganz wie von selbst die Welt entdeckt haben, scheint im Laufe der Zeit, des Erwachsenwerdens, verschütt gegangen zu sein. All die kindliche Begeisterung, das vorurteilsfreie Herangehen, dieses Eintauchen, wie man es damals erlebt hat, wen einem die Mutter oder der Vater aus einem Märchenbuch vorgelesen und man sich darin voller Verzückung verloren hat. Wo ist es auf der Strecke geblieben?
Der Autor, der in seinem Leben eine On-Off-On-Beziehung mit dem christlichen Glauben einging und im Laufe der letzten zwanzig Jahre zu ihm zurückkehrte, kommt zu dem Fazit, dass der Glaube kein Besitz ist. Sondern eher ein Weg, „den wir ahnend und staunend, fragend und suchend gehen. Wo uns auch der Zweifel immer wieder packt.“ Etwas Abenteuerliches eben. Nichts Stringentes, Festgefahrenes, in Stein Gemeißeltes. Ein Hin und Her, ein Auf und Ab. Wellenhafte Erfahrungen des Staunens und Ahnens, wie Ettl es nennt, die immer wieder zum Antrieb für neues Suchen und Nachdenken werden.
Gewiss keine leichte Aufgabe
„Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion?“ – Goethes Gretchenfrage, Ettls Glaubensfrage, beschäftigt in Zeiten wie diesen, die von Unsicherheit und Unbeständigkeit geprägt sind, von Isolation und Rückzug, von Umschwung und Veränderung, wieder mehr Menschen. Sie richtet sich nicht nur an andere, sondern vor allem an einen selbst. Mit seinem Buch will der Viechtacher dazu anregen, die eigenen Glaubensperspektiven zu überdenken und sich mit der persönlichen Beziehung zum Glauben auseinander zu setzten. Das ist gewiss keine leichte Aufgabe und kann durchaus anstrengend werden. Doch es lohnt sich am Ende. Davon ist Hubert Ettl überzeugt – mit Staunen.
Stephan Hörhammer
Hubert Ettl: „Abenteuer des Glaubens“, Verlag Friedrich Pustet, gebundenes Buch, 168 Seiten, Preis: 16,95 Euro, ISBN: 9783791731902