„Wie der Regen, so die Regener / Frei fließend / Frei im Geist / Gemächlich und Perlend / Überlegt und Spritzig / Länderübergreifend hinaus in die Welt / Offen und Tolerant / Regen / Die Perle am Fluss / Unser liberales Städtchen„
Regen. So konnte man es am Samstagvormittag auf einem Transparent in der Regener Innenstadt lesen. Die Trägerin, eine offenbar ebenso poetisch begabte wie politisch engagierte Einheimische hatte sich vor dem Rathaus zu rund 150 Demonstranten gesellt, die knapp 35 Anhängern der neonazistischen Kleinpartei „Der Dritte Weg“ Paroli boten.
Als Grund für den Aufmarsch hatten die Rechtsextremen eine kürzlich angezeigte Straftat vermeldet – den Überfall auf einen jungen Mann im Regener Kurpark. Aus ihrer Sicht war es hier zu folgendem Vorfall gekommen: „Scheiß Deutscher“ soll eine Stimme mit ausländischem Akzent gerufen, gleichzeitig soll eine weitere Person von hinten auf den 32-jährigen Deutschen eingeschlagen haben. Zitat: „Die zwei fremdländischen Deutschenhasser traten schließlich mit den Füßen auf das wehrlos am Boden liegende Opfer ein und flüchteten im Schutze der Nacht unerkannt Richtung Kurpark-Pavillon.“
„Verurteilen Gewalt genauso wie Missbrauch von Einzeltaten“
Miriam Werner, Mitorganisatorin der Gegendemonstration, ließ dieses Ereignis nicht unkommentiert: „Wir wollen eine friedliche Gesellschaft. Gewalt jeder Art – egal, durch wen und gegen wen – verurteilen wir aufs Schärfste.“ Man verurteile allerdings auch den Missbrauch und die Instrumentalisierung möglicher Einzeltaten, um Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich und verallgemeinernd in ein schlechtes Licht zu rücken.
Einige Vertreter des linken Lagers vermuteten hinter der „hastig aus dem Boden gestampften Rechtskundgebung“ auch eine Reaktion auf die Geschehnisse vom Montag: Hierbei hatten sich Protestierende am Rande des Söder-Besuchs medienwirksam auf der Ludwigsbrücke mit Schwimmwesten und Schlauchbooten für die Entkriminalisierung der privaten Flüchtlingsseerettung stark gemacht.
Erst Mittwochabend war die Nachricht von dem geplanten Aufmarsch zu Regens Landrätin Rita Röhrl, Stadträtin Dr. Petra Wulff-Werner (B’90/Die Grünen) und Thomas Kähler, Kreisvorsitzender des DGB, gelangt. „Aufgrund der Kurzfristigkeit konnten wir nur noch via Social Media zum Protest aufrufen“, berichtete Kähler. „Umso schöner, dass so viele Menschen gekommen sind, um unsere ausländischen Freunde und Nachbarn gegen rechte Hetze zu verteidigen.“ Ein Auftrag, den die Gegendemonstranten sehr ernst nahmen: Mit lautem Pfeifen und Buh-Rufen beantworteten sie die Propaganda-Redebeiträge der Neo-Nazis in unmittelbarer Nähe des Regener Wochenmarkts. Durch das mehrmalige Anstimmen der deutschen Nationalhymne sollte deutlich gemacht werden, dass Einigkeit, Recht und Freiheit keinen Platz für Fremdenhass lassen.
Auf Heimatliebe ganz ohne Nationalismus stimmte auch Jens Schlüter, Grünen-Bezirksvorsitzender in Niederbayern, mit seinem Schild „A Mass gegen Hass“ ein. Genauso wie die SPD-Kreisvorsitzende aus Freyung-Grafenau Bettina Blöhm, die „gegen Rechts klapperte“. Neben den Landkreisbürgern hatten Feriengäste ebenso ihren Weg zum Rathaus gefunden wie ehemalige minderjährige Geflüchtete.
Einsatzkräfte der Polizei hatten alles unter Kontrolle
Bei so viel ideellem wie lokalem Gegenwind konnte sich Walter Strohmeier, vorbestrafter Schläger und sog. Stützpunktleiter des Dritten Wegs für den Raum Ostbayern, die ein oder andere Spitze nicht verkneifen – und wähnte sich (nicht untypischerweise) in der Opferrolle: Es sei aus seiner Sicht bezeichnend, „dass ‚Die Gedanken sind frei‘ gesungen wird, wir unsere freie Meinung aber nicht kundtun dürfen sollen“.
Vor seinen Mitgliedern und Gastrednern – unter anderem dem verurteilten Rechtsterroristen Karl Heinz Statzberger – musste er dann auch das außerordentliche Läuten der Kirchenglocken entschuldigen – sei doch auch die Kirche „den Machthabenden mittlerweile gleichgeschaltet“. Nach etwa eineinhalb Stunden, als schließlich die Feuerwehrsirenen losheulten, packten die Anhänger des Dritten Wegs ihren spärlich frequentierten Infostand zusammen – und machten sich im Verbund auf den Rückweg zum Bahnhof. Ein Gutteil der Unterstützer war von weit her angereist: Sie kamen aus Aschaffenburg, Baden-Württemberg, dem Großraum Nürnberg und München nach Regen.
Dass es zwischen den beiden Parteien weder zu Ausschreitungen noch zu Anzeigen gekommen war, werteten die anwesenden Einsatzkräfte der Polizei als positiv. Sie hatten die Kundgebungen den ganzen Vormittag über zuverlässig und trotz großer Hitze getrennt gehalten, wofür sie nicht nur von Rita Röhrl großes Lob ernteten.
da Hog’n