Tja, auf Uncle Al, den Ministry-Chef-Drogenpapst und -Ideologen ist eben Verlass. Immer dann, wenn die Führung seines Landes mal wieder so richtig am Rad dreht, schmeißt er ein Album auf den Markt, das in gewohnt bitterböser und anarchischer Manier eben diese Missstände anprangert und bloßstellt.
Und auch wenn seine Formkurve (drogenbedingt, klar) schon mal schwankt, auch wenn er eigentlich gar nicht mehr weitermachen will – wenn ein politischer Super-GAU wie Donald Trump ans Ruder kommt, dann kann Uncle Al nicht anders und legt jetzt mit dem KKKlever betitelten „AmeriKKKant“ einen Hassbrocken vor, dessen erstes Intro-Sample-Feuerwerk „I Know Words“ Trumps unsägliches Wahlkampf-Geschwurbel „Let’s Make America Great Again“ mittels Technikspielereien zu genau dem werden lässt, was es ist: klebriger Kaugummi ohne Struktur, auf dem der Chef-Prolet der Freien Welt, mit seinen populismusgebräunten Hauern geifernd rumkaut.
Al Jourgensen: „Wir machen ein verdammtes Album – jetzt!“
„Twilight Zone“, der erste „echte“ Song auf dem 14. Album der Industrial-Ikone aus Chicago, ist ein schwerer, wütend-stampfender Batzen, der einerseits mit Al Jourgensens aggressivem Geschrei über den monotonen Gitarren zu punkten weiß, andererseits aber mit nett gesampleter Harmonika ein wenig Blues ins Sample-Mischmasch bringt.
„Wir machen ein verdammtes Album – jetzt!“ – so hat Uncle Al am Wahlmorgen des 9. Novembers auf die Wahl Trumps reagiert. Und das Album ist wichtig. Es ist mindestens genauso wichtig wie „The War On Errorism“ von NOFX, das die Punk-Band um Fat Mike 2003 nach der Wahl der letzten richtig großen Polit-Katastrophe in den USA, George W. Bush, veröffentlicht hatte – und auf dessen Cover Bush als gefährlicher Clown abgebildet ist.
Was prima zu „Victims Of A Clown“, dem dritten Song auf „AmeriKKKant“ passt, auf dessen Cover eine Freiheitsstatue zu sehen ist, die ob dessen, was die Landesführung da so alles veranstaltet auch nur noch die Hände vorm Kopf zusammenschlagen kann. Eingängig sind die neun Songs auf Ministrys neuestem Werk nicht gerade, aber sie sollen wohl auch eher Statements sein als Melodiewundertüten. Zu diesen mit über acht Minuten langen, aber nie langweiligen und sich lava-artig durch die Gehörgänge lavierenden Songs kommen Geräusch-Collagen wie „TV 5-4 Chan“, das in 45 Sekunden den Irrsinn der Vereinigten Staaten auf den Punkt bringt. Und schon geht’s nahtlos in die geilste Geschwindigkeits-Hass-Orgie seit „Jesus Built My Hotrod“ vom 92er-Meisterwerk „Psalm 69“, dem grandiosen „We’re Tired Of It“, über. Was für ein Brett!
Leider nicht, Al, leider anscheinend wirklich nicht…
„Wargasm“ hat dann nichts mit der gleichnamigen Band zu tun, ist garstig, düster und kalt-maschinell. „Antifa“ hingegen überrascht mit Twang-Gitarren, einem eingängigen Refrain und ebenfalls kalter, nackter Wut. Und nicht zuletzt dem Willen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten: „Ich habe meinen Beitrag geleistet und über die gesellschaftlichen Bedingungen gesprochen, die dazu führen, dass ein solch blödsinniger Idiot gewählt würde. Dies ist kein Anti-Trump-Album, es ist eher ein Album, das fragt: Hast du in der Schule aufgepasst? Hat niemand mehr eine intellektuelle Neugier?“. Man ist versucht zu sagen: Leider nicht, Al, leider anscheinend wirklich nicht… „Game Over“ und der Titeltrack runden diese gute Dreiviertelstunde politischer Agitation gegen einen neuen „American Nightmare“ ab.
Und die Summe dessen macht die neue Ministry-CD zu einem gleichermaßen wichtigen wie tragischen Werk. Eines, das man als politisch interessierter Mensch aber gehört haben sollte.
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 30. März 2018
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 9
- Spielzeit: 47:58 Minuten
- Preis: ca. 13 Euro