Karlsruhe. Es ist ein Fall, der deutschlandweit Beachtung findet – mit einem Oberst a.D. aus dem Bayerwald in einer der Hauptrollen. Die Bundesanwaltschaft mit Sitz in Karlsruhe hat am 11. Dezember 2023 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main Anklage gegen neun mutmaßliche Mitglieder einer terroristischen Vereinigung erhoben. Darunter auch Maximilian E., der Anfang Oktober bereits wegen einer anderen Angelegenheit vor Gericht stand – und in der Vergangenheit mehrmals bewusst den Weg an die Öffentlichkeit gesucht hatte.
„Die Angeschuldigten Maximilian E., Rüdiger v. P. und Peter W. sind hinreichend verdächtig, eine terroristische Vereinigung gegründet und sich anschließend an ihr als Mitglieder beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1StGB). (…) Alle vorgenannten Personen sind auch wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 Abs. 1 StGB) angeklagt“, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft.
„Überzeugt, dass Deutschland von ‚Deep State‘ regiert werde“
In der Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt, den das Onlinemagazin da Hog’n im Wortlaut wiedergibt:
„Die Angeschuldigten gehörten zu einer Ende Juli 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Die Angehörigen der Vereinigung verband eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Sie folgten einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen, bestehend aus Narrativen der sog. Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie. So waren sie fest davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sog. „Deep State“ regiert werde. Befreiung verspreche die sog. „Allianz“, ein – tatsächlich nicht existierender – technisch überlegener Geheimbund von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika.
Sie wollten laut Anklage einen Systemsturz herbeiführen
Vor diesem Hintergrund plante die Vereinigung ab August 2021, mit einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Abgeordnete des Deutschen Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. Hierfür trat die Vereinigung in konkrete Vorbereitungen ein, wie die Rekrutierung von militärischem Personal, die Beschaffung von Ausrüstung und die Durchführung eines Schießtrainings. Ab Mitte April 2022 führte die Vereinigung dieses Vorhaben nunmehr im engeren Kreis fort.
Zugleich setzte die Vereinigung verstärkt auf den Aufbau bundesweiter, flächendeckend operierender bewaffneter Kräfte. Hierzu propagierte sie eine Zusammenarbeit mit der „Allianz“. Jene sah vor, dass der Geheimbund ein Zeichen für den Eintritt des sog. „Tag X“ als Signal für das Eingreifen der Vereinigung geben werde. Der Eintritt dieses Ereignisses unterlag der Deutungshoheit der Vereinigung.
„Machtübernahme mit Tötung von Menschen verbunden“
Unter anderem wurde der Tod von Queen Elizabeth II als derartiges Signal diskutiert. Während die „Allianz“ dann einen ersten Angriff auf die obersten staatlichen Institutionen ausführen sollte, wollte die Vereinigung anschließend in Eigeninitiative die Beseitigung der verbliebenen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene übernehmen. Zu diesem Zweck hatten die Angehörigen der Vereinigung bereits mehrere sog. Feindeslisten erstellt.
Zudem sah sich die Vereinigung in der Verantwortung, für eine politische Neugestaltung Deutschlands nach dem Umsturz zu sorgen. Ihren Mitgliedern war bewusst, dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden wäre. Unter den Vereinigungsmitgliedern galt als sicher, dass es zeitnah zu einem Einschreiten der „Allianz“ in Deutschland kommen würde.
„Zentraler Ansprechpartner: die Russische Föderation“
Ab Sommer 2021 traf die Gruppierung für den Umsturz und die anschließende Absicherung der Macht zahlreiche konkrete Vorbereitungen. Als zentrales Gremium fungierte der „Rat“, der sich – ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung – aus verschiedenen Ressorts, namentlich „Militär“, „Inneres“, „Gesundheit“, „Äußeres“ und „Justiz“, zusammensetzte. Der „Rat“ sollte nach dem Umsturz als Übergangsregierung fungieren und – dem klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend – die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln.
Zentraler Ansprechpartner dafür war aus Sicht der Vereinigung ausschließlich die Russische Föderation. Seit Februar 2022 trafen sich die Ratsmitglieder regelmäßig zu Sitzungen, um das weitere Vorgehen zu planen.
Angegliedert an den „Rat“ war der „militärische Arm“. Diesem Teil der Vereinigung oblag es, die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen. Bewerkstelligt werden sollte dies über ein bereits im Aufbau befindliches deutschlandweites System von insgesamt 286 militärisch organisierten Verbänden, den sog. „Heimatschutzkompanien“.
„Finanzielle Mittel i.H.v. 500.000 Euro“
Der „militärische Arm“ hatte einen Führungsstab, welcher sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der sog. „Heimatschutzkompanien“ befasste.
Auf Geheiß des „militärischen Arms“ wurden diverse Rekrutierungsveranstaltungen durchgeführt, bei denen es vor allem darum
ging, aktive oder ehemalige Angehörige der Bundeswehr und Polizei für die Vereinigung anzuwerben.Die Vereinigung verfügte über finanzielle Mittel in Höhe von etwa 500.000 Euro. Sie hatte Zugriff auf ein massives Waffenarsenal, bestehend aus insgesamt rund 380 Schusswaffen, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffen- sowie mindestens 148.000 Munitionsteilen. Vereinigungsmitglieder schafften zudem eine Vielzahl sonstiger militärischer Ausrüstung an, darunter ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln.
„Maximilian E. gehörte zu den Gründungsmitgliedern“
Mit der Zeit schottete sich die Vereinigung nach außen zunehmend ab. Mitglieder und Interessenten hatten eine sog. Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Verstöße dagegen sollten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet werden.“
Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung wird auf jeden Angeklagten einzeln eingegangen – somit auch auf Maximilian E.:
„Oberst a. D. Maximilian E. gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung. Bei einer Zusammenkunft am 29. Juli 2021 verabredete er mit Rüdiger v. P., Peter W. sowie den vor dem Oberlandesgericht München angeschuldigten Ruth L., Thomas T. und Harald P., die staatliche Ordnung in Deutschland mit Waffengewalt zu beseitigen. Unter Beteiligung von Birgit M.-W., Harald P. und Peter W. kundschaftete er im August 2021 die Liegenschaften des Deutschen Bundestages in Berlin aus.
„Todfasten“ in der U-Haft misslang
Zudem kontaktierte Maximilian E. gezielt aktive Soldaten der Bundeswehr (darunter auch zwei Generäle), um sie – wenngleich
erfolglos – für die Ziele der Vereinigung zu gewinnen. Überdies setzte er wiederholt Gelder der Vereinigung für die Anschaffung von Waffen und sonstiger Ausrüstung ein. Im Januar 2022 erstellte er den Entwurf für eine Absetzungserklärung der Bundesregierung.“
E., einst Kommandeur des Bataillons 112 in Regen und zuletzt wohnhaft in der Gemeinde Eppenschlag, war der Mitteilung zufolge wie weitere Mitstreiter am 7. Dezember 2022 festgenommen worden. Seitdem befand er sich in Untersuchungshaft, in deren Rahmen er mit einem Hungerstreik auf sich aufmerksam machte. Mit diesem „Todesfasten“ wollte er sich selbst umbringen und sich somit der Gerichtsbarkeit entziehen, was ihm jedoch nicht gelang.
Helmut Weigerstorfer