Freyung. „Wo finde ich denn hier die Ludwig-Heydn-Straße?“ So mancher Freyunger wird auf diese Frage mit einem Schulterzucken reagieren – und als Antwort lediglich ein „Weiß ich nicht“ parat haben. Doch auch wer diese Straße, die hinter der Sparkasse den Hammerberg hinab zum Volksfestgelände führt, richtig verortet, weiß mit dem Namen Ludwig Heydn vielleicht wenig anzufangen.
Dabei sollte der Name eigentlich jedem Freyunger geläufig sein, denn bei Ludwig Heydn handelt es sich um jenen Bürgermeister, in dessen Amtszeit die Erhebung Freyungs zur Stadt fiel. Dieses Ereignis jährt sich am 3. Dezember 2023 zum siebzigsten Mal. Freyung durfte sich also ab dem 3. Dezember 1953 Stadt nennen. Die große Stadterhebungsfeier fand dann erst ein halbes Jahr später, am 27.Juni 1954, statt.
Schwierige Aufbaujahre nach dem Krieg
Dass Freyung sich bereits so kurz nach Kriegsende zur Stadt entwickelte, war erstaunlich. Denn die Aufbaujahre nach dem Krieg waren schwierig. Die Regierungsgewalt lag bei der amerikanischen Militärregierung, die dafür Sorge trug, dass das Leben in Freyung wieder ins Laufen kam. Da galt es die Nahrungsmittelversorgung zu garantieren, die Trinkwasserversorgung zu sichern, den Abtransport zwangsverschleppter Soldaten zu organisieren, Wohnungen für die Evakuierten und die zahlreichen Flüchtlinge zu beschaffen – und vieles andere mehr. Zudem nahmen die Amerikaner die Entnazifizierung in Angriff.
Erste Kommunalwahlen im Jahr 1946
Um all die enormen Aufgaben nicht alleine schultern zu müssen, bemühte sich die amerikanische Militärregierung sehr bald, auch das politische Leben in Freyung wieder in Gang zu bringen. Parteien wurden wieder zugelassen und am 27. Januar 1946 fanden die ersten Kommunalwahlen statt. Die CSU errang sieben Sitze, die SPD zwei. Der Schuhmacher Josef Haas wurde zum ersten Freyunger Nachkriegsbürgermeister gewählt. Vermutlich ging der im Ort sehr bekannte Haas bei der Wahl zunächst nicht für eine bestimmte Partei ins Rennen, in späteren Jahren trat er dann für die „Überparteiliche Wählergemeinschaft“ an.
Licht und Schatten: die Amtszeit des Bürgermeisters Josef Haas
Die Probleme, die Bürgermeister Haas und sein Gemeinderat zu lösen hatte, waren enorm: Nahrungsmittelmangel, Versorgung und Integration der Flüchtlinge, sehr hohe Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Mängel in der Infrastruktur, darniederliegende Industrie. Haas und seine Mitstreiter schlugen sich dennoch wacker. Und allmählich bekam man die Probleme in den Griff.
Josef Haas wurde 1948 als Bürgermeister bestätigt. Nach der Währungsreform ging es dann spürbar aufwärts in Freyung. Immer mehr Betriebe nahmen ihre Arbeit auf oder wurden neu gegründet, wie z.B. die Kunstharzpresserei Salek Löffler. Wohnungen (Vdk-Häuser, Flüchtlingssiedlung am Hammerberg) wurden gebaut, die Mittelschule entstand, neue Wasserversorgungsanlagen sollten die katastrophale Wassernot lindern. Die zahlreichen Vertriebenen wurden immer besser integriert, sie hatten einen wesentlichen Anteil an dem allmählichen Aufschwung.
Auf den ersten Blick also eine durchaus beeindruckende Leistungsbilanz, die Bürgermeister Haas in seiner Amtszeit vorweisen konnte. Aber weitere Problemfelder taten sich auf, z.B. was die Kanalisation betrifft. Vor allem stieg der Schuldenstand in schwindelerregende Höhen. Fast 500.000 Mark Schulden drückten mächtig auf den Haushalt der 2.000-Einwohner-Gemeinde. Diese Summe erscheint noch bedrückender, wenn man bedenkt, dass Freyung ein jährliches Steueraufkommen von lediglich 76.000 DM vorweisen konnte. Allmählich wurde Kritik an Josef Haas laut – sein Nimbus bröckelte.
Schlamperei oder dreister Betrug: Der Freyunger Wahlkrimi von 1952
Die oben aufgelisteten Erfolge seien, so die Meinung der CSU, nicht zuletzt auch auf ihre fruchtbare Arbeit im Gemeinderat zurückzuführen. Gerne hätte man bei den nächsten Wahlen das Bürgermeisteramt für sich geholt. Und es positionierte sich nun tatsächlich ein Kandidat der CSU, nämlich der Bäckermeister Ludwig Heydn. Dieser wohnte in einem Haus auf dem Gelände, auf dem später die Sparkasse errichtet wurde. Hier beginnt auch die Ludwig-Heydn-Straße, sodass der Bezug zum Namensgeber deutlich wird. Sein Bäckergeschäft führte Heydn jedoch in zentraler Lage auf dem Marktplatz (heute Stadtplatz 5). In letzter Zeit hatte das Lokal „Nachbarschaft“ hier seinen Sitz.
Die Gemeinderatswahlen waren auf den 30. März 1952 datiert. Für das Amt des Bürgermeisters bewarben sich drei Kandidaten: der amtierende Bürgermeister Josef Haas (Überparteiliche Wählergemeinschaft), Ludwig Heydn (CSU) und Karl Auerböck (SPD). Beim ersten Wahlgang hatte Haas knapp die Nase vorn vor Ludwig Heydn, jedoch nicht die erforderliche Mehrheit erreicht, sodass es zu einer Stichwahl kam. In einem kurzen, aber heftigen Wahlkampf warben Haas und Heydn um die Gunst der Wähler. In der Stichwahl setzte sich nun Heydn durch – sein Vorsprung betrug nur 29 Stimmen. Aber es reichte, Freyung hatte einen neuen Bürgermeister.
Im März war auch der Gemeinderat gewählt worden. Mit Vorteilen für die CSU. Aber das Wahlergebnis hatte keinen Bestand. Es gab Zweifel an der Richtigkeit der Auszählung. Deshalb prüfte man nach. Dabei stellte sich heraus, dass 129 (!) ursprünglich als ungültig gewertete Stimmzettel letztlich offenbar doch gültig waren. Durch die Neuauszählung hätte die CSU ein Mandat verloren. Nun drängte sich der Verdacht auf, dass diese Stimmzettel nachträglich manipuliert worden waren.
Tatsächlich war es bei den Auszählungen nicht mit rechten Dingen zugegangen. Man fand heraus, dass nach der Wahl die abgegebenen Stimmzettel drei Tage lang ganz offen auf einer Fensterbank in einem unverschlossenen Büro im Rathaus herumgelegen hatten. Also geradezu eine Einladung an potenzielle Wahlfälscher. Und jemand hatte diese Einladung offensichtlich gerne angenommen und die Stimmzettel nachträglich verändert. Leider konnte der Übeltäter nicht ermittelt werden. Nach den nachweisbaren Verstößen gegen die Wahlvorschriften und nach der mutmaßlichen Manipulation der Stimmzettel gab es nur eines: Die Wahl musste für ungültig erklärt und wiederholt werden.
Wahlkampf mit harten Bandagen: Klarer Sieg von Ludwig Heydn
Erneut begann also der Wahlkampf. Wobei dieser mit harten Bandagen geführt wurde.
So finden sich in einem von Ludwig Heydn eigenhändig getippten Entwurf für eine Anzeige, ein Flugblatt bzw. Plakat heftige Vorwürfe gegenüber den politischen Konkurrenten. Heydn tituliert diesen sinngemäß als „Wühler“, „Spalter“, „Vertreter einer persönlichen Interessenpolitik“ und „Wirtshauspolitiker“. Die Gegenseite dürfte in ihrer Wortwahl sicherlich auch nicht zimperlich gewesen sein.
Das Ergebnis der am 21. September 1952 durchgeführten Wiederholungswahl war in puncto Bürgermeister-Entscheid diesmal eindeutig: Ludwig Heydn erhielt 769 Stimmen, Josef Haas lediglich 265. Damit saß Heydn als Bürgermeister nun fest im Sattel.
Die CSU durfte sich als Wahlsieger sehen. Sie errang fünf Sitze, der neu formierte BHE (Block der Heimatvertriebenen) zwei Sitze, die SPD ebenfalls zwei Sitze – und als Parteiloser zog Josef Lang in den Gemeinderat ein.
Beträchtliche Aufwärtsentwicklung und Eingemeindungen
In Freyung setzte sich der Aufschwung während der Amtszeit des tüchtigen Bürgermeisters Ludwig Heydn kontinuierlich fort. Die Arbeitslosenzahl sank, das Krankenhaus wurde erweitert, das gesellschaftliche Leben nahm Fahrt auf. Und ja, Freyung bekam zwei Kinos! Aber trotz aller Positiv-Entwicklungen bemaß sich die Bedeutung des Ortes auch an der Einwohnerzahl. Und die dümpelte bei knapp über 2.000 dahin. Eindeutig zu wenig für den Status einer Stadt, den man so gerne gehabt hätte.
Doch das änderte sich sehr bald. Im Laufe des Jahres 1953 strebte Freyung die Eingemeindung der Dörfer Ahornöd und Ort an. Da gab es Aufklärungsversammlungen und heiße Diskussionen. Letztlich entschieden sich die Bewohner der beiden Dörfer für die Eingemeindung. Diese sollte dann 1954 vollzogen werden.
Damit war ein entscheidender Schritt hin zur Stadterhebung getan: Freyung hatte auf einen Schlag seine Einwohnerzahl fast verdoppelt auf ca. 4.200 Einwohner und war zudem Sitz der Kreisbehörde. Obendrein hatte sich auch die Gemeindefläche erheblich vergrößert. Das stärkte natürlich das Selbstvertrauen der hiesigen Lokalpolitiker.
Stadterhebung 1953: Passau übernahm die Patenschaft
Nun hatten die Freyunger auch den Mut, beim Bayerischen Staatsministerium des Innern die Erhebung zur Stadt zu beantragen. Mit Erfolg: Das Ministerium verlieh am 3. Dezember dem Markt Freyung tatsächlich die Bezeichnung „Stadt“. Passau übernahm die Patenschaft. Die Festfeier und die Überreichung der Stadterhebungsurkunde sollten am 27. Juni 1954 stattfinden. Aber bereits ab dem 3. Dezember 1953 durfte sich Freyung „Stadt“ nennen. Und für die Stadterhebungsfeier nahm man sich Großes vor – wie es sich schließlich für eine Stadt gehört…
Kreisheimatpfleger Gerhard Ruhland