Bad Aibling. Fast 40 Jahre ist der im Oberbayerischen beheimatete Liedermacher Werner Schmidbauer mittlerweile auf den Bühnen dieser Welt unterwegs. Er tourte mehr als zwei Jahrzehnte mit dem kongenialen Martin Kälberer, davor mit der Band „SchmidbauerS“, ganz zu Beginn seiner Karriere als „Duo Jedermann“ mit Ecco Meinecke oder – für viele unvergessen – mit der Band „Folksfest“. Gemeinsam mit Pippo Pollina und Martin Kälberer stellte er das Projekt SÜDEN auf die Beine, das ihn letztlich in die altehrwürdige „Arena di Verona“ führte. Nun gibt es für den 56-Jährigen eine weitere Premiere: Seit Oktober 2017 ist er erstmals solo unterwegs – mit seinem Programm „bei mir“. Wobei – so ganz allein ist er dabei auch wieder nicht…
Kurz vor Weihnachten ist die zur Konzerttour passende CD mit dem Titel „bei mir | solo & live“ erschienen. Es sei ihm ein Bedürfnis, seine Lieder endlich einmal pur – also nur mir Gitarre, Harp und Stimme – erklingen zu lassen. Ungefiltert durch andere Sounds und Arrangements soll das Publikum die Essenz seiner Songs erleben können.
Persönliche Zeugnisse von Schmidls jeweiliger Stimmungslage
Nach den Abschlusskonzerten im Juli 2016, die das vorläufige Ende der Zusammenarbeit von „Schmidbauer & Kälberer“ bedeuteten, nahm sich der Bad Aiblinger eine einjährige Auszeit. Zeit zum Reisen. Zeit für sich. Und Zeit, zu sich zu finden. Er sagt: Die damit verbundene Ruhe haben ihn wieder „zu sich selbst gebracht“. Er sei wieder bei sich angekommen. Und wollte aber dann, nach jener Auszeit, wieder „zu euch“, zu seinem Publikum. Im Zuge dessen entstand das aktuelle Programm „bei mir“.
Große Worte. Aber schafft es Schmidbauer diese zweifelsfrei vielversprechenden Ankündigungen auch auf der Bühne bzw. dem Live-Album in die Tat umzusetzen? Seinen Anhängern wird gleich beim ersten Blick auf die Songliste auffallen: Die großen und bekannten „Gassenhauer“, die ihm nicht nur in Bayern zu großer Bekanntheit verholfen haben, sucht man hier vergebens. Kein „Pfeilgrodaus“, kein „Momentnsammler“, kein „Wo bleibt die Musik?“. Stattdessen Lieder, die vermutlich selbst den treuesten Fans erst wieder ins Gedächtnis gerufen werden müssen. Die irgendwann einmal veröffentlicht wurden. Die schon ewig nicht mehr oder gar überhaupt noch nie live von ihm präsentiert wurden. Die aber alle eines gemeinsam haben: Sie sind sehr persönliche Zeugnisse der jeweiligen Stimmungslage des Liedermachers.
Genau das war es auch, was Schmidbauer mit dieser Tour schaffen wollte: „Es ist das wahrscheinlich persönlichste Programm, das ich je gespielt habe“, sagt er. Und ja: Nach dem Hören der CD bzw. nach dem Besuch eines Konzerts stellt sich das Gefühl ein, man habe Schmidbauer ein Stück seines Weges „zu sich“ selbst begleitet. War der Faktor „Echtheit“ schon immer ein besonderes Kennzeichen seiner Songs und Programme, so scheint er diesen mit „bei mir“ nochmals auf ein ganz neues Level zu hieven.
Pur: Kein Mikro, kein Verstärker – nur Stimme und Gitarre
So beginnt das Album mit einer recht intimen wie ausdrucksstarken Version seines Glaubensbekenntnisses „I glaub“. Er schildert darin, dass er ganz genau weiß, woran er glaubt. Und auch, an was er nicht glaubt – was vielleicht sogar noch wichtiger sein mag. Bei seinen Konzerten singt Schmidbauer diesen Song – sofern es der Rahmen zulässt – übrigens pur: ohne Mikro, ohne Verstärker. Nur Stimme und Gitarre – ein Garant für absolute Gänsehautatmosphäre.
„Lacha und lebn“: Ein Stück, das bereits auf der „Wo bleibt die Musik?“-Scheibe veröffentlicht worden ist. Dort aber „nur so“ mitlief. Und es bisher auch noch nicht auf die Bühne schaffte. Das livehaftige Moment, reduziert auf Harp und Gitarre, tut diesem Song richtig gut. Ebenso gefällt, dass es Teile der Anmoderationen auf die CD geschafft haben: So erzählt Schmidl bei „Da wo de Leit san“ von seinen Reisen während seiner Auszeit, davon, dass er mittlerweile gut mit sich alleine sein kann – aber dann auch wieder gerne dort ist, „wo de Leit san“.
„Anna, sing!“ lautet der Titel eines bekannteren Schmidbauer-Werks, das er für seine Tochter geschrieben hat. Nachdem diese, damals fünfjährig, ganz vehement einen Song für und über sich eingefordert hatte, sah sich der Vater dazu „inspiriert“. Herausgekommen ist ein herrlich-ehrliches sowie munteres Stück – Eltern werden dies aufgrund seines zeitlosen Aktualitätsanspruchs bestätigen können…
Felder voller Gold: Legendäres Sting-Cover auf Boarisch
Der einzige Titel, der nicht aus Schmidbauers Feder stammt, ist „Felder voller Gold“. Das Original von Sting hatte er mit Martin Kälberer eingespielt und eine bayerische Version daraus kreiiert. Legendär dabei war stets Kälberers Klavier-Intro. Nun, in der „Nur-Gitarren-Version“ wirkt der Song noch vertrauter und noch herzlicher – vor allem, wenn Schmidbauer von den „Feijdan voija Goijd hinter Oabling“ singt. Wer sie kennt, wird sich an die Version der wunderbaren Eva Cassidy erinnert fühlen.
„Mein Vater war ein Jahr jünger als ich jetzt, als er verstorben ist“, erklärt Werner Schmidbauer. Ihm hat er den Song „Dei Liacht“ gewidmet. In seinen einführenden Worten schwingt viel Nachdenklichkeit und Sentimentalität mit, die sich auch im Text widerspiegeln. „Andere Lieder“ gibt es schon seit vielen Jahren, es wurde aber bis dato noch nie live von ihm gespielt. Es entstand in der Zeit nach der, wie Schmidbauer erzählt, sehr harten Trennung von seiner ersten Frau.
Beim Hören von „Stolz drauf“ fühlt man sich unweigerlich an die großen Singer/Songwriter erinnert. Vor allem dann, wenn Schmidl den Song mit Gitarre und Harp performt und dazu die starke und wichtige Botschaft hinausruft: „Mit dem Stolz ist das so eine Sache: Richtig stolz kann man eigentlich nur auf das sein, was man selbst gemacht hat, oder wo man selbst dabei war. Und auf sonst gar nichts.“ Eine Aussage, die aus einem Gespräch mit seinem Vater stammt und sich auf einen derzeit wieder weltweit aufkeimenden und bedenklich- überschwänglichen Nationalstolz bezieht.
Werner und Valentin: Wenn der Vater mit dem Sohne…
Richtig spannend wird es dann beim „Nebelmeer“, als während des Songs plötzlich eine zweite Stimme auf der Bühne erklingt – die seines Sohnes Valentin. Mit dem 30-Jährigen gibt Werner Schmidbauer in der Folge einige Lieder zum Besten. Und so ist seine Solo-Tour dann doch wieder keine reine – was er ohne Umschweife auch zugibt: „So ganz allein ist ja auch langweilig.“
Das Vater-Sohn-Duo harmoniert wunderbar, ergänzt sich gut. Eine Konstellation, die den beiden merklich Spaß macht. Und auch wenn der dialektale Unterschied – Valentin lebt in Berlin – anfangs noch überraschend wirkt, so „gewöhnt“ sich das Ohr des Zuhörers schnell daran. Valentins Eigenkreationen „Zweifel über Bord“ und „Bad Moon Kreising“ lassen erahnen, dass der Vater dem Sohn die Liedermacher-Gene mit in die Wiege gelegt hat.
Eine aktuelle Version des 2002 erstmals veröffentlichten Werks „Zeit der Deppen“ präsentieren die beiden Schmidbauers ebenfalls gemeinsam. „Das Lied entstand als Reaktion auf die damals regelrecht einsetzende weltpolitische Deppenschwemme. Bush, Berlusconi – plötzlich waren sie alle da. Aber ich war mir sicher, dass ich dieses doch sehr poltische Lied in drei bis vier Jahren wieder einstampfen kann. Denn ich war der Meinung, schlimmer kann es nicht mehr werden…“, fasst Schmidbauer in der Anmoderation zusammen. „Die Zeit hat uns aber leider etwas anderes bewiesen.“
Beim „Einfach nix“ beweist Valentin Schmidbauer dann, dass er des Bayerischen doch noch mächtig ist. „Abschied“ und das für seine Kinder geschriebene Lied „bei mir“ bilden den gelungenen Abschluss der gleichnamigen Live-CD.
Zwei Sets, die man nicht miteinander vergleichen kann
Persönliche Worte des Rezensenten: Ich verfolge das künstlerische Schaffen von Werner Schmidbauer mittlerweile seit vielen Jahren. Insbesondere seine Zeit mit Martin Kälberer haben mich ein großes Stück meines Weges begleitet. Ehrlich gesagt war ich anfangs etwas skeptisch ob der Tatsache, dass aus „Schmidbauer & Kälberer“ nun „Schmidbauer ohne Kälberer“ werden sollte. Dafür haben die beiden einfach zu perfekt harmoniert. Allerdings, nach mehrmaligem Hören des Live-Albums sowie einigen „bei mir“-Konzertbesuchen, muss ich feststellen, dass ein Vergleich hier nicht funktioniert. Denn es sind zwei komplett unterschiedliche Sets.
Schmidbauer solo & live ist tatsächlich anders. Bodenständig. Persönlich. Und vor allen Dingen: absolut authentisch. Man nimmt Schmidbauer in jeder Sekunde des Zuhörens ab, wie gut ihm diese Auszeit getan hat. Und wie wichtig ihm die Nähe zu seinem Publikum ist, das wiederum er durch seine Songs sehr nahe an sich ran lässt. Ja, er ist – nach all den Jahrzehnten seiner Karriere – jetzt wieder bei sich angekommen.
Und sollte es nicht eines der Ziele im Leben sein, bei all der Aufopferung für Job, Karriere und noch vieles mehr irgendwann wieder den Weg zurück zu sich selbst zu finden? Werner Schmidbauer trägt mit „bei mir“ dazu bei.
Daniel Eder
Schee gschriebn, Dane. Genauso is es. Danke für die treffenden Worte!
[…] Die ganze Rezension gibt es hier im Onlinemagazin “Da Hogn” zu lesen. […]