Der Winter ist lange vorbei. Und die ersten richtig warmen Tage liegen bereits hinter uns. Kaum hat man sich an den Einzug des Frühsommers gewöhnt, schlägt die Kälte mit voller Härte zurück. „Die Eisheiligen sind heuer wieder pünktlich auf die Minute. Erstaunlich, was?“, heißt es dann vielerorts. „Aber wenn die fünf Tage jetzt vorüber sind, haben wir es geschafft“. So oder so ähnlich läuft es dann noch einige Male im Jahr ab, wenn man die guten alten Kalender aus früheren Zeiten durchblättert. Von der Schafskälte ist da die Rede. Dann folgen die Hundstage, an denen es der Überlieferung nach besonders heiß werden soll. Oder wie wäre es damit: Während man in der Vorweihnachtszeit der Schneedecke beim Wachsen zusehen kann, wird es püntklich zu Heiligabend mild und das gefürchtete Weihnachtstauwetter spült das ganze weiße Gold wieder weg.
Lassen sich solche Witterungsabschnitte tatsächlich bestimmten Zeiträumen im Jahr zuschreiben? Gibt es das Chaos in der Wetterküche plötzlich nicht mehr? Wie um Gottes Willen will man dann schon am 1. Januar behaupten können, dass am 11. Mai der Eisheilige Mamertus mit seiner Kältekralle zuschlägt? Sind sogenannte Wettersingulariäten überhaupt statistisch nachweisbar?
Auf den ersten Blick ein reges Zick-Zack-Muster
Um diese Fragen beantworten zu können, ist es hilfreich, sich einen Überblick über die Temperaturverläufe innerhalb eines Jahres zu verschaffen. Am besten eignet sich dafür ein Klimadiagramm, das die mittleren Tagestemperaturen der vergangenen 30 Jahre abbildet, wie im grafischen Beispiel unsere Heimat-Wetterstation in Grainet/Rehberg. Sollte es in der Vergangenheit hier im Woid tatsächlich an bestimmten Tagen kälter als im Vergleich zu den anderen gewesen sein, müssten sich in den Mittelwerten deutliche Anomalien feststellen lassen.
Auf den ersten Blick ergibt sich in der Tat ein reges Zickzack-Muster, das den Schluss zulassen könnte, es gäbe tatsächlich bestimmte Warm- und Kalttage im Jahr. Nun ist aber bei genauerer Betrachtung selbst ein Datenvolumen von 30 Jahren noch viel zu wenig, um eine glatte Kurve abbilden zu können. Ist es innerhalb dieses Zeitraums an nur einem einzigen Tag deutlich wärmer oder kälter als im Mittel, so generiert dies sofort einen Ausreißer nach oben oder unten. Für eine statistische Behauptung, dass dieser Tag nun generell von der Norm abweicht, reicht das natürlich nicht aus. Bei einem idealen, unendlich langen Beobachtungszeitraum ergäbe die Auswertung sicher eine elegant geschwungene Sinuskurve – wie mit der Schablone gezogen.
Eine kleine Ungereimtheit bedarf einer genauen Analyse
Keine Abweichungen also? Folgt die Temperaturkurve im Jahresverlauf eins zu eins dem Sonnenstand? Nicht ganz. Trotz des zufälligen „Rauschens“ im Diagramm zeichnet sich tatsächlich eine kleine Ungereimtheit ab, die einer genaueren Analyse bedarf. Während es von Jahresbeginn an nahezu im Tagesrythmus bergauf und bergab geht, geschieht in der zweiten Aprilhälfte tatsächlich etwas, das sich nicht in den allgemeinen Trend einreihen will. Vom 18. April bis zum 2. Mai steigt das langjährige Mittel innerhalb von nur 15 Tagen stetig um 5,89 Grad an – umgerechnet: +0,39 Grad pro Tag. In keinem anderen Zeitraum schnellt das Thermometer so dermaßen schnell in die Höhe wie Ende April – und das ohne ein einziges Zucken nach unten. Man nennt dieses Phänomen daher auch „End-of-April-Warming“ (siehe Grafik, roter Pfeil).
Zurückzuführen ist dies vor allem auf das Abschmelzen der flächigen Schneedecken auf der Nordhalbkugel im Frühjahr. Während sie zu Beginn des Jahres nur langsam abtauen und sich der Schnee lange selbst kühlen kann, kippt diese Selbsterhaltung um den 18. April plötzlich um – und die Schmelze explodiert förmlich, sodass es quasi von heute auf morgen warm wird. Die umgekehrte Regel im Herbst gibt es hingegen nicht: Die Übergänge von Herbst auf Winter laufen – durchschnittlich betrachtet – fließender ab.
Wieder einmal wird bestätigt: Das Wetter macht, was es will
Auch für die übrigen Lostage im Jahr wie die Eisheiligen, die Schafskälte oder das Weihnachtstauwetter lässt sich kein terminlicher Nachweis erbringen. Dass es im Mai und sogar im Juni nochmal kalt werden kann, sollte auch ohne extra definierte „Witterungstage“ außer Frage stehen. Um diese Jahreszeit lauern noch genügend kühlere Luftmassen über den Ozeanen, die bei entsprechender Windlage nur zu uns geführt werden müssen. Eine Regel, dass diese kühlen Tage in einen bestimmten Zeitraum fallen – und ob überhaupt irgendetwas passiert, gibt es allerdings nicht. Wenn man so will, kann ein bestimmtes Phänomen sogar zwei- oder dreimal hintereinander auftreten. Legen wir uns also nicht auf bestimmte Kalendertage fest, um sagen zu können, ob es draußen warm oder kalt wird. Denn wenn es etwas gibt, dass man auch in 1.000 Jahren nicht sicher vorhersagen kann, dann wird es eins sein: das Wetter.
Euer Hog’n-Wetterfrosch Martin Zoidl
(Titelbild: pixabay.com/ Fossane)