Grafenau. Es gibt kaum jemanden in der Umgebung, der nicht die rührende Geschichte der Grafenauer Pizzeria “Da Peppo” kennt: Man schrieb das Jahr 1959, als sich ein Prokurist der Spiegelauer Glasfabrik nach Neapel aufmachte, um dort Glasschleifer für das heimische Werk abzuwerben. Zwanzig Neapolitaner konnte er damals für sich gewinnen – unter ihnen: Giuseppe Guarino. Es war schon eine rechte Umstellung und es brauchte damals eine Weile bis dieser sich im Bayerischen Wald ‚dahoam‘ fühlte. Ein Gespräch mit Raphael Guarino, Giuseppes Sohn, über die Anfänge im Woid.
„Nur zwei Italiener sind hier geblieben – der Liebe wegen“
„Von den zwanzig Italienern weiß ich nur zwei, die hier geblieben sind. Einer von ihnen war mein Vater“, erinnert sich Raphael, seit 1996 Geschäftsführer der Pizzeria „Da Peppo“. Für die meisten „zuagroastn“ Italiener dauerte der Aufenthalt in Niederbayern nur wenige Jahre. Giuseppe hingegen fand hier seine große Liebe – und erfüllte sich einen Herzenswunsch. Denn während seiner Tätigkeit in der Glasfabrik Spiegelau lernte Giuseppe seine spätere Ehefrau Erika kennen.
Egal wo er hinkam, immer traf er auf Menschen, die ihn zumeist herzlich empfingen. Auch mit der Hilfe eines Grafenauer Zahnarztes, der sich innerhalb kürzester Zeit mit der italienischen Sprache vertraut gemacht hatte, wurde die anfängliche Sprachbarriere schnell überwunden.
Giuseppes Vater war damals Inhaber einer Trattoria in einem Vorort Neapels. Und auch er wollte den Schritt in die Selbstständigkeit wagen: Mit seiner Frau Erika eröffnete er eine Trattoria. Dies war jedoch nicht nur irgendeine Pizzeria, sondern die erste im gesamten Bayerischen Wald.
Entgegen mancher Zeitungsberichte, in denen es heißt, dass die Waidler der italienischen Speisekarte anfangs skeptisch gegenübergestanden hätten, berichtet Raphael Guarino, dass die Neugierde auf kulinarische Abwechslung von Anfang an groß war. „Wir haben vom ersten Tag an sowohl Pizza als auch selbstgemachtes Eis angeboten“, schwärmt der 46-Jährige und betont, dass dies bis heute nach streng geheimem Familienrezept produziert werde.
„Noch heute kocht mein Vater für die Familie“
1982 wurde das alte Gefängnisgebäude dann abgerissen und die Guarinos kauften das Haus gegenüber, in dem zuvor die Metzgerei Hilz ansässig war. So mussten alle in der Familie mit Hand anlegen, um das Gebäude umzubauen und zu renovieren, bevor der Betrieb weitergehen konnte. Vater Giuseppe hat schließlich 1996 – nach mehr als 25 Jahren Restaurantleitung – das Zepter an seine Söhne Bene und Raphael übergeben. Die Eisherstellung hingegen war auch noch lange danach „Chefsache“, wobei dieses „Amt“ inzwischen Raphael ebenfalls inne hat. Danach gefragt, was denn ein gutes Eis ausmache, schwenkt er diskret lächelnd auf ein anderes Thema – jaja, das viel beschworene Familienrezept …
Wie für einen Italiener üblich, ist Giuseppe auch leidenschaftlicher Tifosi. Er verfolgt nahezu jedes Spiel des S.S.C. Napoli und verpasst keine Ausgabe der Gazzetta dello Sport. Außerdem lässt er es sich nicht nehmen, weiterhin hinter den Kulissen des „Da Peppo“ mitzuwirken. Heute noch ist er etwa für den Einkauf zuständig und sorgt somit dafür, dass der Pizzeria stets frische Waren zur Verfügung stehen. Kochen tut er aber nur noch für die Familie. „Am allerliebsten mag ich seine Penne mit Tomatensauce, ganz schlicht und einfach – und vor allem köstlich“, erzählt Raphael. Die Leidenschaft für das Kochen hat Giuseppe seinem Sohn Bene vermacht. Bene ist Küchenchef im „Da Peppo“ und bereitet die Speisen nach Familienrezept zu. Darüber hinaus ist er Angler und Jäger – was den Gästen hin und wieder in Form von frisch gefangenem Fisch und heimischem Wild zugute kommt.
2002 beschlossen die Brüder das Restaurant abermals zu renovieren und außerdem zu vergrößern. Sie legten dafür das alte Mauerwerk mitsamt Gewölbekeller frei, das aus dem Jahr 1639 stammt. Nach einigem Hin und Her zwischen Baubehörden und Stadtratsdebatten konnte Raphael seine Vorstellungen schließlich umsetzen: 2003 wurde das renovierte Gewölbe mit Anbau feierlich eröffnet.
„Meine erste Kamera war eine Kodak Instamatic“
Im Interieur des Restaurants spiegelt sich seither die Leidenschaft von Raphael Guarino wider: Der 46-Jährige ist seit Kindesbeinen von der Fotografie fasziniert. Seine erste Kamera war eine Kodak Instamatic Pocketkamera. Seine Sammlung erweitert sich bis heute stetig. Die Liebe zur Fotografie und die jahrelange Erfahrung im Zusammenspiel von Linsen, Blenden und Belichtungszeiten wird auf den Bildern ersichtlich. Einige Fotografien sind eingerahmt an den Wänden des Restaurants zu bewundern, zum Teil anmutig schwarz-weiße Portraits, zum Teil stilvolle Collagen, die die Kunstfertigkeit des Grafenauers ausdrücken. Das vielen Gästen bekannte Portraitfoto, das den ernst dreinblickenden Vater Giuseppe zeigt, stammt ebenfalls von ihm.
„Ich will Menschen fotografieren, wie ich sie sehe“
Seine Lieblingsmotive sind Menschen, Gesichter – insbesondere auch simple Alltagssituationen. Einige seiner Werke veröffentlicht Raphael im Internet. Seine ausdrucksstarken Fotografien, seine ganz individuelle Handschrift und seine Kreativität werden dort bewundert und zurecht gefeiert. Viele Bilder strahlen eine surreale Melancholie aus, einige wirken gar wie Ölgemälde Dalís oder Drucke M.C. Eschers.
Dabei wollte er nie mehr als ein Hobbyfotograf sein. Geld verdienen wollte er mit seinen Portraits zu keiner Zeit sein. „Ein professioneller Fotograf muss für den Kunden gefällig sein. Ich möchte die Menschen so fotografieren, wie ich sie sehe“, sagt er und verweist dabei einige Portraitfotos und Collagen aus seiner Sammlung. Bis zu ihrem Tod portraitierte er am liebsten die Großmutter seiner Frau. Heutzutage stehen seine Kinder im buchstäblichen Fokus.
Zeit zum Fotografieren hat er neben der Restaurantleitung freilich wenig. Wenn er dazu kommt, lädt er Freunde und manchmal auch Gäste ein, um seinen Ideen freien Lauf zu lassen.
Im „Da Peppo“, in der ersten Pizzeria des Bayerischen Waldes, lässt sich also nicht nur bestens „la dolce vita“ auf kulinarischer Ebene genießen, sondern auch auf optischer – in Form von ausdrucksstarken Fotografien. Bei einem Italiener, der im Woid schon lange angekommen ist – und sich hier dahoam fühlt.
Martin Larisch
Eure Pizzeria erfüllt alle Wünsche. Einfach nur fein und symphatisch. Danke …. Karl