Neureut/Freyung-Grafenau. So nervös wie vor ihrem ersten Mal ist sie heute ganz bestimmt nicht mehr, die Strahberger Renate aus Neureut. Acht Kilo hat sie damals abgenommen, als sie vor gut 30 Jahren beim Imkerfest auf der Freyunger Au den Gästen zum ersten Mal die bierschweren Maßkrüge an den Tisch brachte – „i war so afg‘regt damois“, denkt sie zurück mit einem Lachen. Zwei Tage hat das Fest damals gedauert – und danach war sie ganz schön erledigt, erinnert sie sich.
Sechs ausgelassene Volksfesttage in der Kreisstadt hat die quirlige Bedienung nun hinter sich gebracht – und das bereits zum 28. Mal. Tausende Maß Bier hat sie den durstigen Besuchern wie in jedem Jahr hingestellt; unzählige Brathendl, Schweinsbraten und Brotzeitplatten serviert; etliche Kilometer hat sie zwischen der Schanktheke und den Bierbänken zurückgelegt. Doch erschöpft wirkt Renate Strahberger ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Frisch ist ihr Gesichtsausdruck, ihre Backerl noch genauso rot und das Dirndl noch genauso fesch präsentiert wie zum Auftakt.
Renate Strahberger gehört zum Volksfest-Inventar wie nur wenige andere
Mit 64 Jahren ist sie heuer die älteste Bedienung in Freyung. Und als die Dienstälteste ist sie auch diejenige mit der meisten Erfahrung. Renate gehört zum Inventar wie nur wenige andere. Fast überall war sie schon im Einsatz in den letzten drei Jahrzehnten: beim Straubinger Gäubodenfest, Karpfhamer Volksfest, Passauer Maidult sowie sämtlichen kleineren Volksfesten in der Region. Als rüstige „Volksfest-Oma“ könnte man sie bezeichnen – wenn sie nicht um einiges jünger aussehen würde als sie tatsächlich ist.
Danach gefragt, wie anstrengend für sie das Bedienen ist und wie sehr das Schleppen der schweren Krüge, von denen sie heute zu Stoßzeiten noch bis zu zwölf auf einmal trägt, sie körperlich in Mitleidenschaft zieht, antwortet die knapp 1,60 Meter große Frau: „Des is ois a Frage da Technik. Den richtig’n Kniff muas ma raushob’n.“ Klingt irgendwie logisch. Im Einsatz ist sie täglich 14 bis 16 Stunden bei kleineren Festen und etwa 17 bis 18 bei den größeren. Durchschnittlich knapp 50 Tage im Jahr. Wie sie diese Dauerbelastung in ihrem Alter noch schafft? Gerade die jüngeren würden die zierliche Neureuterin immer wieder verwundert danach fragen. Mit einem Ritual: „Owei wenn i noch’m Bediena hoamkimm, leg‘ i mi na a hoiwe Stund‘ in’d Bodwann ei“. Und am nächsten Tag ist sie wieder fit. Ganz einfach.
Wie trinkfest man/frau als Volksfest-Servicekraft sein müsse? Gar nicht, sagt sie. Bei den großen Festen gelte ohnehin Alkoholverbot fürs Personal. Bei den kleinen und mittleren stellt sich diese Frage für sie ohnehin nicht, denn: Bier mag sie nicht so gern. Lieber mal ein Glaserl Wein oder eben nichtalkoholische Getränke. Höchstens mal ein Schluck vom Gerstensaft. Mehr nicht. Was sie bei den Festen verdient, will sie nicht verraten. Über Geld spricht man/frau nicht. Nur so viel: Das Trinkgeld ist im Vergleich zu früher weniger geworden. Doch beschweren kann sie sich nicht.
„I hob de Griag auf’n Disch obg’setzt und eam a G’scheide g’schallad“
Dadurch, dass sie so weit rumgekommen ist, kennt Renate so gut wie jeden und jeder kennt sie – ob Gast, Wirt oder Kellner-Kollege. So viele Maß Bier wie sie hat wohl keine zweite in der Region ausgetragen. Die Krönung ihrer Karriere, ein Einsatz auf dem Münchner Oktoberfest, blieb ihr allerdings verwehrt. Sie musste sich daheim um die Familie und den heimischen Landwirtschaftsbetrieb kümmern. Für die Dauer des größten Volksfests der Welt hätte sie nicht wegbleiben können. „A Biachl kannt i trotzdem scha schreib’n“, sagt sie, wenn sie an die lange Zeit zurückdenkt. So manch witzige Anekdote erzählt sie heute noch gern. Auch der ein oder andere Zwischenfall ist ihr im Gedächtnis geblieben. Etwa der, als ihr beim Grafenauer Volksfest einmal „a B’suffana“ immer wieder aufdringlich ans Gesäß gelangt hat – und Renate mit zwölf Maßkrügen in der Hand sich nicht so recht wehren konnte. „Dann hob i de Griag auf‘n Disch obg‘setzt und hob eam a G’scheide g’schallad“.
Resolut kann die sympathische Waidlerin, die im ehemaligen Wirtshaus „Zur schönen Aussicht“ in Neidlingerberg bei Waldkirchen aufgewachsen ist, nämlich auch sein – wenn’s drauf ankommt. Auf ziellose Diskussionen mit penetrant-mosernden Besuchern – etwa darüber, warum die Maß Bier nun nicht 100-prozentig genau eingeschenkt worden ist –, lässt sie sich erst gar nicht ein. „Des geht do eine und do ausse“, sagt sie cool und deutet mit dem Zeigefinger zuerst auf ihr linkes, dann ihr rechtes Ohr. Sie denkt sich lieber ihren Teil, kontert abgeklärt mit einem freundlichen Lächeln oder einem pfiffigen Sprücherl. Die fünffache Mutter und zehnfache Oma ist alles andere als auf den Mund gefallen. Die jahrelange Erfahrung kommt ihr im Trubel des Bierzeltbetriebs immer wieder zugute. Anstrengend ist es manchmal schon, sagt sie, doch die positiven Eindrücke überwiegen bei Weitem. Weil: „A Gaudi g’head owei dazu!“
Ohne den Spaß und die netten Kollegen hätt‘ sie schon längst aufgehört
Besonders freut sie sich immer auf das Wiedersehen mit ihren Kolleginnen und Kollegen, bei denen sie, wie von vielen Seiten bestätigt, sehr beliebt ist und als besonders fleißig und zuverlässig gilt. „Des is fia mi wiara Ersatz-Familie, des is owei wieda schee, wenn ma zammkimmt“, sagt Renate und ihre Augen beginnen zu leuchten. Ein Kompliment der besonderen Art hat ihr einmal Festwirt Ludwig Kirschner auf dem Karpfhamer Volksfest gemacht, als er die Neureuterin den jüngeren Kellnern vorstellte: „Wir haben eine Bedienung da, die’s schon 20 Jahre lang mit mir aushält“, hat er gesagt, „mid am Augenzwinkara“. Darüber hat sie sich sehr gefreut. „Des Scheene an dem Job is hoid aa, dass i ma’s aussuacha ka, bei wecham Fest i bediena mog“. Denn ein Müssen gibt es bei ihr nicht. Hat sie einmal bei einem Fest gekellnert und es hat ihr nicht gefallen, ist sie auch kein zweites Mal mehr hingegangen. Karpfham und Grafenau nennt sie ihre Lieblingsvolksfeste, weil ihr zufolge das Personal einfach gut harmoniert. Und überhaupt, sagt sie: Wenn’s ihr keinen Spaß mehr machen würde, hätt‘ sie eh schon längst aufgehört.
Aufhören will sie in einem Jahr, so Renates Plan. Mit 65 soll endgültig Schluss sein. „Dann geh‘ i in Rente, weil i mechad gean aufrecht ausm Zejt rausmarschian – und net mit am vabog’na Kreiz“, sagt sie. Und im selben Moment ergänzt Renate Strahberger mit einem Lächeln: „Des hob i damois mid Sech’zge aa scho moi g’sogt g’hobt“. Schau’n ma mal. Verdient hätte sie sich den Ruhestand allemal …
Stephan Hörhammer