Freyung. Die Spannung war greifbar am Sonntagabend, als kurz nach 18.30 Uhr im Kurhaus das vorläufige Endergebnis des kontrovers diskutierten Ratsbegehrens bekannt gegeben hat. Und dieses fiel überraschend knapp aus: Mit 53,12 Prozent haben sich die Bewohner der Kreisstadt für das neue Verkehrskonzept zur Entlastung der Innenstadt – und somit für den Bau der West- bzw. Südspange entschieden. Ein Ergebnis, das sich somit nicht mit dem Ausgang unserer stichprobenartigen Hog’n-Umfrage in dieser Woche deckt.
17 Stimmen entscheiden über Gültigkeit der Abstimmung
5918 Stimmberechtigte durften von 8 Uhr morgens an in den Wahllokalen in Kreuzberg, Marchzipf und Freyung ihr Kreuzchen bei „Ja“ oder „Nein“ setzen. Die Wahlbeteiligung lag bei 38,48 Prozent. Insgesamt gab es 1201 Ja-Stimmen (entspricht: 20,29 Prozent) und 1060 Nein-Stimmen (17,91 Prozent). Das heißt: Wären nur 17 Stimmen weniger abgegeben worden, wäre das „Ja-Quorum“ aufgrund der notwendigen Überschreitung der 20-Prozent-Hürde nicht durchgegangen …
Die Fragestellung lautete: “Sind Sie dafür, dass der Verkehrsentwicklungsplan umgesetzt wird, indem West- und Südspange gebaut werden und damit die Innenstadt um ca. 50 Prozent vom Verkehr entlastet wird?” Gemeinsam mit den Briefwählern (rund sechs Prozent) lag die Wahlbeteiligung gegen 13 Uhr bei etwa 25 Prozent, wie Ordnungsamtsleiter Ludwig Weber mitteilte. „Die Beteiligung war insgesamt zufriedenstellend, bei der Wahl ist alles glatt gegangen“, erklärte er nach der Auszählung im Rathaus. Es habe auch 16 ungültige Stimmen gegeben, so Weber.
Nach den Bürgerentscheiden „Ja zu Schilfkläranlagen“, „Wiederbelebung der Bahnlinie/Geh-/Radwege auf der Bahntrasse“ und „Finanzierung der Wasserversorgung“ waren die Freyunger Bürger bereits zum vierten Mal aufgerufen an der Kommunalpolitik mitzuwirken. Neu an dem Bürgerentscheid „Weniger Durchgangsverkehr in unserer Innenstadt“ war, dass es sich um ein sogenanntes Ratsbegehren handelte. Das beudeutet, dass nicht eine Bürgerinitiative, sondern der Freyunger Stadtrat die Bürgerschaft aufgefordert hatte über eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft zu bestimmen.
Reaktionen auf das Ergebnis des Bürgerentscheids:
- Olaf Heinrich, Bürgermeister von Freyung:
„Ich bin erleichtert, dass die Zeit der persönlichen Auseinandersetzungen zu diesem Thema vorbei ist. Das klare Quorum ist ein Zeichen für die Stadt Freyung, das neue Verkehrskonzept voranzutreiben. Demnächst werden die Haushaltsmittel dafür geplant und in enger Zusammenarbeit mit Bewohner und allen Beteiligten das Projekt ausgearbeitet.
Die letzten Wochen waren sehr extrem für mich – insbesondere aufgrund einer wahren Flut von anonymen Briefen, in denen ich persönlich angegangen wurde. Ich habe vollstes Verständnis für diejenigen, die sich gegen den Bau der West- bzw. Südspange richten, aber: Der Stil ist nicht der, den ich mir wünsche. Wenn gewisse Leute ein Problem mit etwas haben, dann sollen sie zu mir kommen – dann klären wir das in einem persönlichen Gespräch.“
- Gerhard Drexler, FDP-Stadtrat:
„Ich freue mich über die große Wahlbeteiligung und akzeptiere die – wenn auch knappe – demokratische Entscheidung. Die CSU hat trotz ihrer Materialschlacht mit x-tausend Flyern und Bürgerbriefen nur knapp gewonnen. Manche Bürger werden sich aber fragen – hätte es bei einer „neutralen“ Fragestellung auch gereicht? Ich werde den Bürgermeister und die Verwaltung konstruktiv bei der Umsetzung begleiten – aber auch die große Zahl der Bürger, die gegen die Umgehung stimmte, muss berücksichtigt werden. Ich werde den Bürgermeister dabei zudem immer an seine Aussagen zu den Baukosten, zur 85-prozentigen Förderung und zur Nichtanwendung der Straßenausbaubeitragssatzung erinnern. Ich hoffe Bürgermeister Heinrich geht sorgsam mit dem knappen Bürgervotum um – und verzichtet auf Enteignungen. Ich wünsche ihm ein glückliches Händchen bei der Umsetzung.“
- Sebastian Gruber, CSU-Fraktionssprecher:
„Die hohe Wahlbeteiligung von 38,4 Prozent spricht eine klare Sprache, dass es richtig war, die Bürger zu beteiligen und über das weitere Vorgehen zum Verkehrsentwicklungsplan abstimmen zu lassen. Das von der CSU-Stadtratsfraktion beantragte Ratsbegehren und somit der Bürgerentscheid, geben den Auftrag an das Stadtratsgremium, die Verwaltung sowie den 1. Bürgermeister, die beiden Spangenlösungen intensiv voran zu treiben. Neben der hohen Wahlbeteiligung ist es vor allen Dingen positiv, dass das Quorum – wenn auch knapp – erreicht wurde. Damit hat das Ergebnis eine einjährige Bindungswirkung und ist als klarer Auftrag zu verstehen.
Das knappe Ergebnis zeigt, dass bei den weiteren Schritten sehr achtsam und verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Dazu bedarf es Achtung, Fairness und Respekt vor den Meinungen. Vonseiten der CSU-Stadtratsfraktion hofft man deswegen auf eine Versachlichung des Themas. Gerade die sozialen Medien wurden im Vorfeld zum Bürgerentscheid zum Einen für die Aufklärungs- und Informationsarbeit sinnvoll und sachlich eingesetzt. Zum Anderen aber auch oft dazu missbraucht, persönliche Anfeindungen zu kommunizieren. Das diente weder der Sache noch einem gutem Diskussionsklima.“
- Rainer Rathmann, Vorsitzender der BGStuL:
„Das war eine äußerst knappe, aber auch eine sehr wertvolle Entscheidung heute. Ein großartiger Dank gilt der gesamten Freyunger Bevölkerung, die ihr demokratisches Wahlrecht in beachtlicher Weise in Anspruch genommen hat. Wir erkennen die Entscheidung an und werden den Bürgermeister konstruktiv und offensiv bei seiner Arbeit begleiten – und ihn aber auch zu gegebener Zeit an seine Aussagen hinsichtlich der Kosten und der Verkehrsentwicklung erinnern. Zu Bedenken ist, dass knapp 50 Prozent eben nicht für das Verkehrskonzept gestimmt haben – hier gilt es also nachzuarbeiten.“
- Renate Ruhland, Stadträtin (ödp):
„Das war eine denkbar knappe Entscheidung. Das ist bedauerlich, denn ein deutlicheres Ergebnis wäre mir lieber gewesen. Dennoch: die Mehrheit ist da – und der Auftrag damit klar. Zufrieden bin ich mit der Wahlbeteiligung. Man sieht: Das Thema ist nicht an der Bevölkerung vorbeigegangen, das Interesse war da. Ich bin jedenfalls froh, dass jetzt eine Entscheidung gefallen ist.“
- Christian Attenbrunner, Bürger der Stadt Freyung:
„Dieses Ergebnis ist sehr bitter, muss aber als Demokrat akzeptiert werden. Knapper geht’s nicht. Zwischen den Ja- und Nein-Stimmen unterscheiden sich nur wenige Prozentpunkte. Zudem hätte man bei 17 Stimmen weniger nicht einmal das Quorum erreicht. Alles andere also als ein eindeutiger und klarer Zuspruch für das von der Stadt vorgeschlagene Verkehrskonzept! Es ist schön, dass sich so viele an der Wahl beteiligt haben. Dies zeigt, dass dieses Thema die Bürger interessiert.
Der große Anteil der Nein-Stimmen zeigt aber auch, dass viele diese Verkehrsspangen nicht möchten. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Stadt ihre Versprechen einhält: Die Anwohner werden nicht an den Kosten beteiligt und die Kosten übersteigen nicht wesentlich die Schätzungen. Auch bei den Planungen sollten die Anwohner miteinbezogen werden. Und da vertraue ich vollstens auf die Stadt Freyung, die die enorme Anzahl der Gegner nicht einfach ignorieren kann.“
da Hog’n