Bernried. Der 36-jährige Kabarettist und Musiker Florian Kopp ist im Bayerischen Wald aufgewachsen, seine ersten Bühnenerfahrungen machte er als Sänger, Gitarrist und Songschreiber für Mundartrock. Es folgte ein Studium der Jazz- und Popularmusik für Gitarre am Bruckner-Konservatorium in Linz, wo er neben der Musik auch den österreichischen Dialekt und Schmäh in sich aufsog – und so erste Schritte in Richtung Kabarett machte. Deswegen verlegte er seinen Wohnort nach dem Studium auch in den „Melting-Pot der Kulturen und Dialekte“: München. Nach seinem erfolgreichen Debütprogramm „Flohzirkus“, das mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde und ihm eine Einladung zu „Ottis Schlachthof“ einbrachte, ist er mittlerweile sehr erfolgreich mit seinem aktuellen Programm „Auf den letzten Drücker“ unterwegs. Außerdem ist Kopp nach wie vor als Sänger und Gitarrist (unter anderem bei „Turnaround“ und „Yellow Cab„) und auch immer wieder als Schauspieler in Produktionen des Bayerischen Fernsehens zu sehen. Mit seiner Frau und seinem Sohn lebt er seit zwei Jahren in Bernried.
Florian: Warum wird man Kabarettist? Am Geld kann’s ja nicht liegen…
Ich würde sagen, weil einen irgendetwas stört oder aufregt und man seine Meinung dazu äußern möchte. Bei mir war das während meiner Zeit als Fachlehrer für Musik an einer Realschule in Unterschleißheim der Fall. Da hat mich das Verhalten einiger Lehrerkollegen so genervt, dass daraus meine erste Nummer entstanden ist.
Mit welchem Nebenerwerb finanzierst Du denn Dein Leben als Kabarettist?
Unter anderem als Musiker bei verschiedenen Bands und beim Bayerischen Fernsehen als Warm-up-Comedian hinter der Kamera.
Welche Figuren spielst Du am liebsten?
Am liebsten Figuren, bei denen das Publikum erst am Schluss erfährt, wer diese Figur eigentlich ist. Ich möchte das Publikum sozusagen hinters Licht führen. So wie bei der Nummer mit der Kindererziehung: Ein Kind lässt sich ausgiebig darüber aus, was seine Eltern alles falsch machen und erst am Schluss erfährt man, dass das Kind noch nicht mal auf der Welt ist. Da freu‘ ich mich dann schon zu Beginn der Nummer auf die Auflösung am Schluss.
Wie sieht denn die typische Arbeitswoche eines Kabarettisten aus?
80 Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich derzeit im Büro: herumtelefonieren, E-mails beantworten oder Homepage aktualisieren – nicht besonders kreativ. Nebenbei bereite ich mich auf die Auftritte am Wochenende vor.
Kennst Du Dein Programm denn nicht in- und auswendig?
Doch schon. Aber wenn man, so wie ich, nicht jeden Tag spielt, ist es eben schwierig das Programm weiterzuentwickeln. Wenn ich einmal drei Tage hintereinander aufgetreten bin, merk ich: Das ist gut angekommen, das probier‘ ich morgen gleich noch mal. Was gut angekommen ist, notiere ich mir dann gleich …
„… da braucht man eine ganz andere Gag-Dichte“
Wie kommst Du überhaupt auf Deine Einfälle?
Ich sammle sehr viel: Zeitungsausschnitte, spontane Ideen. Das kommt alles auf einen Stapel. Wenn ich dann eine Rahmenidee habe, sozusagen die zündende Idee – zum Beispiel, dass ein Volksmusiker zur Beichte geht -, dann gehe ich diesen Stapel durch und schau‘ mal, welche Notizen dazu passen könnten.
Deine Figuren sind immer in eine Story gebettet. Der einfachste Weg im Kabarett?
Sicher nicht. Man muss sich nur mal diverse Kabarettsendungen im Fernsehen anschauen. Klar, bei einer drei bis vier Minuten langen Nummer braucht man eine ganz andere Gag-Dichte – aber man muss sich nicht so viele Gedanken ums Drumherum machen. Mir sind die Story und die Entwicklung der Figur wichtig. Dass man damit im Fernsehen eher keine Chance hat, ist mir bewusst. Da hat man keine Zeit, um eine Figur aufzubauen. Aber es ist ganz einfach nicht meine Auffassung vom Kabarett, denn dann ist man nur am Schimpfen und stellt als Kabarettist keinen Bezug her. Ich finde es viel spannender, wenn sich die Figur am Ende selber entlarvt.
Wie konstruierst Du Deine Pointen? Hat das etwas mit Handwerk zu tun? Kann jeder das lernen?
Hm. Ich denke, es wird schon Kurse dafür geben, aber: Wenn man nicht die richtige Ader dazu besitzt, kommt am Ende auch nichts Gutes dabei heraus. Ich habe jedenfalls den langen Weg gewählt: Durch Ausprobieren und viele peinliche Momente weiß ich so langsam worauf es ankommt.
Hast Du ein kabarettistisches Vorbild?
Hab ich mal gehabt, ja. Irgendwann muss man jedoch seinen eigenen Weg finden. Bei meinem ersten Programm habe ich oft den Satz gehört: Du bist a Polt-Fan. Das hat mich geärgert. Beim zweiten Programm war das dann nicht mehr der Fall. Das hat mich gefreut. Ich schau‘ mir grundsätzlich nichts mehr von anderen Kabarettisten an. Ich weiß jetzt, was ich machen möchte.
Was war denn Dein bisher peinlichstes Erlebnis?
Oh ja, da gab‘ s einen ganz üblen Abend im Schlachthof, einen Tag nach der erfolgreichen Premiere meines zweiten Programms ‚Auf den letzten Drücker‘. Normalerweise kenne ich den Großteil des Publikums, an dem Abend waren’s gerade mal um die 5 Prozent. Die Vorstellung war ausverkauft, ich war hocherfreut. Das hat sich dann aber schnell gelegt, denn es handelte sich um eine geschlossene Gesellschaft. Eine Steuerkanzlei auf Firmenausflug. Die waren schon den ganzen Tag in München unterwegs und kamen in Pseudotracht und total besoffen in die Vorstellung. Die hatten sich freilich etwas anderes erwartet als sich eineinhalb Stunden lang mein Programm anzuhören. Ich hab’s trotzdem durchgezogen. Das Beste: Danach kam ein Alleinunterhalter und dann haben die eine Polonaise hingelegt und zum Fliegerlied getanzt! Gut, dass ich mich zuvor darüber lustig gemacht hatte, dass Kinderlieder neuerdings zu Saufliedern degradiert werden (lacht) …
Und das bisher schönste Erlebnis?
Da gibt es eigentlich kein spezielles. Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, man hat mich verstanden. Das sind die Momente, für die es sich lohnt. Das muss nicht immer ein tosender Applaus sein. Oft ist es einfach mucksmäuschenstill und man merkt richtig: Die warten jetzt gespannt darauf, wie es weitergeht. Und dann hört man erst beim Schlussapplaus, dass es den Leuten gefallen hat.
Angesichts zahlreicher Comedy-Shows: Ist das Publikum anspruchsloser geworden?
Es scheint so. Aber das kann ich nur vermuten, weil viele Comedians, die das Einfache bedienen, gut ankommen. Ich will das auch gar nicht verurteilen. Manche wollen einfach nur einen lustigen Abend erleben und nicht nach Feierabend auch noch nachdenken müssen. Mir ist es trotzdem lieber, wenn das Publikum mehr mitnimmt als nur Lacher.
„Beim Niederbayern hapert’s am natürlichen Selbstbewusstsein“
Aus der Sicht des ehemaligen Schönbrunners: Woran hapert es bei uns im Woid?
An einem natürlichen Selbstbewusstsein. Das ist nicht unbedingt nur Woid-spezifisch, das gilt meiner Meinung nach für den Niederbayern an sich. Er hat zwar seinen Stolz, nur richtig zeigen tut er das nicht. Der Oberbayer ist da ganz anders. Dabei ist der Niederbayer so stolz auf seine Landschaft. Das müsste er vielleicht einfach nur besser präsentieren.
Du wohnst mit Deiner Familie in Bernried bei Metten. Liegt Bernried eigentlich noch im Woid?
Also, Deggendorf ist definitiv noch vorm Woid. Die Deggendorfer betonen das auch ausdrücklich, dass sie keine Waidler sind. Bernried ist eher eine Art Grenzgebiet.
Warum diese Abgrenzung vom Woid?
Das hängt eben mit dem Stolz zusammen: Würden alle mit Stolz von sich behaupten, dass sie Waidler sind, dann würde der Deggendorfer das vielleicht auch tun. Der Woid liegt halt auch abgeschieden, vielleicht ist er deswegen oft negativ behaftet. Aber darin könnte man ja auch einen Vorteil sehen: Wenn man weg vom Schuss ist, kann man auch sei‘ eigene Suppn kocha, des eigene Ding durchziehen.
Interview: Dike Attenbrunner