Regensburg. Weil Banken häufig Finanzprodukte empfehlen, für die sie selbst eine Provision erhalten, entsteht Deutschlands Anlegern jedes Jahr ein Schaden von rund 98 Milliarden Euro. Das haben Forscher der Universität Regensburg ausgerechnet. Sie plädieren daher für ein umfassendes Provisionsverbot.
Dass die EU-Kommission in ihrer neuen Kleinanlegerstrategie darauf verzichtet, kritisieren die ostbayerischen Wissenschaftler scharf. „Damit ignoriert die Kommission wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach die Sparer durch ein Provisionsverbot deutlich mehr Rendite erzielen könnten“, sagt Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und Direktor am Center for Finance der Universität Regensburg.
Pro Haushalt ein Verlust von etwa 2.400 Euro jährlich
Im Rahmen der Studie „Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern„, hatte ein Team um Professor Sebastian die Auswirkungen von Provisionsverboten bei der Vermittlung von Finanzanlagen untersucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: Das Vermögen der Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot wuchs signifikant stärker als in Ländern ohne Provisionsverbot. Das Forscherteam bemisst den Renditeunterschied auf 1,7 Prozent pro Jahr. Die Finanzbranche kritisierte die Resultate heftig.
In einem Update der Studie schätzen die Forscher nunmehr erstmals den Vermögensschaden für die betroffenen Länder. „Europaweit entsteht ein Schaden von 375 Milliarden Euro. Allein für Deutschland sind dies 98 Milliarden – und zwar Jahr für Jahr. Das entspricht pro Haushalt einem Verlust von etwa 2.400 Euro jährlich“, so Professor Sebastian. Zudem wurde der Kritik nachgegangen, dass aufgrund eines Provisionsverbots weniger gespart werde. „Nach unseren Berechnungen besteht kein signifikanter Einfluss eines Provisionsverbots auf die Sparrate von Haushalten. Die Aussage, dass durch ein Provisionsverbot weniger gespart werde, ist nach der Datenlage eine völlig unbelegte Behauptung“, bekräftigt Sebastian.
Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Norwegen sowie Australien und Neuseeland führten zu verschiedenen Zeitpunkten in der jüngeren Vergangenheit – zwischen 2005 (Finnland) und 2019 (Australien) – Provisionsverbote ein. In diesen Ländern haben sich dank der Regulierung, so die Regensburger Wissenschaftler, alternative Bezahlungsweisen durchgesetzt. Dazu gehören beispielsweise eine Honorierung nach Beratungszeit oder verwaltetem Vermögen.
„Die Verbraucher kostet das ein Vermögen“
Die EU-Kommission will vor allem durch verschiedene Transparenzvorschriften die schädlichen Auswirkungen des provisionsbasierten Vertriebs von Finanzprodukten begrenzen. Auf Verbesserung der Transparenz zu setzen ist aber unwirksam, wie das Beispiel der Niederlande zeigt: 13 gescheiterte Novellen der Transparenzvorschriften bei Finanzberatung hätten den Gesetzgeber am Ende erkennen lassen, dass kein Weg an einem Provisionsverbot vorbeiführt, so Professor Sebastian. „Es ist bedauerlich, dass wir in Europa offensichtlich auch den niederländischen Weg gehen müssen. Die Verbraucher kostet das ein Vermögen“, sagt er.
Grundsätzlich könne dem Wissenschaftler zufolge der deutsche Gesetzgeber ein Provisionsverbot auch alleine beschließen. Dass erscheint ihm aufgrund des Widerstands innerhalb der Koalition aber unwahrscheinlich. Die Forscher aus Regensburg legen jetzt ihre Hoffnung auf das Europäische Parlament. Denn die Kleinanlegerstrategie muss noch von Parlament und Europäischem Rat bestätigt werden.
da Hog’n/ obx-news