Wenn es um die Gründerszene geht, um Kreative, um Ideen und Innovationen, dann wird Berlin in einem Atemzug genannt mit London, Tel Aviv oder dem Silicon Valley. Und das zu Recht. Hat die Hauptstadt nicht Start-up-Legenden wie Zalando hervorgebracht? Und Bayern, was ist mit Bayern? Gibt es in München keine Start-Ups? Ist die Digital-Szene im Süden Deutschlands so bedeutungslos, dass sie nicht mal erwähnt werden braucht?
„Passt der Laptop noch zur Lederhose?“
„Passt der Laptop noch zur Lederhose?“, fragt der Bayrische Rundfunk, als ob das Beinkleid aus Tierhaut die letzte große Errungenschaft der Bayern wäre, recherchiert aber gewissenhaft, dass das Gegenteil die Wahrheit ist. Junge Kreative gibt es sehr wohl auch in München und anderen bayerischen Städten. Nur bleiben wollen sie nicht. Bayer im Herzen, aber der unternehmerische Geist atmet längst die gute Berliner Luft. Vieles ist hier einfacher, hört man aus der Branche. Ein innovationsfreundliches Umfeld wird Berlin zugeschrieben. Dort tummeln sich die Kreativen aus aller Welt und wollen sich ihre Sporen verdienen. Bonus: Bezahlen muss man sie auch nicht so gut wie anderswo. Kann man so Ideen verwirklichen, die in Bayern keine Gestalt annehmen würden? Vermutlich.
Da kann man schon mal auswandern. So wie Korbinian Weisser, der im BR-Artikel angefeatured wird und in Berlin mit einem „jungen IT-Unternehmen“ sein Glück sucht. Trotz des leicht antiquiert klingenden Vornamens ist Weisser erst 25 Jahre alt und hat in München Sack und Pack gepackt, um mit seinen sechs Angestellten in den ehemaligen Berliner Problembezirk Kreuzberg zu ziehen. Nicht nur die Gehälter, auch die Mieten sind hier niederiger, weiß er zu berichten. Wieder einer weniger, mögen manche denken. Und so muss sich Bayern in puncto Start-up-Hippness mit dem zweiten Platz begnügen, wenn man dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) Glauben schenken mag.
„… dass das, was sie tun, richtig ist“
Berlin mag Zalando haben – und nun auch Korbinian Weisser, doch ein As konnten die BR-Redakteure dann doch noch aus dem Ärmel schütteln: das Gründerzentrum der Ludwigs-Maximilian-Universität in München-Schwabing. Trotz suboptimaler Bedingungen weht hier weiter ein Wind der Innovationen – und das schon seit 14 Jahren. Von einigen erfolgreichen Gründergeschichten weiß man zu berichten. Dennoch: Andy Goldstein, geschäftsführender Direktor des Entrepreneurship Centers der LMU, kommt nicht umhin, die Finanzierungslücke zu betonen, die jungen Gründern in Bayern das Leben schwer macht. Kapital sei in Deutschland konservativer als in den großen Ideen-Schmieden in den USA, in London oder Israel. Auch selbstbewusster müsse man werden. Noch mangle es an Vertrauen in die eigenen Visionen. Ein Nachteil, den die deutsche Gründerszene gegenüber der amerikanischen hat. „Die bekommen das Selbstbewusstsein, dass das was sie tun, richtig ist“, sagt Cosmin-Gabriel Ene, Geschäftsführer des Münchener Start-ups LaterPay mit Blick auf das Silicon Valley.
Dennoch sieht er auch hierzulande positive Tendenzen. Auch in Bayern traut man sich langsam mehr und so kann man wohl davon ausgehen, dass es so schlecht doch nicht steht um die bayrische Digitalwirtschaft. Ein beruhigendes Gefühl. Keine Digital-Szene? Von wegen … Andernfalls wäre einem wohl auch die Weißwurst im Halse stecken geblieben.