Mit den Kindern ist das ja irgendwie komisch. Die wachsen in der schönsten Natur auf, könnten jeden Tag spielen im Woid wie wir das früher gemacht haben. Und was machen sie stattdessen? Den ganzen Tag vor der Playstation hocken, Xbox spielen oder vor einem kleinen Gerät namens DS verschwinden. Wie soll aus denen was werden, wenn sie kein Sonnenlicht abbekommen, nicht zu unterscheiden wissen was vor ihrer Tür wächst oder lernen, wie man eine Hütte im Wald baut?
Die Zweifel sind berechtigt. Denn richtige Naturburschen sind schließlich die, die am Ende ein langes glückliches Leben draußen im Walde führen können. Die wissen, wie man eine Familie mit dem Nötigsten aus der Natur versorgt und wie man ein Feuer anzündet, auch wenn grade keine Streichhölzer zur Hand sind. Sie können Holz hacken und damit den Ofen zu Hause am Laufen halten. Und notfalls können sie auch ein Reh zum Festtagsbraten erlegen. Also: Naturburschn (und Madel) san einfach die bess’ren Menschen!
Wie erzieh ich jetzt mein Kind dazu, genauso einer zu werden? Naja. Eigentlich soll man Kinder ja nicht formen wollen, aber sie in die richtige Richtung zu stupsen kann ja auch nicht schaden. Außerdem verstehen sie so die Verbundenheit zur Natur, die auch uns Erwachsene noch prägt. Nur wer das versteht und verspürt, kann die Natur auch schützen – schließlich sind die Kinder von heute die Erwachsenen von morgen.
Zunächst einmal ist es sinnvoll, in Waldnähe zu wohnen, um den Kindern so die Möglichkeit zu geben, draußen zu spielen und zu toben statt drinnen vor virtuellen Welten zu versinken. Das geht am Dorf einfacher als in der Stadt – ist aber grade bei uns im Woid die ideale Gegebenheit. Und dann geht’s dran, das Kind für die Natur da draußen zu interessieren. Ein Haus mit Garten ist die ideale Umgebung für den Anfang – geschützt, aber nicht zu häuslich, ein bisschen wild, aber nicht sich selbst überlassen. Später sollte es dann Stückerl für Stückerl rausgehen, in neue Welten, die es zu entdecken gilt.
Heranführen mit Spielen im Woid
Das geht – wie alles bei Kindern – am besten über Spiele. Darüber können sie ihre Umgebung am besten erfassen. Sie werden an die Wunder des Waldes herangeführt. Sind die ersten davon entdeckt, ist der kindliche Forschergeist erwacht und es geht auf, auf! Um diese neue, fremdartige Welt voll kleiner Wesen zu entdecken.
Es reicht eigentlich schon, mal ein Picknick im Wald zu veranstalten. Mit Rucksack und Picknickdecke los zu stiefeln und auf einer Lichtung das Lager aufzuschlagen. An einem schönen sonnigen Tag ist es da angenehm warm, außerdem gibt’s in unserem Wald ja erstmal nichts Gefährliches, das die Kinder verschlingen könnte. Außer der Verpflegung kommen Spiele mit ins Gepäck. Nichts Virtuelles, sondern einfach mal die gute alte Frisbee, das Federballset oder auch einfach ein Softball, der sich schön hin und her werfen lässt. Landet der Ball mal auf dem Boden, lohnt es sich genau hinzuschauen: Gibt es da was Besonderes zu entdecken? Selbst Kleinigkeiten wie eine Blume, ein Käfer der sich durch das Unterholz gräbt oder auch ein Pilz am Baum sind Dinge, für die es die Kinder zu begeistern gilt.
Als naturburschiger Elternteil hat man da natürlich die geheimen Insider Infos parat, die den Nachwuchs sofort fesseln. Zum Beispiel, dass ein solcher Baum-Pilz schon viele Jahre im Baum wuchert, bevor er nach außen hin sichtbar wird. Und dass die inneren Verflechtungen den Baum so instabil machen können, dass der Baum schließlich fällt und seinem Parasiten zum Opfer fällt – Triumph des Pilzes. Spannend, oder? Im Herbst kann dann unter den Bäumen nach essbaren Pilzen gesucht werden. Mit entsprechenden Kenntnissen lässt sich recht einfach eine schmackhafte Mahlzeit zusammen sammeln und zu Haus auf den Teller bringen. Für Kinder das Größte!
Eine ganz andere Möglichkeit den Entdeckergeist zu wecken und außerdem noch etwas Spannendes zu lernen, ist die Erkundung unterschiedlicher Bäume. Die grundlegenden Unterschiede zwischen Nadel- und Laubbäumen kennen die meisten Kinder wohl schon aus der Schule. Aber weitere Infos zur Beschaffenheit der Rinde, den unterschiedlichen Ausprägungen der Blätter und auch der Früchte der Bäume sind tatsächlich schnell vergessen. Ein Bäume-Ratespiel erhält den Spielecharakter, festigt aber das Wissen des Kindes und macht einen Waldspaziergang zu mehr als nur „langweiligem durch die Gegend laufen“, wie so manches Kind das vielleicht sonst bezeichnen würde.
Aber dabei darf es nicht bleiben. Denn die Eltern können nur das Interesse wecken. Es erhalten, die Natur erkunden und entdecken kann das Kind nur selbst. Deshalb hilft nur eins: raus mit ihm. Machen lassen, den Entdeckerdrang ausleben lassen und bloß nicht über den Dreck schimpfen, den es anschließend mit rein bringt. Die Unordnung zu verstehen, die im Wald herrscht und diesen Platz als magisch zu empfinden, das geht nur ohne Regeln. Ohne Überwachung und ohne Schimpfe, die den ganzen Spaß verderben würde. Natürlich müssen Kinder lernen, was gefährlich ist. Aber im Wald haben sie dazu eine viel größere Vielfalt an Möglichkeiten, ohne dass etwas passiert. Der weiche Waldboden federt ab, wenn das Kind fällt und giftige Pilze wird es nicht einfach verspeisen. Tatsächlich passiert Kindern, die mit der Natur aufgewachsen sind, in dieser natürlichen Umgebung am wenigsten – ganz anders auf DIN-genormten Spielplätzen. Die Natur wird anders erforscht als eine städtische Umgebung, der Instinkt schützt das Kind.
Und wenn was schief geht?
Wenn Kinder alleine im Wald spielen stehen sie natürlich nicht unter Beobachtung. Stattdessen machen sie dann einfach das, wozu sie Lust haben. Bäume hochklettern und die Kletterkenntnisse auf eigene Faust vertiefen, Steine werfen, mit Stöcken Schwertkampf üben oder auch Hütten bauen. Vielleicht sammeln sie auch Schnecken, Raupen oder Frösche, um ihnen dann im heimischen Garten eine neue Behausung zu bauen. Der Punkt ist: Kinder können alles Mögliche machen – und die Eltern würden das nicht mitkriegen.
Viele ängstigt das. Die Gedanken gehen dabei häufig primär in die Richtung: Und was wenn meinem Kind was passiert? Am Ende ist das aber unberechtigt. Denn Kinder spielen draußen anders – eigenverantwortlicher. Sie üben sich gar in Vernunft und wägen ab, bevor sie eine Entscheidung treffen. Auch lauert nicht hinter jedem Baum ein Entführer oder Straftäter. Die Berichte dazu häufen sich zwar gefühlsmäßig, das ist jedoch nur so, weil die enge mediale Vernetzung das Verbreiten der Schreckensnachrichten erleichtert. Es passiert nicht mehr – wir erfahren nur mehr. Wir brauchen Vertrauen in die Welt da draußen – wie kann ein Kind sonst mit Vertrauen aufwachsen?
Aber auch andersherum kann der Gedankengang gehen. Was, wenn mein Kind was anstellt? Da geht die Idee mit dem Vertrauen noch viel weiter. Denn Kinder brauchen Vertrauen in sich, damit sie die Welt erkunden können und wachsen können – auch innerlich. Wenn ihnen von außen kein Vertrauen geschenkt wird, wie sollen sie dann selbst welches aufbauen, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten setzen? Dazu kommt noch das Konzept der Unschuldsvermutung – ein Begriff, der durch den Gesetzgeber auf Kinder unter sieben Jahren gemünzt wurde und beschreibt, dass man bei Kindern grundsätzlich von keiner Deliktfähigkeit ausgeht. Das bedeutet, dass Kinder nicht immer unbedingt die Konsequenzen ihres Handelns abschätzen können – das müssen sie erst lernen. Damit in einer unbewachten Umgebung anzufangen und sich abseits der geschützten Elternwelt auszuprobieren ist eine gute Idee – der Wald lädt geradezu dazu ein.
Kinder haben in unseren Breitengraden die Freiheit dazu, die Welt spielerisch zu entdecken und alles auf eigene Faust zu erkunden – Kind zu sein. Das ist in anderen Teilen der Erde nicht so. Die Kinder das genießen zu lassen, sie das machen zu lassen und mit Urvertrauen an die Sache heranzugehen, bringt sie ein gutes Stück weiter in Richtung Selbstvertrauen, Eigenständigkeit und auch Naturverbundenheit – denn die entwickelt sich von selbst, wenn einer viel draußen im Wald ist, die Wunder der Welt da draußen entdeckt.
So wird’s was
Kinder abhärten braucht man dazu nicht. A Naturbursch ist dazu geschaffen, draußen im Dreck zu wühlen, Hütten zu bauen und Bäume rauf zu klettern. Die Kinder bereits früh mit einem Schubs in die richtige Richtung zu lenken, ihnen die Natur mit der Familie näher zu bringen und besondere Ausflüge in den Wald zu machen, ebnet den Weg dafür. Dazu kommt noch die richtige Einstellung der Eltern. Ein entspanntes „Passt scho!“ mit Vertrauen in die Welt um uns herum und in das Kind, das seine Welt erkundet und dabei auf seine Instinkte hört, hilft enorm.
So kann aus entspannten, naturburschigen Eltern ein Kind entstehen, das sich an der Natur freut. Im Woid ein Zuhause hat. Sich nie langweilt, weil das WLAN zu langsam ist. Fantasie und soziale Kompetenz entwickelt sich beim freien Spiel draußen am allerbesten. Und Vertrauen – in sich selbst, die Fähigkeiten und die Natur. Das ist etwas, das Eltern jedem Kind gönnen sollten, für einen guten Start ins Leben.