Cindy! Ich hab’s gewusst! Etwas, das diesen Namen trägt, kann nichts Gutes verheißen! Da muss ich immer an die Cindy aus Marzahn denken – und die finde ich einfach nur furchtbar. Nichts für ungut, ihr Cindys da draußen, ihr seid sicherlich alle wahnsinnig nett und könnt auch nichts dafür, dass Euer Name so missbraucht wird. Na jedenfalls: Das Schultüten-Modell meiner Tochter heißt genauso. Sah eigentlich ganz hübsch aus, im Katalog. Für 20 Euro sei da auch schon alles vorgestanzt, man müsse die Muster nur noch zusammenkleben, hieß es …
„Wie sieht das aus, wenn ich als Einzige eine fertige Schultüte kaufe?“
Was soll ich sagen? Das war eine LÜGE! Eine eiskalte, glatte Lüge! Klar, wenn man eine geübte Bastlerin ist, ist das kein Problem. Aber für mich? Für meine Wenigkeit bedeutete das – inklusive Schleifen binden (drei Stück an der Zahl!) – VIER Stunden kleben, malen und seeeeehr viel Glitzer an Hose und Haaren … eigentlich sollten sie in solchen Prospekten fairerweise eine Warnung abdrucken:
Achtung! Sollten Sie bislang nur wenig oder gar nicht gebastelt haben, raten wir Ihnen dringend, Ihr Geld in ein Fertigprodukt zu investieren. Glauben Sie uns: Schultüten kosten beim Discounter Ihrer Wahl sehr viel weniger und überstehen wenigstens den ersten Schultag unbeschadet … Ihr Kind wird es Ihnen danken!
Ich hätte dem Anbieter für diesen hilfreichen Hinweis sogar etwas bezahlt – nur, weil er mir dadurch den Kampf mit Papier und Glitzerstift erspart hätte. Denn auch wenn ich es bereits kommen sah, wollte ich meiner Erstgeborenen natürlich keine Tüte von der Stange schenken. Wie sieht das denn aus, wenn ich als Einzige eine kaufe? Da heißt es nur wieder: „Typisch berufstätige Mutter, die hat nicht mal Zeit ihrem Kind eine schöne Schultüte zu basteln.“ Nein, nicht mit mir!
Geschlagene drei Stunden und meterweise Krepppapier später:
Also habe ich mir eine Heißklebepistole besorgt, den Tisch freigeräumt und erst einmal die vierseitige Anleitung gelesen. Danach war ich bedient: Die Hälfte der Zeichnungen und Beschreibungen habe ich einfach nicht verstanden. Meine Tochter hat mich ganz erschrocken angesehen als sie mich mit einem niedergeschmetterten Ausdruck im Gesicht inmitten der Bastelutensilien entdeckt hat. „Ist das so schwierig?“ hat sie gefragt.
„Hm“ habe ich zögernd geantwortet. Ein „Ja“ wollte mir nicht so recht über die Lippen kommen. „Mama, schau mal, die Teile von der Fee muss man nur erst richtig aufeinanderlegen – und schon kann man sie zusammenkleben.“ Fasziniert beobachte ich, wie das Kind die Zauberfee (ohne Anleitung!) innerhalb weniger Minuten richtig anordnet. Im Kindergarten haben sie wohl ganze Arbeit geleistet. Erfreut blicke ich meine Tochter an und sage: „Den Rest schaffe ich alleine – morgen darfst Du Dir die Schultüte dann anschauen!“ Die sechsjährige Dame nickt zufrieden und geht voller Vertrauen ins Bett …
… und ich auch, geschlagene drei Stunden und meterweise Krepppapier später. „Ob die Erstklässler ihre Schultüten wohl erst am Tag ihrer Einschulung sehen dürfen?“ grüble ich später im Bett. Egal, meine Tochter freut sich so oder so. Sie interessiert sich ohnehin mehr dafür, welche Lehrerin sie bekommen wird und wie das mit dem Lesen lernen ist. Geschenke sind toll, aber für meine Tochter gerade absolute Nebensache.
Für den kleineren Bruder leider nicht: Der stürzt von einem Tobsuchtsanfall in den nächsten, weil er überhaupt nicht verstehen kann, warum die Schwester lauter neue Sachen bekommt – und er nicht. Und das nur, weil sie in die Schule kommt … Der blanke Wahnsinn! Warum tun Eltern sich diesen Stress eigentlich an? Das mit der Schule ist auch so schon spannend genug, ohne Riesenschultüte. Zumal Anzahl und Art der Geschenke gleich am ersten Tag für soziale Diskriminierung sorgen … Ich finde, man sollte sich ganz einfach auf ein Standard-Modell einigen. Das mag jetzt etwas kommunistisch anmuten, aber dann könnte man dort auch gleich die benötigten Schulmaterialien mit reingeben, denn die sind sowieso schon teuer genug! Aber über Geld redet man ja bekanntlich nicht …
„Ob meine Tochter das Ungetüm überhaupt tragen kann?“
Egal: es ist geschafft! Und irgendwie bin ich sogar ein klitzekleines bisschen stolz auf das Schultüten-Ergebnis. Ich weiß nur nicht so recht, ob meine Große dieses Ungetüm überhaupt bis zu ihrem Klassenzimmer wird tragen können. Das Glitzer-Monster ist nicht nur fast so groß wie sie, sondern wiegt bestimmt mindestens fünf Kilo – wenn nicht sogar mehr. Aber vielleicht hätte ich auch nicht so viele Bücher reintun sollen …
Sollte sich allerdings in meiner Gegenwart jemals jemand darüber beschweren, dass die Lehrer die armen Kinder nicht immer mit so schweren Schultaschen beladen sollen: Die sind nichts gegen eine gefüllte Schultüte! Bleibt nur noch eins: Hoffentlich hält die ganze Sache. Vielleicht sollte ich zur Sicherheit lieber noch einen Kleber mitnehmen …
Dike Attenbrunner