Liebste Familie Maya,
wir schreiben heute Samstag, den 22. Dezember 2012. Hm. Eigentlich habt Ihr ja gesagt, dass es diesen Tag gar nicht mehr geben soll. Und genau so habe ich die letzten Tage und Wochen auch gelebt. Mein früher doch relativ gut gefülltes Konto: leer. Meine guten Freunde: weg. Meine Wohnung: aufgegeben. Mein Bauch: kugelrund. Mein Job: gekündigt. Und die Weltabschieds-Party am gestrigen Abend – da möchte ich gar nicht mehr drüber reden … Ich bin ehrlich gesagt schon ein bisschen enttäuscht, dass Ihr nicht Wort gehalten habt – und es die Welt immer noch gibt!!!
Statt Met, Honig und Engelchen dann doch nur Salz und Anpfiff
Da hab ich dann doch a bisserl blöd geschaut, als ich heute morgen mit einem Riesenkater im Straßengraben aufgewacht bin. Statt Met und Honig hab ich erstmal eine ordentliche Brise Salz vom vorbeifahrenden Schneepflug ins Gesicht bekommen. Statt Lieder von blond-gelockten Engelchen hat mich der Hausmeister mal so ordentlich rund gemacht: „Wie kann man sich nur so niedersaufen – und meine schönen Blumen vollko…“ Ähöm. Nun denn. Irgendwie muss es ja weitergehen, hab ich mir gedacht – und meine Eltern angerufen.
„Host wieda gsuffa!?!“ war der erste Kommentar meiner Mama, mein Papa hatte dann doch Erbarmen und hat mich abgeholt. Doch auch der schüttelte nur vehement den Kopf, als ich ihm meine Situation erklärt hatte. Ich hab mich dann doch relativ schnell in mein Zimmer zurückgezogen und die Glotze angemacht. Und spätestens da wurde mir bewusst, dass ich noch immer auf ein- und derselben Welt war – ganz wie vorher: Noch immer dieses Zahnpasta-Grinsen von Dieter Bohlen, noch immer ist Wladimir Putin in Russland an der Macht, noch immer lassen viele Soldaten in Afghanistan sinnlos ihr Leben. Spätestens, als ich bei Facebook gelesen habe, dass sich Gerhard Drexler und Olaf Heinrich noch immer in den Haaren liegen, sage ich mit nicht von der Hand zu weisender Erleichterung: Welt – Du hast mich wieder!
Doch zurück zum eigentlichen Sinn meines Briefes, Familie Maya. Ich werde rechtliche Schritte gegen Ihren Kalender und Ihre Familie einleiten. Ich erwarte eine Stellungnahme zu den Geschehnissen – sobald ich wieder ein Handy angemeldet habe und mit meinen Rechtsanwalt versöhnt bin.
Mit freundlichen Grüßen
Ein Weltenbürger
P.S.: Wie machen Sie das jetzt eigentlich mit Ihrem Kalender. Fängt der wieder von vorne an?