Mark Knopfler ist zurück. Als „Freibeuter“ (privateer) will er mit seinen Seeräubern um den Globus reisen: „Ich mag es einfach, dass ich die Richtung vorgeben und zusammen mit der Band und der Crew durch eine sich ständig verändernde Umgebung fahren kann, um an immer neuen Orten aufzutreten. Vollkommen auf dich selbst gestellt, ziehst du also durch die Lande und bahnst dir deinen Weg um die Welt.“
Mark Knopfler, mehrfacher Grammy-Gewinner, einer der besten E-Gitarristen der Welt und ehemaliger Kopf der legendären Dire Straits, hat nach 120 Millionen verkaufter Tonträger und 35 Jahren auf der Bühne nun sein erstes Doppelalbum abgeliefert: „Privateering“. Bei einer Doppel-CD denkt man zunächst an ein Best-Of-Album, ein Live-Konzert oder ein Konzept-Album. Bei Mark Knopfler mussten es jedoch dieses Mal gleich zwei CDs sein. Der Grund: Er jatte einfach zu viele neue Blues-, Folk-, Rock- und Country-Songs. Und dafür hat er sich die weltbesten Musiker ins Studio geholt: Guy Fletcher (Keyboard), Richard Bennett (Gitarre), Jim Cox (Klavier), Glenn Worf (Bass), Mike McGoldrick (Flöte), John McCusker (Geige) sowie Ian Thomas (Schlagzeug). Auch die Albumgäste sind hochkarätig besetzt: Paul Franklin (Pedal-Steel-Gitarre), Phil Cunningham (Akkordeon) und Tim O´Brien (Mandoline), Ruth Moody (Gesang) sowie Kim Wilson (Mundharmonika) sind alles Koryphäen an ihren Instrumenten. „Das hier ist genau die Band, auf die ich mein ganzes Leben lang hingearbeitet habe“, erklärt Knopfler – und schwärmt von den fantastischen Sessions im Studio.
20 Songs: Man hat das Gefühl, dass hier noch was reingepackt wurde
Ganze 20 Songs sind auf die Scheibe gepackt. Und wenn man sich den letzten annähert, hat man das Gefühl, dass hier einfach noch was reingepackt wurde – des Umfangs willen. Den eingefleischten Fan wird es nicht stören, da dieses Album aufgrund seiner Ausflüge in sämtliche Knopfler-Stile in der Tat sehr abwechslungsreich ist. Besonders deutlich wird dieses Dilemma aber schon beim dritten Song „Don’t Forget Your Hat“: Ein klassischer, stampfender Blues, bei dem mal schnell alle Solisten über einen einzigen Akkord darüber improvisieren dürfen. Diese Nummer ist überflüssig und eignet sich bestenfalls als Soundcheck. Verwunderlich, denn die Platte beginnt mit einem echten Ohrenschmaus: In „Redbud Tree“, einem Folksong, zeigt Knopfler seine songwriterischen Qualitäten mit raffinierten Changes und seinen typischen Stratocaster-Licks. Irland- und Schottlandfreunde werden sich in die zu Herzen gehende Flöten- und Geigenmelodie von „Haul Away“ verlieben. Die vierte Nummer „Privateering“ gibt der Platte seinen Namen: Im Stile eines Seemans-Trinklied kauft man der Band umgehend ab, auf Beutezug durch die Weltmeere zu segeln – besonders dann, wenn der Song so richtig Fahrt im Rock-Groove aufnimmt. Danach folgt die wunderschön poppig-angehauchte Ballade „Miss You Blues“, die wiederum von dem gegensätzlichen Country-Rock „Corned Beef City“ mit seiner definierenden Steel-Guitar abgelöst wird. Das tragende und nachdenkliche „Go, Love“ erinnert wieder an die Dire Straits. Im bluesigen „Hot Or What“ wird die Geschichte des überheblichen Spielers erzählt – und dies im Gegensatz zum ersten Blues auch klanglich überzeugend. Das mystisch-keltische „Yon Two Crows“ handelt von grimmigen Schafhirten – bis schließlich der harmonische Liebesgesang von Knopfler und Moody mit „Seattle“ die erste CD abrunden.
Als atme man die kühle Luft in den schottischen Highlands ein
Die zweite Scheibe wird durch das keltisch-träumende „Kingdom of Gold“ eröffnet – ein Gefühl, als atme man die kühle Luft der schottischen Highlands ein. Nach den beiden unspektakukären Album-Füllern „Got To Have Something“ und „Radio City Serenade“ fühlt man sich mit dem nächsten Country-Rock „I Used To Could“ schon etwas ausgelaugt. Und auch der dreckige Gitarrensound des aufdringlichen Slide-Gitarren-Blues „Gator Blood“ trägt nicht gerade dazu bei, sich die Platte bis zum Schluss anhören zu wollen. Beim schleppenden „Bluebird“ wird man schließlich wieder durch ein krächzendes außergewöhnliches Mundharmonikasolo aufgeweckt. Dem Text des Pop-Folk-Songs von „Dream Of The Drowned Submariner“ sollte man jedoch genauer zuhören, denn hier beschäftigt sich Knopfler geheimnisvoll mit dem Thema Vergänglichkeit. Die beiden darauffolgenden „Blood And Water“ sowie „Today Is Okay“ klingen dann wirklich wie „einfach noch schnell draufgepackt“. Da erfreut einen letztlich nochmal das südstaatliche „After The Beanstalk“ mit dem markanten Banjo.
Es kommt der Punkt, an dem man das Schiff zum Sinken bringen möchte
„Mir war auch nicht danach, ein paar meiner Favoriten in der Schublade verschwinden zu lassen“, sagt Mark Knopfler. Ein Ausnahmekünstler wie er darf das, könnnte man meinen. Dennoch kommt sein Werk eher wie ein „Greatest Hits“-Album daher. Das geniale Plattencover zeigt einen heruntergekommenen Tourbus, abgestellt an einer verwahrlosten Stelle im Wald, davor ein streunender Hund. Etwas angestaubt und überflüssig wirken jedoch auch einige Songs auf „Privateering“. Knopfler zufolge ist ein Mann in einem Tourbus genauso ein Freibeuter wie die Seeräuber vergangener Zeiten: „Er ist unterwegs, bahnt sich seinen eigenen Weg, und das alles immer nur der eigenen Nase nach.“ So auch bei diesem Doppelalbum. Fans werden die abwechslungsreiche Reise vom hügeligen Nordengland über New Yorks Downtown bis zum Mississippi-Delta lieben. Aber irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man selbst in freibeuterischer Weise die Kanonen auf die Abenteurer abschießen und das Schiff zum Sinken bringen möchte. Weniger ist manchmal eben einfach mehr.
Jason Ditshej
… und trotzdem hat´s der alte Sack in anachronistischer Weise auf Platz 1 der iTunes Downloadcharts gebracht!
Natürlich muss nicht jedem Knopfler gefallen. Für mich als Hobbygitarristen, Romantiker und Melancholiker gibt es nichts Besseres als Knopflers Soloalben (die Direstraits weniger).
Neben unzähligen Songs zum Verlieben sind die „langweiligeren“ immer noch hörbar.
Knopfler vereint Gitarrenkunst, Kreativität, tolle Texte und Melancholie.
Dass er bei deutschen Rezensenten als „langweilig“ verschrien ist, wird er verschmerzen können –
Man möge mir nur einen deutschen Musik- Künstler seines Formats nennen …