Zwiesel. In einem historischen Forstamtsgebäude von 1885 funkelt Glas in allen Farben des Regenbogens. Das warme Licht fällt durch gravierte Glasobjekte und zarte Skulpturen, tanzt über alte Parkettböden. Zwischen Werkstätten und Ausstellungsräumen stehen Alexandra Geyermann und Hermann Ritterswürden, ein Künstlerpaar, das in Zwiesel seine Leidenschaft lebt. Ihre Galerie gleicht einer „Gläsernen Zeitreise“ – und lädt dazu ein, die Magie des traditionellen Handwerks und der modernen Glaskunst hautnah zu erleben.

Fein eingeschliffene Bilder und Texte, die oft Biografien nachspüren – dieser Kunstform hat sich Alexandra Geyermann verschrieben. Foto: blog.craft2eu.net

Alexandra Geyermann und Hermann Ritterswürden kommen aus ganz unterschiedlichen Ecken Deutschlands – sie von der Mosel, er von der Insel Sylt -, doch ihre gemeinsame Heimat fanden sie in Zwiesel. Hier, im ehemaligen königlich-bayerischen Forstamt der Glasstadt, wohnen und arbeiten sie als Ehepaar seit 30 Jahren unter einem Dach. Glas ist ihr beider Lebensmaterial, jedoch auf ganz verschiedene Weise: Geyermann ist Glasgravur-Meisterin und „erzählt mit ihren Gravuren Geschichten“ – fein eingeschliffene Bilder und Texte, die oft Biografien nachspüren. So hat sie etwa historischen Frauen aus der Region wie Emerenz Meier oder Agnes Bernauer mit kunstvoll gravierten Glastafeln ein Denkmal gesetzt.

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Ritterswürden hingegen ist Glasbläser und Glasgestalter und formt Glasteile an der Flamme zu fantasievollen Figuren, die er „wie ein Puzzle mit Draht zu einem Gesamtkunstwerk“ zusammensetzt. Aus unzähligen Glasröhren und -stäben erschafft er komplexe Skulpturen, inspiriert von Literatur und Legenden – vom Fliegenden Holländer bis zur Seeschlacht von Lepanto. Zwei künstlerische Wege, die sich in Zwiesel kreuzten und seither Hand in Hand gehen.

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„Liebe zum Material wird sichtbar“

Ein Blick in die Galerie Ritterswürden zeigt, wie harmonisch diese unterschiedlichen Talente zusammenwirken. Filigrane Glasgravuren mit erzählerischer Tiefe treffen auf fragil-dynamische Glasplastiken, die trotz ihrer Zerbrechlichkeit voller Bewegung stecken. So entstehen Szenen wie schillernde Vogelgestalten, deren gläserne Flügel über einer stilisierten Landschaft zu schweben scheinen – Kunstwerke, die technische Präzision und poetische Imagination vereinen. „Glas löst Emotionen aus, sowohl beim Künstler während der Entstehung als auch beim Betrachter des fertigen Kunstwerks“, heißt es im Ausstellungstext des Buchheim Museums. Genau diese Emotion spürt man in jedem Stück, das Geyermann und Ritterswürden gestalten: Ihre Liebe zum Material wird für den Besucher unmittelbar sichtbar und fühlbar.

Hermann Ritterswürden formt Glasteile an der Flamme zu fantasievollen Figuren. Foto: obx-news/Geyermann & Ritterswürden

1994 eröffneten Alexandra Geyermann und Hermann Ritterswürden ihre eigene Galerie in Zwiesel – seither ist sie zu einem lebendigen Treffpunkt für Künstler, Kunstliebhaber und Glassammler geworden. In den historischen Räumen präsentieren sie nicht nur ihre eigenen Werke, sondern auch die Arbeiten nationaler und internationaler Glaskünstler in wechselnden Ausstellungen.

Fein Glas und gut Holz sind Zwiesels Stolz„, heißt es in einem alten Sprichwort, das die Stadt Zwiesel überliefert. Tatsächlich konnte Zwiesel, umgeben von endlosen Wäldern, bereits im 15. Jahrhundert durch hochwertige Glasproduktion glänzen. Noch heute zeugen die Zwieseler Glastage und die Deutsche Glasstraße von diesem Erbe: Letztere schlängelt sich über 250 Kilometer durch den Oberpfälzer und Bayerischen Wald und verbindet die traditionsreichen Glasorte der Region – natürlich auch Zwiesel.

Die Galerie Ritterswürden liegt direkt an dieser Route und lädt Reisende ein, die Entwicklung der Glasgestaltung von der Heißverarbeitung bis zur Veredelung nachzuvollziehen. Im liebevoll restaurierten Ambiente des Forstamtes werden Vergangenheit und Gegenwart der Glaskunst erlebbar: Vom Blasen an der Glasbläserlampe bis zur filigranen Gravur spannt sich hier der Bogen handwerklicher Kunstfertigkeit.

Ausstellung im Buchheim Museum

Die enge Verbindung von Tradition und Innovation ist dem Künstlerpaar eine Herzensangelegenheit. Beide engagieren sich dafür, das alte Handwerk lebendig zu halten und zugleich neu zu interpretieren. So haben sie sich 2014 mit Gleichgesinnten zum Verein Glasheimat Bayern e.V. zusammengeschlossen, um zeitgenössische Glaskunst stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Auch die UNESCO hat die Bedeutung dieses Kulturerbes erkannt und die manuelle Glasfertigung Ende 2023 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. In ihrer Galerie spürt man, wie lebendig die Glasheimat noch ist. Die funkelnden Objekte erzählen von Jahrhunderten alter Handwerkskunst – und doch sind sie höchst persönlich, geprägt von den Händen und Visionen des Ehepaares.

Alexandra Geyermann ist Glasgravur-Meisterin und „erzählt mit ihren Gravuren Geschichten“. Foto: obx-news/Geyermann & Ritterswürden

Längst ist die Strahlkraft der Glasstadt Zwiesel und ihrer Protagonisten über die Region hinaus sichtbar. Aktuell stellen Alexandra Geyermann und Hermann Ritterswürden ihre Werke in der Ausstellung „From Mind to Soul – Glass“ im Buchheim Museum am Starnberger See aus (zu sehen noch bis 20. Juli 2025). Diese Schau zeitgenössischer Glaskunst – eine Kooperation mit dem Verein Glasheimat Bayern – vereint 19 der bedeutendsten Glaskünstlerinnen und -künstler des Freistaats. Jeder bringt dabei seine eigene Technik und Handschrift mit – und so präsentiert sich den Besuchern eine faszinierende Vielfalt an Formen und Ausdrucksmöglichkeiten.

Geyermann etwa zeigt hier ein neues graviertes Glasobjekt mit dem Titel „The Fossil Woman„, in dem sie die Anmut vergangener Zeitalter zum Leben erweckt. Ritterswürden verblüfft mit einer raumgreifenden Glasinstallation namens „Wer ohne Sünde ist“: Unzählige flammengeformte Glaselemente sind auf ein Stahlskelett montiert und ergeben zusammen ein filigranes Geflecht, das die Betrachter staunend innehalten lässt.

Es geht um Menschen aus Leidenschaft

Trotz solcher überregionaler Erfolge bleibt das Ehepaar bodenständig. Sobald die Ausstellung vorbei ist, zieht es sie zurück in den Bayerischen Wald, zurück in ihre Galerie an der Glasstraße, wo alles begann. In der ruhigen Atmosphäre des alten Forstamtes greifen sie dann wieder zu ihren Werkzeugen: der eine am Glasbrenner, die andere an der Gravurmaschine. Vielleicht lauschen sie dabei einer Oper oder lesen von längst vergangenen Zeiten – Inspiration liegt für sie oft in Geschichte und Geschichten verborgen.

Was auch immer ihre Phantasie beflügelt, am Ende erwacht in ihren Händen neues Glas zum Leben. Jede Gravur, jede gläserne Figur trägt ein Stück ihrer Persönlichkeit in sich. Und genau das spürt man als Besucher: Bei Geyermann und Ritterswürden geht es nicht nur um Kunst aus Glas, sondern um Menschen aus Leidenschaft. Ihre gläserne Zeitreise ist deshalb mehr als ein Ausstellungsbesuch – es ist eine Begegnung mit zwei leidenschaftlichen Seelen, die in ihrem geliebten Werkstoff bis heute Heimat und Erfüllung gefunden haben.

da Hog’n/ obx-news

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