Spiegelau. Otmar Burger. Franzi Süß. Zwei Schicksale, zwei Namen – eingraviert in zwei Grabsteine, die vor Kurzem in einem Garten in der Rübezahlstraße, unweit des Spiegelauer Ortskerns, entdeckt wurden. „Hier ruht unser liebes Söhnchen“ ist auf beiden zu lesen. Der eine Knabe wurde nur wenige Monate alt. Der andere nur ein paar Jahre. Zwei Steine mit zwei Namen, deren Geschichte unbekannt ist. Da Hog’n hat sich dennoch auf Spurensuche gemacht…

„Der Name Otmar Burger sagt mir nichts“, teilt Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth, der in der vergangenen Woche über den Fund informiert wurde, auf Anfrage mit – und ergänzt: „Der Name Burger ist hier generell wenig verbreitet.“ – „Süß“ hingegen sei ein angestammter Name in der Nationalpark-Gemeinde. Seine erste Vermutung, ohne sich bis dato näher mit dem Fall befasst zu haben: „Vielleicht Geflüchtete aus Osteuropa. Oder Familien mit jüdischem Hintergrund.“
Womöglich könnte eine Recherche am Grundbuchamt einen Hinweis geben, meint Roth. Er wolle sich in jedem Falle melden, sobald er etwas herausgefunden hat, sagt er – und verweist zudem auf den Spiegelauer Hobby-Historiker Hermann Beiler, der sich u.a. mit dem Leben und Wirken des Arztes und NS-Opfers Dr. Alois Geiger – zugleich Namensgeber einer Straße im Ort – bereits intensiv auseinander gesetzt hat.
Vertriebene aus dem Osten? Oder ein jüdischer Hintergrund?
Beiler hat auch schon eine Vermutung: „Auf dem alten Friedhof gab es bis etwa in die 80er Jahre hinein eigene Kindergräber entlang der Mauer zum damaligen Sportplatz. Diese Gräber wurden dann aufgelassen – heute werden Kinder in der Regel im Familiengrab beigesetzt. Die dadurch nicht mehr benötigten Grabsteine, die nach Aussagen von Augenzeugen kleiner waren als üblich, könnten danach einer profanen Verwendung zugeführt worden sein.“ Etwa zur Befestigung von Waldwegen oder Ähnlichem.

Was die Größe der Grabsteine anbelangt, trifft Beilers Aussage zu, denn: Sie sind in der Tat kleiner als gewöhnliche Steine. Zu Menschen, die aus Osteuropa insbesondere im Zuge der Vertreibung in den Bayerischen Wald gelangt sind, sieht er hingegen keine Verbindung. Auch deshalb nicht, weil Flüchtlinge und Vertriebene erst nach 1944/45 in die Region kamen – und diese Tatsache mit den eingravierten Jahreszahlen nicht übereinstimmt.
„1942 gab es auch keine jüdischen Bürger mehr in Spiegelau“, informiert er weiter. Überdies hätten sie Beiler zufolge ihre Toten nicht in dem einstigen Glasmacher-Ort begraben, sondern auf dem nächstgelegenen jüdischen Friedhof, der sich in diesem Falle in Straubing neben der dortigen Synagoge befindet. „Es ist also undenkbar, dass man jemanden, der jüdischen Glaubens ist, auf einem christlichen Friedhof begräbt.“
Der Hobby-Historiker verweist als weitere Informationsquelle noch auf das Kirchenstammbuch, um mögliche Hinweise zu den beiden Namen zu erlangen. Doch große Hoffnungen auf ein positives Ergebnis hat er dabei nicht…
Stephan Hörhammer
Daher unser Aufruf an die Hog’n-Leserschaft: Wer kennt die beiden auf den Grabsteinen verewigten Namen? Wer wer hat konkrete Informationen, wer hat eine Vermutung? Die Hog’n-Redaktion ist dankbar für jeden Hinweis – gerne per Email an info@hogn.de oder auch telefonisch an 08550-9217214.
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Nachtrag vom 9.7.2025:
„Im Zuge unserer Spiegelauer Grabstein-Geschichte hat sich nun der örtliche Pfarrer Tobias Keilhofer bei der Hog’n-Redaktion gemeldet.
Er hat, wie er berichtet, „auf gut Glück“ einen Blick in die Tauf- und Sterbebücher der Pfarrei geworfen – und ist dabei fündig geworden. Demnach wurden Otmar Burger und Franzi Süß, so die Namen der auf den Grabsteinen zu lesenden Buben, im benachbarten Klingenbrunn geboren und auch beerdigt.
Franzi Süß starb, wie dem Sterbebuch zu entnehmen ist, durch einen Unglücksfall: Er wurde von einem Auto überfahren. Otmar Burger musste nur wenige Monate nach der Geburt aufgrund eines Herzversagens („Herzlähmung“) bereits wieder das Zeitliche segnen. Keilhofer zufolge sind viele Kindernamen zu jener Zeit des Zweiten Weltkriegs im Sterbebuch der Pfarrei vermerkt worden.
Es bleibt am Ende weiterhin die Frage, wie die beiden Grabsteine in einen Garten in der Spiegelauer Rübezahlstraße gekommen sind…