Markt Schönberg. „Da Beda Josef“, wie er in und um Schönberg genannt wird, war sein Lebtag zu Fuß unterwegs. Viele Menschen kennen den ruhigen Wandersmann, der häufig irgendwie schon dort war, wo wir erst hin wollten. Wir rasen umher und füllen Datenberge. Sein Ziel kostete Zeit. Sein Bild bedeutete Mühe. Seine Erinnerungen sind Freunde, während sie bei so vielen vorbei huschen wie verwischte Gräser am Straßenrand. Er feierte die Langsamkeit und die Achtsamkeit. Die Frage, die sich stellt: Wer hat nun mehr begriffen?

Do geh‘ i hi! Eines der eher selteneren Fotos mit Josef Peter zeigt ihn mit „Richtungsangabe“. Foto: privat

Josef Peter lebt etwas ab vom Schuss. In seiner guten Stube hat er sich die Welt zusammengetragen. Bücher über Weltrekorde sind eine Leidenschaft. Einen persönlichen Rekord hat er sich vielleicht selbst aufgestellt, der ringsum besonders ist: Zu Fuß war er über Jahrzehnte hinweg auf allen erreichbaren Ereignissen vertreten – und hat mit dem Fotoapparat reichlich Erinnerungen gesammelt.

Werbung

Ein Einzelgehöft bei Schönberg ist seit 1940 sein Zuhause. Mit 85 Jahren ist er dort der letzte in direkter Folge. Ein Neffe unterstützt ihn und kümmert sich. Von sechs Geschwistern sind drei früh gestorben. Er war der Älteste, übernahm den Hof, arbeitete wochentags und machte sich irgendwann auf, wenigstens an Sonntagen dorthin zu gehen, wo die Geselligkeit zu finden war.

Werbung
           

„Ja mei, wennst hoid nix host …!“

Einen Bulldog-Führerschein hatte er. Autos gab es in den 60ern noch wenige. Also wurde zu Fuß gegangen. Josef Peter ist heute noch gut auf den Beinen und klar im Kopf. Aber die großen Touren traut er sich doch nicht mehr so zu. Kurz vor seinem Vierziger nahm er aber stets den Kassettenrekorder mit auf seine Wanderungen. Hochzeitsmusik, Volkslieder, Messen und Musikvereinskonzerte sammelte er auf den magnetischen Bändern.

1984 wechselte er vom Ton zum Bild. Der Fotoapparat wurde zum Begleiter, wenn er losmarschierte. Rings um den Markt herum war er überall zugegen. Aber auch bis Hohenau, in den Lallinger Winkel oder in die Regener Gegend zog es ihn. Drei bis vier Stunden und an die 15 Kilometer nach Riggerding – und das Ganze dann wieder zurück. Josef Peter erinnert sich, wie die Leute im Wirtshaus Karten gespielt haben. Das Leben fand am Ort statt. Er fotografierte Festzüge, Märkte und Menschen. Ohne festes Ziel; einfach deshalb, weil er es für sich aufnehmen und aufbewahren wollte.

Er ließ sich Abzüge machen und füllte viele Alben mit Ereignissen. Was da nicht reinpasste, steckt in Kuverts und Fototaschen, sauber beschriftet mit Orts- und Zeitangaben. Im Sommer war ihm nur ganz selten das Wetter zu schlecht dafür. Notfalls zog er den Regenmantel drüber. Keine Bäuerin oder eigene Familie hielt ihn zurück. Geheiratet hat er nicht: „Ja mei, wennst hoid nix host …!“ Er hat die Kilometer nicht gezählt. Es dürften Tausende gewesen sein, die in vielen durchgelaufenen Paar Schuhen stecken…

„Das ist doch der Vater vom …!?“

Bürgermeister Martin Pichler war überrascht, wie viele Erinnerungen sich Josef Peter bei seinen Märschen durch die Region eingesammelt hat. Ein Schatz, der viel Vergangenheit unvergesslich macht. Foto: Markt Schönberg

Gesammelt hat er unterwegs auch Schwammerl. Ein dickes Buch hat ihm dabei geholfen, die Essbaren zu erkennen. Gesammelt hat er auch vieles über die eigene Vergangenheit. Erinnerungen der Familie reichen bis zu hoch beladenen Kammerwagen, stolzen Hofleuten in Tracht und selbstbewusster Pose samt Gesinde. Als die ersten Autos durch den Markt knatterten, wurden diese als Besonderheit dokumentiert und über Aufmärschen wehten noch Fahnen eines traurigen, historischen Abschnitts. Eine aufgebahrte Leiche strahlte Würde und Nähe aus. Die Arbeit am Hof mit dem neuen Pferd war ein besonderes Foto wert; später der erste McCormick.

In der Zeit, aus der Josef Peter stammt, galt es noch als Dokument für die Ewigkeit, diese erinnerungswürdige Situation auf wertvollem Rollfilm festzuhalten. Heute rinnen die digitalen Pixelmassen inflationär schnell direkt ins Vergessen hinein, werden schnell mit dem Daumen weggewischt. Bürgermeister Martin Pichler meint: „Du bist der ‚Waidler.com‘ aus der Zeit, wo es den noch gar nicht gegeben hat.“

Aber: Zu viele Alben stehen in den Schränken, um sie kurz mal durchblättern zu können. Da findet sich dennoch schnell ein „Das ist doch der Vater vom …!?“ oder ein „Ist das nicht drüben beim …?“ Landschaften sind mit Häusern zugewachsen, Straßen zogen sich über die Flur. Zu Fuß muss heute keiner mehr schauen, wie weit er kommt…

Eher still und zufrieden

Beim Josef Peter hat sich aber gerade mit der Langsamkeit ein Berg an Erinnerung aufgetürmt. Dabei stand er stetes eher still und zufrieden am Rande, während die Medien-Kollegen an den Reporterkameras noch den perfekten Ausschnitt suchten und sich zugleich wunderten, wie sie fast überall und ständig auf den Wandersmann mit Kamera trafen.

Wenn er einmal nicht mehr ist, wird etwas von ihm bleiben. Pichler bat ihn, seinen Nachlass womöglich der Allgemeinheit zugänglich zu machen, um all die Rückblicke zu bewahren. Viele könnten dort gewiss wieder ein paar Erinnerungen finden, die noch zu Fuß eingesammelt wurden…

Hermann Haydn

Werbung
       

Dir hat dieser Artikel gefallen und du möchtest gerne Deine Wertschätzung für unsere journalistische Arbeit in Form einer kleinen Spende ausdrücken? Du möchtest generell unser journalistisches Schaffen sowie die journalistische Unabhängigkeit und Vielfalt unterstützen? Dann dürft ihr das gerne hier machen (einfach auf den Paypal-Button klicken).


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert