Bayerischer Wald. Im Woid, wie auch in vielen anderen Gegenden, hat sich bis heute ein vielerorts noch immer recht lebendiges Brauchtum gehalten. Im Zentrum stehen dabei vor allem die hohen christlichen Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten mit ihren jeweiligen religiösen Besonderheiten.

Ein willkommener Nebenverdienst
Zu Pfingsten ist es der Heilige Geist, der im Mittelpunkt des kirchlichen Geschehens steht. So schwebt am Pfingstsonntag in einigen Kirchen der Heilige Geist in Gestalt einer aus Holz geschnitzten und farbig gefassten Taube aus einer Öffnung in der Decke des Chorraums in den Kirchenraum hernieder. Dieses sichtbare Zeichen hat die Gläubigen nicht nur in vergangenen Zeiten entsprechend beeindruckt.
Gerade im Bayerischen Wald war es Brauch, zu Pfingsten den Heiligen Geist über dem Esstisch schweben zu lassen. Dazu wurde in eine gut faustgroße Glaskugel eine kleine, farbig bemalte Taube präpariert, die den Heiligen Geist symbolisierte. Glasbläser formten die Kugeln und Leute mit handwerklichem Geschick richteten sie dann ein. Besonders während des langen Winters, wenn die bäuerliche Arbeit weitestgehend ruhte, war dies ein willkommener Nebenverdienst.

Eine ruhige Hand und ein feines Fingergespür gehörten dazu, wenn es galt, die aus Fichtenholz geschnitzten und farbig gefassten Einzelteile mit einer langen Pinzette durch die enge Öffnung oben in der Glaskugel zu jonglieren – und im Inneren dann mit Knochenleim zusammen zu stecken. Um die Wirkung noch zu steigern, wurde der Strahlenkranz um den Kopf der Taube oftmals mit Goldpapier beklebt.
Für diese Heilig-Geist-Kugeln fand der Volksmund die etwas vulgär klingende Bezeichnung „Supp’nbrunzer“. Dieser mundartliche Begriff beruht – wenn man so will – auf einer physikalischen Gegebenheit: Da die Kugel in aller Regel mitten über dem Esstisch (und damit über der Suppenschüssel) hing, bildete sich an ihr durch den aufsteigenden Dampf Kondenswasser, das dann in die Schüssel tropfte…
Die Wasservögel (auf Boarisch: „Wossavegl“)
Das „Wasservogel-“ oder „Pfingstvogelsingen“ gehört vor allem draußen am Land, in den Dörfern, zum lebendigen Brauchtum. Es zählt zu den ältesten Kultbräuchen. Vorwiegend junge Männer und Burschen ziehen dabei am Pfingstsonntag gegen Abend in möglichst wasserdichter Kleidung von Haus zu Haus und singen das unten aufgeführte, aus längst vergangener Zeit überlieferte Lied.
Dabei wechseln sich Spottverse, gute Wünsche, Bettelreime und lobende Worte ab, die auch durchaus auf die Hausbewohner Bezug nehmen. Das „Wasservogel-Singen“ ist ein sogenannter Heischebrauch, weil die „Wasservögel“ für ihren Gesang Geld, Eier oder Schmalzgebäck bekommen. Zum großen Vergnügen der meist zahlreichen Zuschauer, werden die Sänger während ihres Vortrags ordentlich mit Wasser überschüttet. Dieses soll das Ausgießen des Heiligen Geistes über die Jünger symbolisieren.
Der Kehrreim, der zum Vortrag kommt, ist mit wenigen bekannten Abweichungen überall derselbe:
„Abends schlafts ned, abends schlafts ned, abends, da reisen wir daher.“
Darauf stimmt der „Pfingstl“, der Vorsänger, der früher mit Tannen-, Birkenreisig oder Stroh verziert war, das Lied an:
„Wir reisen daher am Abend spat, wohl in der heiligen Pfingstnacht“
Die übrigen Teilnehmer singen nach jeder Strophe den Kehrreim:
„Wir reisen daher über a greane Wies, begegnet uns unser Jesu Christ.“
„Wossavegl“-Verserl
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„D’Wosservegl soi ma giassn, sonst mächt’s es ja vadriaßn.“ Wir reisen über a greane Au, begegnet uns unsere liebe Frau.
- Wenn da Bua in da Friah aufsteht, mit Gott verricht er sein Gebet.
- Der Bauer hod a neis Paar Schuh und geht damit der Stalltür zua.
- Der Bauer hod a groß Vermög’n, er kunt uns leicht an Taler geb’n.
- D’Haustür hod an oachan Kern, es werds uns denerscht singa hörn.
- D’Stübltür hod ar a Loch, hörn’s uns ned, so sehngn’s uns doch.
- D’Bäuerin hod a neis Paar Schuah, sie geht damit der Kuchl zua.
- Sie kann guat nahn und sticka, dem Mann sei Hosn flicka.
- Es sitzt a schwarze Henn im Nest, de hod scho dreißig Eier g’legt.
- Dreißge wär’n ja eh ned z’vui, a sechzge wärn des rechte Zui.
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So wie hier in Herzogsreut sind am Pfingstsonntag wieder in zahlreichen Dörfern im Bayerischen Wald die Wasservögel unterwegs. Mia ham oan bei uns ois Meier, der duad aso um d’Eier.
- Mia ham oan bei uns aus da Neia Welt, der duad aso um’s Suiwageld.
- Mia ham oan bei uns aus Fürhoiz, der duad aso um’s Küahschmoiz.
- Mia ham oan bei uns aus Poppenreut, der duad aso um d’Weiberleut.
- D’Wosservegl soi ma giassn, sonst mächt’s es ja vadriaßn.
- Mia san no oisamt bräsldrucka, ois wia an Ofaglucka.
- Soit enk des koid Wasser dabarma, so giaßts uns mit am warma.
- Da Bua der hod a faule Dirn, de kann koan Tropfa Wasser kriag’n.
- Es habd’s zwar einen hohen Schroud, owa mia scheint aa a Wassernoud.
- Jetzt hör ma d’Schlüssl klinga, sie wenn uns do was bringa.
- Und was mia enk no wünschn, auf’s Jahr an neia Prinzn.
- Mir bedank’n uns für diese Gab’n, die mia von enk empfangen hab’n.
Das Lied muss komplett vorgetragen werden…
Wegen der vielen Strophen können die Hausbewohner ihre Gefäße immer wieder mit Wasser füllen und die Sänger ordentlich überschütten. Das Lied muss komplett vorgetragen werden, sonst gibt es keine Gaben.
Die Wurzeln dieses uralten Brauches gehen auf die Frühzeit des Christentums zurück, als die Taufe nur zu Pfingsten gespendet wurde, indem man den Täuflingen Wasser über den Kopf schüttete.
Rupert Berndl